Joseph Vilsmaier: Dafür wurde der Regisseur verehrt

Ein Urgestein sei er gewesen. Das sagt man gern über einen, der aus Bayern stammt, stets etwas mürrisch in die Welt schaut, aber trotzdem ganz okay ist. Joseph Vilsmaier (1939-2020) bediente dieses Klischee geradezu perfekt. Zu seinem Tod am Dienstag hieß es, der Filmregisseur aus München sei eigenwillig gewesen, aber nicht eigennützig. Großherzig, aber nie großmäulig, was in der Filmbranche ein ziemlich seltenes Alleinstellungsmerkmal sein dürfte.

Sein jüngerer Freund und Kollege Michael “Bully” Herbig (51) postete bei Instagram einige rührende Zeilen: “Joseph, mein lieber Freund, ich werde Dich so sehr vermissen! Dein mitreißendes Lachen, Dein herrliches Schimpfen, Deine einzigartigen Geschichten, Deine schier endlose Energie, Deine Spitzbübigkeit, Dein großes Herz, einfach Alles!” Damit ist alles über die großartige Persönlichkeit Joseph Vilsmaiers gesagt.

So entstanden seine Filme

Das Kinopublikum hat ihn und seine gemäldeartigen Filme geliebt. Wie kaum ein anderer verstand er es, “aus dem Bauch heraus”, eine Geschichte in ergreifenden Bildern zu erzählen. “Ich kann keine Theorie entwickeln oder danach arbeiten. Ich drehe und montiere so, dass sich bei mir heftige Gefühle entwickeln”, so zitierte ihn vor einem Jahr das “Titel Kulturmagazin” anlässlich seines 80. Geburtstags.

Aus dieser Perspektive entstanden die bekannten Vilsmaier-Filme “Herbstmilch” (1988), die verfilmten Lebenserinnerungen der Bäuerin Anna Wimschneider, “Rama dama” (1991, über die Trümmerfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg), “Stalingrad” (1993), “Schlafes Bruder” (1995, nach einem Roman von Robert Schneider), “Comedian Harmonists” (1997, über eine deutsch-jüdische Gesangsgruppe während der Nazi-Zeit), “Bergkristall” (2004, nach einer Erzählung von Adalbert Stifter) oder “Nanga Parbat” (2010, ein Himalaya-Drama um den Bergsteiger Reinhold Messner).

Auf Anhieb erfolgreich

Eigentlich wollte Joseph Vilsmaier Musiker werden. Nach einer Lehre beim renommierten Kamerahersteller Arnold & Richter (Arri) studierte er neun Jahre lang am Münchner Konservatorium Musik mit dem Schwerpunkt Klavier. Danach spielte er als Amateur in einer Jazz-Band. Schließlich machte er aus seiner Leidenschaft für bewegte Bilder einen Beruf: Er wurde Kameraassistent, dann Kameramann und wirkte gleich bei einigen “Tatort”-Episoden, der TV-Serie “Auf Achse” sowie bei Klamauk-Filmen mit Didi Hallervorden mit. Seine erste Arbeit als Regisseur war “Herbstmilch” – und auf Anhieb ein kommerzieller Erfolg.

Obwohl Joseph Vilsmaiers Filme vielfach ausgezeichnet und er für “Schlafes Bruder” sogar für den Golden Globe nominiert wurde, bemäkelten einige Filmkritiker seine Werke. Zwar sei sein Gespür für Bildkompositionen “bewundernswert”, doch seine Schwäche liege bei den zwischenmenschlichen Tönen. Man unterstellte ihm einen “Hang zu Sentimentalität und zum Plakativen” und kritisierte seinen “naiven, aber immer gutwilligen Umgang” mit komplexen Themen.

Schicksalsschlag 2009

Bereits als Kameramann hatte Joseph Vilsmaier bei den Dreharbeiten zu “Ein Stück Himmel” die Liebe seines Lebens kennengelernt, und 1986 heiratete er die tschechische Schauspielerin Dana Vávrová. Mit ihr hat er die Töchter Janina, Theresa und Josefina. Dana Vávrová spielte in vielen Filmen ihres Mannes mit, unter anderem in “Herbstmilch”, “Stalingrad”, “Schlafes Bruder” und “Comedian Harmonists”. Dann 2009 sein schlimmster Schicksalsschlag: Dana Vávrová starb mit nur 41 Jahren an Gebärmutterhalskrebs.

Den Tod hat Vilsmaier in seinem Spätwerk eingehend thematisiert. In “Die Geschichte vom Brandner Kaspar” (mit Franz Xaver Kroetz) nach einem populären bayerischen Volksstück wird der Boandlkramer (oder Gevatter Tod) von einem listigen Büchsenmacher ausgetrickst. Aus dem Sterben wird eine Komödie, und im bayerischen Jenseits gibt es immer satt Weißwürste und “keine Preißn”.

Den Boandlkramer spielte 2008 der Münchner Bully Herbig. Ihn engagierte Joseph Vilsmaier auch wieder für seinen allerletzten Film “Der Boandlkramer und die ewige Liebe”. Er soll im November 2020 in Kinos kommen – ein letzter Gruß vom bayerischen Urgestein Vilsmaier.