ein weites, profitables Feld mit vielen Fallgrube

Vor etwas mehr als zehn Jahren begann der Bitcoin seinen Siegeszug. Mittlerweile gibt es Tausende von Möglichkeiten, in Krypto zu investieren. Was ist zu empfehlen und was nicht?

Illustration: Charlotte Eckstein

Ob das Satoshi Nakamoto so gewollt und vorausgesehen hat, als er 2008 ein Arbeitspapier verfasste, das die Funktionsweise einer Kryptowährung definierte? Im Jahr 2022 ist «Krypto» eines der Anlagethemen, die am kontroversesten diskutiert werden. Die Meinung reicht von «Digitale Assets werden den Finanzbereich revolutionieren» bis zu «Betrügerisches Schneeballsystem, das bald zusammenbricht». Fast wöchentlich rückt ein neues Thema in den Fokus, nach NFT machten jüngst «private» Kryptowährungen Schlagzeilen.

Die zehn grössten Kryptowährungen

gemessen an der Marktkapitalisierung in Milliarden Dollar

TokenMarktwert
Bitcoin796
Ethereum (Ether)355
Tether80
Binance Coin66
USD Coin53
Ripple39
Terra33
Cardano30
Avalanche24
Polkadot19

Kryptowährungen sind verschlüsselt abgesicherte digitale Zahlungsmittel mit Token auf der Blockchain. Dabei handelt es sich um ein transparentes, elektronisches Register für die Speicherung von Transaktionsdaten, das durch die Teilnehmer eines verteilten Rechnernetzes verwaltet wird. Dieses Nutzer-zu-Nutzer-System (Peer-to-Peer) erlaubt eine gemeinsame, synchronisierte Datenhaltung – so werden sichere Transaktionen ohne Intermediäre zu tiefen Kosten möglich. Die Website coinmarketcap.com listet zurzeit über 18 000 Kryptowährungen auf mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt über 1800 Milliarden Dollar.

Eine Währung bestimmt den Kurs

«Überleben im Sinn von aktiven und mindestens einigermassen erfolgreichen Projekten werden 5 bis 10 Prozent aller Krypto-Token», sagt Philipp Cottier vom Investment-Advisor L1 Digital. Taktgeber bleibt der Grossvater der Branche – der Bitcoin. Er bestimmt auch die Werteentwicklung des gesamten Sektors. Nach einem Höchst von fast 70 000 Dollar im vergangenen November hat der Bitcoin – und mit ihm weite Teile des Krypto-Segments – über 40 Prozent an Wert eingebüsst. Viele Beobachter sprechen bereits von einem «Krypto-Winter».

Neben der Bitcoin-Blockchain haben sich weitere Plattform-Generationen mit entsprechenden Token entwickelt. Token können in drei Kategorien eingeteilt werden. Erstens in Zahlungsmünzen für Transaktionen, ohne dass Finanzintermediäre erforderlich sind. Ursprünglich war der Bitcoin für diese Kategorie vorgesehen, doch das Netzwerk erwies sich als zu wenig leistungsfähig, und Zahlungen werden zu aufwendig. Als Zahlungsmittel taugen nur die sogenannten Stablecoins, die eine traditionelle Währung eins zu eins abbilden. Zweitens: Nutzungsmünzen. Die Token dienen dazu, Software-Funktionen auf den entsprechenden Plattformen auszuführen. Drittens: Asset-Token. Hier ist der Token lediglich eine digitale Darstellung des zugrunde liegenden Vermögenswerts.

Wie kann der Privatinvestor in diese Vermögensklasse investieren? Das neue «Anlage-Segment» entwickelt sich rasant, innert kürzester Zeit ist ein riesiges Ökosystem entstanden, das teilweise Anlagen in traditionelle Vermögenswerte spiegelt, aber auch ganz neue Spielarten von Investitionen eröffnet hat. Als ob die horrende Volatilität – die für junge Vermögenswerte typisch ist – nicht genug wäre, kommt im Krypto-Bereich eine technische Komplexität hinzu, die nur von wenigen in der Tiefe verstanden wird. Zudem hat man die Auswahl zwischen Tausenden unterschiedlichen Kryptowährungen, Stacking, Lending und NFT. Der Einstiegspunkt bleibt für die meisten der Bitcoin.

Langfristig die Kaufkraft bewahren

«Der Hauptnutzen des Bitcoins ist, dass er an jemand anderen verkauft wird», spöttelte die Investoren-Legende Warren Buffett, kein Freund von Kryptowährungen. Was als Abwertung gedacht ist, trifft eigentlich auf alle Vermögenswerte zu: Der Halter hat die Hoffnung, diese später zu einem höheren Preis veräussern zu können. «Bitcoin ist die einzige Kryptowährung, die wahrhaftig dezentral ist und keine zentrale Entität, Führungsperson oder Einflussgruppe hat», sagt Julian Liniger, Gründer und Geschäftsführer von Relai. Somit sei der Bitcoin wirklich unabhängig und resistent gegen Zensur, was man von den meisten anderen Kryptowährungen nicht behaupten könne.

Liniger ist überzeugt, dass der Bitcoin der beste Weg ist, Geld zu sparen. Mit der Relai-App kann die Anlegerin in wenigen Schritten mit einem Sparplan ab 10 Franken in Bitcoin investieren. «Der Bitcoin hat auch die längste Historie beziehungsweise den besten Track Record und die grösste Hashpower, also Netzwerksicherheit, sowie den grössten Netzwerkeffekt, weil es die am meisten verbreitete Kryptowährung ist», fügt der Relai-CEO an. Bitcoin sei als Spartechnologie konzipiert und als «digitales Gold» darauf ausgelegt, langfristig die Kaufkraft zu bewahren bzw. zu steigern, was er durch die einprogrammierte Geldpolitik sowie fixierte Knappheit und Unabhängigkeit von Staaten und Banken auch erreiche.

Erste Praxistests bestanden

Spendenaufrufe in Bitcoin der ukrainischen Regierung, die Verwendung als gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador oder als Schutz gegen die Hyperinflation in Venezuela zeigen, dass der Bitcoin sich als «Krisenwährung» bewährt. «Bitcoin ist ein Wertaufbewahrungsmittel und wird insbesondere in Emerging-Markets dafür verwendet», so Cottier, im Gegensatz zu Gold sind Bitcoin einfacher transportierbar. Der Preis ist vorwiegend durch die Nachfrage getrieben, da das Angebot an Bitcoin fixiert ist.

In den jüngsten geopolitischen Turbulenzen konnten Bitcoin und Co. dem Ruf als «digitales Gold» nicht gerecht werden. Die Nachfrage orientiert sich gemäss Cottier kurzfristig nicht einzig an der weltweiten Inflation oder an geopolitischen Risiken, sondern auch an vielen anderen Faktoren. Dazu gehörten Regulierungsbestrebungen im Krypto-Bereich, Hashpower, die Risikofähigkeit der Anleger in den traditionellen Märkten, technologische Innovationen auf Layer-2-Stufe wie zum Beispiel Lightning-Networks und anderes. «Der Bitcoin kann nur längerfristig als Goldersatz und Inflationsschutz angesehen werden», so Cottier.

Ausser Stablecoins, die als Währung dienen und keinen Wertzuwachs aufweisen, eignen sich alle anderen Token (rund 98 Prozent des Token-Universums) für Investitionen. Obwohl umgangssprachlich Kryptowährungen genannt, haben sie nichts mit Währungen zu tun, sondern sind Smart-Contract-Plattformen und Layer-2-, DeFi-, Web3-Projekte oder NFT-Plattformen. Diese sind gemäss Cottier alle für Investitionen geeignet, da sie Elemente der nächsten digitalen Revolution sind und meistens dezentrale, profitorientierte Geschäftsmodelle abbilden.

Mehr Potenzial, mehr Risiko

«Coins, die jünger und vermeintlich innovativer sind als der Bitcoin, haben sicher ein grosses kurzfristiges Upside-Potenzial, dafür aber auch ein weitaus grösseres Risiko bezüglich Kursverlusten oder sogar Totalverlust», sagt Liniger. Diese seien mit Startup-Investments zu vergleichen, wobei der Bitcoin eine langfristige Wertanlage im Krypto-Sektor darstelle. Viele wissen gemäss dem Relai-CEO zudem nicht, dass neuartige Anwendungen wie Smart Contracts, Tokenization, Decentralised Finance, NFT oder Web 3.0 über Projekte wie Lightning, Liquid usw. auch auf der Bitcoin-Blockchain umsetzbar sind.

Junge schlägt alte Währung

Wert von Bitcoin und Ether in Dollar, indexiert

Wenn man Kryptowährungen besitzt, kann man mit den meisten Token noch zusätzliches Einkommen generieren – ähnlich dem Zins von Obligationen oder Dividenden bei Aktien. Dabei handelt es sich um Crypto-Lending und Staking. Beim Crypto-Lending stellt man dem Markt Liquidität zur Verfügung, ähnlich wie beim klassischen Securities-Lending. Dazu geben die Nutzer ihre Kryptowährungen in den Kapital-Pool eines Anbieters und erhalten für die Überlassung dieses Kapitals Zinsen.

«Zinsen» auf Krypto-Anlagen

Der Lending-Anbieter verwendet das Kapital, um damit eine Rendite zu erwirtschaften. Zum Beispiel geschieht das durch die Vergabe von Krediten an institutionelle Investoren wie Market-Maker oder Krypto-Börsen. Im Gegensatz dazu basiert das Staking auf dem Proof-of-Stake-Konsensmechanismus und sichert dadurch die Funktionalität und Sicherheit eines Netzwerks. Die Validierung einer Transaktion auf der Blockchain erzeugt eine Belohnung, das ist der sogenannte Staking-Reward.

«Staking kann sinnvoll sein, wenn man an die Crypto-Economics, die Governance, und die langfristige Daseinsberechtigung der entsprechenden Blockchain glaubt», sagt Liniger. Viele Blockchains machten aber Staking einfach nur um der kurzfristigen Rendite willen, hätten kein durchdachtes Konzept und sollten mit grosser Vorsicht genossen werden.

«Lending eignet sich vor allem für zwei Arten von Anlegern: Erstens für Langzeitinvestoren, die ihre Kryptowährungen für eine längere Zeit nicht verkaufen wollen», sagt Lukas Hofer von Cryptostudio in Berlin. Diese könnten durch das Lending Zinsen und Zinseszinsen verdienen. Zweitens für klassische Sparer, die am Krypto-Ökosystem partizipieren wollten, aber sich nicht den Volatilitätsrisiken einzelner Kryptowährungen aussetzen wollten. Diese Anleger können mit Stablecoins sparen und damit Zinsen erwirtschaften, so wie früher mit Sparkonto oder Festgeld.

Stablecoins werfen mehr ab

Die Zinsen variieren sehr stark je nach Anbieter und Währung. Grundsätzlich sind auf den meisten Plattformen die Zinsen für Stablecoins höher als für volatile Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum. Gemäss Hofer bekommt man für Bitcoin und Ethereum zwischen 4 und 9 Prozent, für Stablecoin wie Tether und USD Coin zwischen 7 und 12 Prozent.

Solche Renditen gibt es aber nicht ohne Risiken: Zum einen tragen Anleger das Insolvenzrisiko der Plattform: Es gibt keine staatliche Einlagensicherung. Dazu kommen technische Risiken: Hier kommt es vor allem auf die IT-Sicherheit der Anbieter und ihre Custody-Lösung an, und bei dezentralisierten Protokollen ist der Smart Contract entscheidend. Gemäss Hofer gab es bei den führenden Lending-Plattformen noch keine nennenswerten Verluste durch Cyberangriffe. Zudem geht man Anlagerisiken ein. «Wenn man volatile Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum anlegt, trägt man auch deren Volatilitätsrisiko», sagt Hofer. Das könne man durch die Verwendung von Stablecoins umgehen.

Jüngst sorgten auch NFT für Furore. Diese nichtfungiblen Token sind einzigartig und mit einem Werk verknüpft. Sie bestätigen beispielsweise den Kauf sowie das Eigentum an einem Bild und sind durch die Blockchain abgesichert. Doch gemäss Cottier «sind NFT zurzeit vor allem interessant für Kunstliebhaber, Künstler, Sammler, Metaversum-Teilnehmer, Gamer, Social Influencer, Musiker, Journalisten und andere Content Producers». Viele Anwendungen seien derzeit noch unbekannt oder erst am Entstehen. NFT als Grundidee von knappen Assets in der digitalen Welt, die plattformunabhängig gehandelt und transferiert werden könnten, haben gemäss Liniger sicherlich grosses Potenzial, allerdings «kommt es wiederum stark darauf an, welches Blockchain-Netzwerk den spezifischen NFT zugrunde liegt» und wie stabil dieses sei.

Wer soll wie anlegen?

Wie man in Krypto investiert, ist gemäss Cottier eine Frage des Finanz- und IT-Know-hows des Anlegers. «Am billigsten wird es sein, direkt in Token zu investieren». Dies ist aber zeitaufwendig, bringt gewisse Storage-Risiken mit sich und wird zudem nicht zu einem diversifizierten Portfolio führen. Mittlerweile bieten zahlreiche Banken und Finanzdienstleister Krypto-Produkte an. Doch für Bankprodukte und Zertifikate zahlt man einen höheren Preis, weil Drittparteien wie Emittenten und Banken daran mitverdienen. Doch als Gegenleistung erhält man eine gewisse Convenience, und man kann das Krypto-Vermögen direkt im traditionellen Anlageportfolio einbuchen und behält die Vermögensübersicht.

Passive Zertifikate können gemäss Cottier eine Lösung sein, allerdings ist die Krypto-Industrie noch sehr ineffizient, und passive Produkte werden auch wenig vielversprechende Token-Projekte beinhalten. Ob die Preise dafür zu hoch sind, muss jeder Anleger für sich entscheiden, es gibt aber günstigere Wege, in Krypto zu investieren. Cottier geht davon aus, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren aktive Strategien, etwa Fonds von spezialisierten Asset-Managern, am erfolgreichsten sein werden.

«Krypto-Anlagen werden am besten entweder als IT-Investments und damit Teil der Tech-Allokation angesehen oder aber als neue Vermögensklasse», fügt Cottier an. Anleger sollten graduell in den Bereich investieren, anfänglich nur mit geringen Anteilen von zum Beispiel 1 Prozent an ihrem Portfolio. Dies könne dann mit der Zeit ausgebaut werden auf zum Beispiel 5 Prozent – sobald die Anleger das relevante Know-how erworben hätten und geeignete Produkte zur Verfügung stehen würden.

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