“Ab 13 Uhr sind nur noch Zombies unterwegs” – Eine Hymne auf den guten alten Mittagsschlaf

Ich kann es heute wirklich nicht mehr verstehen, warum ich im zarten Alter von zwei Jahren einfach so beschlossen habe, damit aufzuhören, mich schön mittags ne Runde aufs Ohr zu hauen, während die Welt sich geschäftig weiterdreht. Unglaublich! Wer gibt denn freiwillig diesen Luxus auf? Gut, damals hat man ja so einiges entschieden, was man heute ein klitzekleines bisschen anders regeln würde. Aber trotzdem, das ging zu weit! Zum Glück weiß ich es heute besser und gebe mir alle Mühe, diesen Luxus wieder in mein Leben zu integrieren. Wissenschaftler geben mir übrigens Recht (und wenn Wissenschaftler einem Recht geben, ist es amtlich): Der Mittagsschlaf ist nicht nur schön, sondern steigert nachweislich meine Leistung, verbessert meine Blutwerte und schützt mich vor Depressionen. Umso gefährdeter ist man allerdings, wenn man will, aber nicht darf.

Ich wär so gerne Italienerin

Mit deutschen Bürozeiten ist das Nickerchen nach dem Mittagessen jedenfalls nur so semigut kompatibel. Kopierer sind nicht wirklich bequem und Tastaturen piepsen, nachdem man etwa 20 Mal mit der Nasenspitze denselben Buchstaben gedrückt hat. Auch kommt die Sache bei den fleißigen Kollegen mitunter nicht ganz so gut an. Bei vielen unserer europäischen Nachbarn ist der Mittagsschlaf aber völlig salonfähig. Italien zum Beispiel: Da arbeitet man bis zum Mittag, dann macht man erstmal zwei oder drei Stündchen Pause. Die einen legen sich nach einem kleinen Lunch an den Strand, die anderen ins eigene Bett. Klingt nach dem Paradies? Finde ich auch! Auch wenn es geografisch nicht der Fall ist – in diesem Punkt fühlt sich Italien sehr, sehr weit weg an. Und einen kleinen Haken hat das System ja auch: Versuch mal, in einem italienischen Dorf mittags noch mal schnell was im Supermarkt zu besorgen. Du fühlst dich wie ein Zeitreisender in einer Geisterstadt. Keiner unterwegs und ohne wachen Kassierer gibt es halt auch nichts zu kaufen.

Auch am Wochenende ist alles irgendwie nicht mehr so, wie es mal war

Kennt Ihr noch diese kleinen Schildchen an Wohnhäusern, auf denen “Mittagsruhe bitte beachten” stand? Die sieht man deshalb nicht mehr, weil die Mittagsruhe tatsächlich einfach abgeschafft wurde! Einfach so, zack bumm, ihr bleibt jetzt alle wach, der Presslufthammer darf machen, was er will und der Nachbar klingelt – ob’s dir passt oder nicht. Das Resultat: In Deutschland sind ab 13 Uhr ne Menge Zombies unterwegs. Leere, müde Hüllen mit auf halber Flamme lodernder Hirnleistung. So richtig erholen kann man sich von diesem Mittagstief doch erst am Abend. Dabei könnte es so einfach sein: Einfach kurz hinlegen, Augen schließen, Muskeln entspannen und in Gedanken am Strand von Rimini auftanken. 

Der Mittagsschlaf wird aussterben

Wenn wir nicht endlich gemeinsam aufstehen (um uns anschließend wieder mittags hinlegen zu können), wird der Mittagsschlaf bald aussterben. Schon die Kleinsten werden auf Zombie getrimmt. In den meisten Ganztagsschulen gibt es natürlich keine Ruhezeiten zwischen Mittagessen und Hausaufgaben. Selbst in Kitas ist mit 3 normalerweise Schluss. Wenn du da über deinem Spaghettiteller einschläfst, wirst du wieder aufgeweckt. Warum? Weil Eltern keine Lust haben, dass ihre Kinder bis um 22 Uhr topfit sind. Und warum wollen sie das nicht? Weil sie selbst ja seit um 13 Uhr Zombies sind und den ganzen Tag über keine ruhige Minute hatten. Gemerkt? Wir drehen uns im Kreis. 

Mittagsschlaf ist von Natur aus in uns angelegt

Wir hören es ja ungern – aber de facto sind Menschen ja irgendwie auch sowas wie Tiere. Und wenn ich an Tiere um die Mittagszeit denke, dann sehe ich dösende Löwen, sich wohlig räkelnde Katzen, zusammengerollte Hunde und hängende Faultiere vor mir. Gut, letztere zählen nicht, die hängen ja immer. Aber auch im Menschen ist das Bedürfnis nach einer Mittagsruhe biologisch angelegt. Das hat man in sogenannten Bunker-Experimenten herausgefunden. Mehrere Personen leben bei solchen Experimenten für mehrere Tage in Bunkern – völlig abgeschottet von der Außenwelt und ohne Uhren oder Tageslicht. Sie haben Aufgaben zu erledigen, sollen aber auf ihre Bedürfnisse achten. So gewinnt man Erkenntnisse zur inneren Uhr. Ihr werdet es ahnen: Diese Menschen haben sich mittags alle hingelegt. 

Ich will schlafen – und zwar nicht im Bunker!

Was lernen wir daraus? Wir Deutschen haben in mancher Hinsicht echt einen Knall! Vor lauter Effizienz und Sinnhaftigkeit haben wir – zumindest was das Schlafen angeht – echt die Bodenhaftung verloren. Ich plädiere hiermit für eine Hospitanz aller Deutschen in Italien mit dem Weiterbildungsschwerpunkt Mittagsschlaf. Das wäre mal ne sinnvolle Variante, unsere Steuergelder auszugeben. Gott, wären wir alle erholt, wenn wir uns was von den Italienern abgucken würden. So erholt hätten wir auch so schöne Sachen wie Pizza und Speiseeis erfunden, dann ist das ja keine Kunst. Und kommt mir jetzt bitte nicht mit deutschen Erfindungen wie Bier oder Glühbirnen. Ich weiß ja selbst, dass meine Argumentation völlig gaga ist – ich hatte schließlich keinen Mittagsschlaf! Grrr!