Corona aktuell: Brandbrief einer Erzieherin: “Was ist mit uns?”

Corona aktuell
Erzieherinnen in der Corona-Krise: “Was ist eigentlich mit uns?”

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In der Corona-Krise gilt: Zuhause bleiben, Kontakte meiden. Für manche Berufsgruppen ist das schlicht unmöglich. Jetzt hat eine Erzieherin einen Brief an Sozialbehörde geschrieben.

Die Coronapandemie hat den Alltag vieler Menschen völlig verändert. Masken werden getragen, Abstände eingehalten, Kontakte reduziert, Arbeiten von zu Hause erledigt. Und während so mancher von uns kaum noch das Haus verlässt und seine Kontaktpersonen der letzten Wochen an einer Hand abzählen kann, kuscheln andere täglich mal eben mit bis zu 20 Haushalten. Dabei bricht er oder sie nicht einmal die Regeln – sondern befolgt sie sogar.

Die Rede ist von den Berufsgruppen, die jeden Tag weiterhin zur Arbeit müssen. Und in deren Job Körperkontakt an erster Stelle steht. Erzieher*innen arbeiten seit einem Jahr an vorderster Front. Sie kommen täglich mit mehr Menschen zusamme als andere in einem Monat. Dabei begeben sie nicht nur sich, sondern auch ihre eigenen Familien in Gefahr. Und das ganz selbstverständlich, denn sprechen tut darüber bisher kaum jemand. Jetzt hat eine Hamburger Kita-Leitung einen Brandbrief an die Sozialbehörde verfasst.

Erzieherin schreibt Brandbrief: “Was ist denn eigentlich mit uns?”

Unter anderem zitiert die “Hamburger Morgenpost” aus dem Schreiben wie folgt: “Wir Erzieherinnen arbeiten weiter wie immer, wie vor Corona – nur mit Ängsten und Sorgen.” Während andere längst im Homeoffice oder über Abstände, Masken und Plexiglas geschützt seien, hätte sich in den Kindertagesstätten nicht viel geändert. Und die Erzieher*innen würden sich Tag für Tag in Gefahr begeben. 

Anders als im Frühjahr soll sich an der Anzahl der Kita-Kinder diesen Winter deutlich weniger geändert haben – trotz höherer Infektionszahlen. Viele Eltern würden ihre Kinder weiterhin in die Kita bringen, zwischen systemrelevanten und anderen Berufen wird kaum unterschieden. Die Erzieherin kann das einerseits verstehen: Sie selbst ist Mutter zweier Kinder. Doch gerade dieser Fakt zeige ihr das Paradoxon der aktuellen Situation auf, wie sie schreibt: “Ich lasse meine Kinder Zuhause, so wie es gewünscht ist. Doch da sitze ich nun in der Kita, während meine Kinder Zuhause alleine sind und betreue Kinder, die alle ein Recht auf Betreuung haben.” Sie wünsche sich irgendeine Lösung, ein Konzept. Sei es eine Notbetreuung wie in den Schulen – oder aber bessere Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter*innen. “Was kann man tun? Wie können wir uns schützen? Was ist denn eigentlich mit uns?”, solche Fragen beschäftigten die Kita-Leitung täglich.

In den letzten Wochen werden vermehrt solche Briefe aus Kindertagesstätten publik. Auch das “Hamburger Abendblatt” und “RTL” berichten über Erzieher*innen, die sich in der Verzweiflung an die Politik gewandt hatten. RTL zitiert dabei ein Kita-Team aus Hamburg, das eine Auslastung der Kitas von über 50 Prozent beschreiben würde. Viele Eltern sähen unter Arbeitsdruck schlichtweg keine andere Möglichkeit, als ihre Kinder weiterhin in die Betreuung zu geben – oder aber seien “Corona-müde”.

Dass die Betreuung von Kindern mit der Arbeit im Homeoffice kollidiert, hat jedes Elternteil im Laufe des letzten Jahres feststellen müssen. Das verstehen auch die Erzieher*innen, die sich nun an die Öffentlichkeit wenden. Doch sie fordern ebenfalls Verständnis für ihre eigene Situation – und ihre Ängste, mit der sie jeden Tag zur Arbeit gehen würden. 

“Der Widerspruch wird von der Politik auf den Rücken der Eltern, Kitaleitungen und Pädagog*innen abgewälzt”

Der Alternative Wohlfahrtsverband SOAL hat nun einen offenen Brief an den Hamburger Senat verfasst. Darin wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Lockdown-Maßnahmen und der fortlaufende Regelbetrieb der Kitas nicht vereinbaren ließe: “Dieser Widerspruch wird von der Politik auf den Rücken der Eltern, Kitaleitungen und Pädagog*innen abgewälzt”. 

In dem Schreiben stellt der Verband konkrete Forderungen: Klare Regeln, was die Einschränkungen in Kitas nach Inzidenzwerten angeht, aber auch die Quarantäne-Maßnahmen, wenn ein Familienteil erkrankt. Zudem sollen Corona-Tests und Impfungen für Erzieher*innen zugesichert werden. Über 80 Einrichtungen haben den Brief bereits unterzeichnet. 

Obwohl die Politik beschlossen hat, den Lockdown zu verlängern und damit auch Schulen und Kitas geschlossen zu halten, sieht die Realität in vielen Fällen anders aus – und der Pandemie-Betrieb in Form von Notbetreuung geht weiter. 

Verwendete Quellen: RTL, Mopo, Hamburger Abendblatt, Alternativer. Wohlfahrtsverband

Brigitte