Keine Tabus! Darum erzähle ich Schwangeren von meiner Horrorgeburt

Ich habe mich auf die Geburt meiner ersten Tochter sehr gefreut. Auf diese Art und Weise, wie man sich auf einen noch unbekannten Urlaubsort freut, obwohl man weiß, dass die Hitze einem erstmal zu schaffen machen wird. Klar wusste ich, dass Geburten kein Spaziergang sind. Dass Wehen so heißen, weil sie wehtun. Und dass das Ganze ein bisschen dauern kann, war mir auch klar. Trotzdem ging ich irgendwie davon aus, dass alles zumindest ungefähr so werden würde, wie ich es auf meinem “Geburtsplan” notiert hatte. Ich wurde eines Besseren belehrt. 

Ich wünschte, man hätte mir mehr erzählt

Die Einzige, mit der ich konkreter über die Geburt gesprochen hatte, war meine Mutter. Die hatte vier Kinder auf die Welt gebracht und ich glaube ihr sogar, dass sie ehrlich war, als sie befand: “Zahnarzttermine find ich schlimmer!” Das also war mein Fachwissen zum Thema. Google und Foren mied ich weitestgehend, die Mütter in meinem Umfeld erzählten alle nur lächelnd von diesem bezaubernden Moment, in dem einem das Kind auf die Brust gelegt wird und man eh allen Schmerz wieder vergisst. So ging ich also völlig entspannt dem Geburtstermin entgegen. So schön diese Entspanntheit für den Moment war… ich sollte sie später teuer bezahlen. Heute weiß ich: Ich hätte lieber mehr gewusst. Denn jetzt im Nachhinein kenne ich sie, die vielen Erfahrungen meiner Freundinnen und Verwandten und weiß, wie ich mich vor vielen Situationen hätte schützen können. Ich wäre dem Urteil der Weißgekittelten nicht so ahnungslos ausgeliefert gewesen, wenn sie ihre Erfahrung und ihr Wissen vorher mit mir geteilt hätten. Denn dann hätte auch ich etwas zu sagen gehabt zu all den teilweise irrsinnigen Vorschlägen, die man mir unterbreitet hat. 

Nach acht Tagen Einleitung ist man Profi

Elf Tage vor dem eigentlichen Termin bekam ich plötzlich starke Blutungen und wurde mit dem Krankenwagen abgeholt. In meinem Kopf rasten die Gedanken kreuz und quer. Eine Blutung in der Spätschwangerschaft… davon hatte ich noch nie gehört. Wir brauchten eine halbe Stunde bis zur Notaufnahme, dann endlich die Nachricht: Das Baby lebt, die Herztöne klingen normal. Der Vorschlag der Ärzte: Einleitung mit irgendwelchen Tabletten. Da ich eh keine Ahnung von nichts hatte, willigte ich ein. Drei Tage lang gab man mir das Zeug. Danach wurde es mit Gel versucht, dann mit dem Wehentropf. Letzten Endes hatte ich acht Tage lang heftige, aber unproduktive Wehen, die rein gar nichts brachten. Außer, dass ich irgendwann völlig fertig und heulend um einen Kaiserschnitt bettelte. “Sie haben keine Ahnung, was das bedeutet!”, sagte man mir. Und wie hätte ich widersprechen können? Sie hatten recht. 

Und dann war es doch ein Kaiserschnitt

Irgendwann kam man auf die glorreiche Idee, die Fruchtblase zu eröffnen. Um ehrlich zu sein, hätte man sich das sparen können. Ich hatte längst keine Kraft mehr für eine natürliche Geburt. Ich spürte das, mein Freund spürte es, die Ärzte waren anderer Meinung. Und so quälte ich mich weitere 24 Stunden, bis meine Tochter ihren ersten Schrei machte. Natürlich im OP, zu mehr reichte meine Kraft gar nicht mehr. Das Ende vom Lied war, dass ich sogar zu erschöpft war, um diesen bezaubernden Moment nach der Geburt überhaupt wahrzunehmen, von dem alle immer gesprochen hatten. Noch Wochen später trauerte ich um diesen Augenblick, auf den ich mich doch so gefreut hatte. 

Was ich den Schwangeren in meinem Umfeld erzähle

Nein, ich erzähle nicht ungefragt jeder Schwangeren jedes Detail dieser Geburt. Auch das wäre nicht fair, denn jeder hat das Recht, unbeschwert in die Geburt des eigenen Kindes zu gehen. Aber Schwangeren, die mich fragen, erzähle ich ehrlich, dass es ganz und gar nicht einfach war, mein Kind zu bekommen. Ich gebe ihnen Auskunft über die verschiedenen Formen der Einleitung und ich erzähle, dass ich erst einmal kein Glück gespürt habe nach der Geburt. Vor allem aber lasse ich sie teilhaben an der wichtigsten Lektion, die ich auf die eher schmerzhafte Weise gelernt habe: Hör auf deinen Bauch, nicht nur auf die Ärzte. Je nachdem, an wen man gerät, wird einem im Krankenhaus nämlich schnell die eigene Intuition ausgeredet. Dabei hätte ich so richtig gelegen mit meinem Gefühl, dass das nichts wird. Das Gleiche gilt für 100 andere kleine Situationen, in denen ich auf mich selbst hätte hören sollen. 

Was passiert, wenn wir nicht darüber sprechen

Ich glaube, dass es falsche Rücksichtnahme ist, nicht über die Geburt, das Wochenbett, die eigenen Abgründe danach oder auch einfach über schmerzende Brustwarzen zu sprechen. Diese ganze “Der-Moment-danach-lässt-dich-alles-vergessen-Mär” ist ein bisschen wie die Geschichte vom Weihnachtsmann. Das wissen wir doch alle, selbst die, die uns dabei zuhören. Dabei ist es so unnötig! Allein die Tatsache, dass die meisten Frauen nicht bei einem Kind bleiben, zeigt doch, dass unsere Kinder im Normalfall unterm Strich all den Mist wert sind, den man erleben kann. Das sollte man durchaus dazusagen. Ich für meinen Teil schließe meine Geschichte nicht, ohne das für mich Wichtigste zu sagen. Ich bin wieder schwanger geworden. Ich hab mich wieder auf die Geburt gefreut. Wieder auf genau die Art und Weise, wie man sich auf einen noch unbekannten Urlaub freut. Nur diesmal mit ein wenig Ortskenntnis. Und das kann im Zweifel nicht schaden. Also fragt mich gerne. Ich werde euch alles erzählen.