Bitte Kabuls an Bundesregierung: Union lehnt Abschiebestopp ab



Bitte Kabuls an Bundesregierung

Union lehnt Abschiebestopp ab

Seit dem Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan sind die radikalislamischen Taliban auf dem Vormarsch. Die Regierung in Kabul bittet die Bundesregierung, die Abschiebungen vorerst zu stoppen. Unionsfraktions-Vize Frei kann das allerdings nicht nachvollziehen.

Thorsten Frei, stellvertretender Unionsfraktions-Vorsitzender im Bundestag, hat den Wunsch der afghanischen Regierung nach einem befristeten Abschiebestopp zurückgewiesen. “Natürlich habe ich angesichts der aktuell unsicheren Lage in Afghanistan Verständnis dafür, dass Deutschland um weitere Unterstützung gebeten wird”, sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). “Ehrlicherweise kann ich diese konkrete Forderung nach einem Abschiebestopp jedoch nicht nachvollziehen, da es sich nur um sehr wenige Personen handelt.” Seit 2016 seien nur etwas mehr als 1000 Personen nach Afghanistan abgeschoben worden.

“Ich wüsste nicht, wie ein Stopp helfen könnte, die angespannte Sicherheitslage zu entspannen.” Auch in schwieriger Zeit sei es notwendig, dass die afghanische Regierung weiter bei den wenigen Abschiebeflügen kooperiere. Eine Zusammenarbeit bei Sicherheits- und Entwicklungsfragen werde es auch weiter geben, kündigte Frei dem Bericht zufolge an.

Die afghanische Regierung hatte an die europäischen Staaten appelliert, Abschiebungen in ihr Land wegen der zunehmenden Gewalt der Taliban und der anhaltenden Corona-Pandemie für drei Monate auszusetzen. Die Bundesregierung teilte mit, die Bitte sei eingegangen. “Und die prüfen wir jetzt”, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Es würden nun Gespräche mit den europäischen Partnern geführt und auch mit der afghanischen Regierung. Ein Ergebnis strebe die Bundesregierung “zeitnah” an.

Einzelfallprüfung und neuer Lagebericht

In Deutschland gibt es für abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan keinen Abschiebestopp. Stattdessen wird über eine Abschiebung im Einzelfall entschieden. Grundlage für dieses Vorgehen sind die Lageberichte des Auswärtigen Amtes. Eine Ministeriumssprecherin sagte, die Lage werde genau beobachtet. Ein neuer Bericht für Afghanistan werde noch im Lauf des Monats fertiggestellt.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, erklärte, sie könne die Bitte der afghanischen Regierung angesichts aktueller Entwicklungen gut nachvollziehen. “Ich habe mich aufgrund der Sicherheitslage und der humanitären Situation in Afghanistan bereits in der Vergangenheit für eine grundsätzliche Aussetzung aller Abschiebungen dorthin ausgesprochen”, sagte sie dem RND. Dagegen hatte Bundesaußenminister Heiko Maas vor einer Woche gesagt, er halte die bisherige Abschiebepraxis trotz der Zunahme der Gewalt noch für vertretbar. Erst am Mittwoch war aus Deutschland eine Maschine mit 27 abgeschobenen afghanischen Männern in der Hauptstadt Kabul eingetroffen. Es war die 40. Sammelabschiebung seit dem ersten derartigen Flug im Dezember 2016.

Seit dem Beginn des Abzugs aller Nato-Truppen Ende April haben die Taliban nach eigenen Angaben bereits 85 Prozent des Landes erobert. Sie kontrollieren demnach rund 250 der knapp 400 Bezirke in Afghanistan – eine Darstellung, die allerdings nicht unabhängig überprüft werden kann und von der Regierung in Kabul zurückgewiesen wird.

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