Extrabreit: Bisherige Karriere war wie eine Achterbahnfahrt

Extrabreit veröffentlichen ihr erstes Album nach über zwölf Jahren. Gitarrist Stefan Kleinkrieg spricht im Interview über das Comeback.

Die meisten kennen Extrabreit wohl als eine der erfolgreichsten Bands der Neuen Deutschen Welle in den 1980er Jahren. Hits wie “Hurra, Hurra, die Schule brennt!” und “Polizisten” sind unvergessen. Nun feiern die Deutschrocker ein großes Comeback und veröffentlichen nach über zwölf Jahren am Freitag (13. November) ein neues Album mit dem Titel “Auf Ex!”. Über ihre alten Hits denkt die Band “so wenig wie möglich” nach, erzählt Gitarrist und Gründer Stefan Kleinkrieg (64) im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Der Musiker verrät außerdem, warum die Karriere von Extrabreit eine Achterbahnfahrt war, wie es der Band in der Corona-Krise geht und wie er auf die Zeit der Neuen Deutschen Welle zurückblickt.

“Auf Ex!” ist das erste Album seit über zwölf Jahren. Warum war die Zeit jetzt reif dafür?

Stefan Kleinkrieg: Zwölf Jahre, eine endlose Zeit, stimmt. Kai und ich hatten ungefähr vor vier Jahren angefangen, neue Titel aufzunehmen, zum Teil auch schon mit der Band. Wir haben aber das Material nicht wirklich ausgearbeitet und uns gegenseitig, auch aufgrund der nur sporadischen Arbeit, nie wirklich überzeugt. Dann trafen wir unseren alten Musikverleger Michael Kramer, der mittlerweile schon im Ruhestand ist, auf unserem Jahresabschluss-Konzert in Hamburg. Er meinte: “Jungs, das geht doch richtig gut ab, was ihr so macht. Habt ihr nicht mal über ein neues Album nachgedacht?”

Wir erzählten von unseren Songs, die da so vor sich hindümpelten und er meinte, wir sollten uns doch mal treffen und das Zeug zusammen anhören. Unterdessen hatte unser Live-Mischer, Michael Danielak, eine Produktionsfirma gegründet und da er das Material als Ton-Ingenieur aufgenommen hatte, mit seinem Partner Franky Kühnlein überarbeitet und gemischt. Herausgekommen waren Demos, die uns ziemlich gut gefielen. Dann ging alles ziemlich rasant. Eine Firma wurde durch Kramer auf uns aufmerksam und wir machten einen Deal. Also zur Frage zurück: Uns fehlte ein bisschen Input von außen, Mut und der Wille, die Komfortzone zu verlassen. Jetzt sind wir ganz happy!

Der Song “Und über uns der Himmel” befindet sich als Bonustrack auf dem Album. Ist es Ihnen wichtig, den Menschen in der Corona-Krise ein Stück Hoffnung zu geben?

Kleinkrieg: Sofern andere das als Hilfe annehmen und so betrachten, wären wir froh, eine solche Hilfe geleistet zu haben. Aber in erster Linie beruhigen wir uns selbst. “Kommt, es wird wieder besser, es geht vorbei und ganz wichtige Dinge sind unverrückbar.”

Genau wie Ihr Debütalbum “Ihre größten Erfolge” (1980) enthält der neue Longplayer 13 Songs. Wollen Sie damit ein Stück weit zu Ihren Wurzeln zurückkehren?

Kleinkrieg: Das war der Plan. Auch die Veröffentlichung auf den 13. zu legen, war so ein kleines Werkzeug unserer berüchtigten Guerilla-Promotion.

Ihre Bandgeschichte war von Höhen und Tiefen begleitet. Wie blicken Sie auf Ihre Karriere zurück?

Kleinkrieg: Wie auf eine Achterbahn von gelungenen und weniger gelungenen Tanzschritten auf einem Vulkan. Vieles kann man immer versuchen zurechtzurücken. “Wenn wir da abgefahren wären, wäre das und das passiert…” So kann man das nicht machen. Die Wunschvorstellung ist immer perfekt, während sich die gelebte Geschichte nicht mehr wehren kann. Alles war so wie es war: gut!

Was denken Sie über Ihre alten Hits wie “Hurra, hurra, die Schule brennt”?

Kleinkrieg: So wenig wie möglich. (lacht)

Wie denken Sie heute an die Zeit der Neuen Deutschen Welle zurück?

Kleinkrieg: Eine aufregende Zeitspanne in Deutschland. In dieser Größenordnung hatte sich das Publikum noch nie für deutschsprachige Musik interessiert. Die Welle war ja in erster Linie keine “Musikrichtung”, sondern ein Zeitabschnitt. Danach sind ja noch viele Acts deutschsprachig bequem durch das weit geöffnete Tor gegangen. Nicht ohne, wie in Deutschland üblich, die Vorgänger zu schmähen… aber was soll’s? Wir sind ja noch da!

Sie sind schon seit vielen Jahren im Musikbusiness, die Corona-Krise ist vielleicht die bis dato größte Herausforderung für die Branche. Wie geht es Ihnen persönlich damit?

Kleinkrieg: Wir oder ich sehe mich in erster Linie als einen Live-Spieler. Damit verdienen wir unser Geld. Wir hatten seit etwa 2016 einen ständigen Zustrom von Zuhörern und für dieses Jahr war die alljährliche Weihnachts-Blitztournee nahezu ausverkauft! Es ist eine Katastrophe, nicht nur für uns, sondern für alle, die in dem Segment arbeiten. Clubs, PA-Verleiher, Roadies, Beleuchter, Sound Leute, T-Shirt-Drucker, Verkäufer usw.

Wie traurig sind Sie darüber, dass Ihre traditionelle “Weihnachts-Blitztournee” in diesem Jahr nicht stattfinden kann?

Kleinkrieg: Das kann ich nicht in Worte fassen. Diese Gigs waren für mich immer das Highlight des Jahres, außerdem unsere stärkste Einnahmequelle.

Vier Wochen lang finden keine Veranstaltungen mehr statt. Was halten Sie vom “Lockdown light” im November?

Kleinkrieg: Ich habe aufgehört, mich in diese Szenarien reinzudenken und erst recht, sie zu kommentieren, aber mir persönlich fehlt der Glaube, dass mehr bewirkt wird als bei dem ersten Lockdown.

Wie wird Ihrer Meinung nach die Zukunft der Musikbranche aussehen?

Kleinkrieg: Das könnte ich in einem Roman schildern: einem Horror-Roman! Ich glaube, das kann keiner prophezeien. Sicher wird sein, dass es nicht über Los zurück zu den bekannten Zuständen gehen wird. Und es werden dabei auch keine 4.000 Mark eingezogen. Nicht alle werden es überleben und in ihr altes Leben zurückkehren.

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