Männer erzählen: Wir wissen, was ihr im Bett von uns braucht

Nachgefragt
Wissen Männer eigentlich, was wir im Bett von ihnen wollen?

© Mariia Korneeva / Shutterstock

Kommen Männer eigentlich noch hinterher, was wir im Bett von ihnen brauchen? Wir haben nachgefragt!

SinaTeigelkötter und Alexandra Zykunov

Ihr habt es in Zeiten von “alten weißen Männern”, #MeToo-Folgedebatten und den neuen feministischen Ansprüchen nicht gerade leicht. Was erwartet die Welt heute von euch? Seid ihr genervt vom ganzen Rollen-Gedöns? Oder sind die Forderungen noch viel zu zaghaft? Und: Wie fühlt ihr euch überhaupt?

Noch nie war das Männerbild so vielschichtig wie heute. Für alle gibt es eine Nische, für jeden seine Blase. Konservative Spielplatzpapas, feministische Tinderkönige, Haushaltsprofis bei Tag, Hinterherpfeifer bei Nacht, “neue” Väter neben “alten”, alte weiße Männer neben jungen, hetero, homo, trans. Wann ist ein Mann ein Mann? Ist die Suche nach einer vermeintlichen Männlichkeit im Jahr 2020 nicht längst überholt? Jein. Denn: Selbst wenn wir uns wünschen, dass es nur noch “Menschen” und keine Geschlechter gibt, ist unsere Gegenwart immer noch gefüllt mit aggressiven sogenannten “toxischen” Männlichkeiten, zweifelhaften Rollenbildern und unfair verteilter Macht. Ja, nach “dem” Männerbild zu suchen, ist wohl genauso idiotisch wie die Suche nach “der” Frau. Es hilft aber, unterschiedliche Männer nach ihrem persönlichen Männerbild zu fragen. Haben wir gemacht – und so einiges erfahren.

In diesem Teil unser achtteiligen Serie geht’s um die Frage: 

“Kommt ihr noch hinterher, was wir im Bett von euch brauchen?”

Friedemann Karig

37, liest, schreibt und spricht. In seinen Büchern “Wie wir lieben – vom Ende der Monogamie” und “Dschungel”, in seinen Podcasts “Friedemann&” und “Piratensender Powerplay” (mit Samira El Ouassil)

Die gute Nachricht: Männer müssen keine multiple Orgasmus-Garanten sein, denn die gibt es schon. Sie heißen Womanizer und laufen mit Batterie. Die schlechte Nachricht ist: Von der sexuellen Befreiung von Mann und vor allen Dingen Frau, die mit der oberen Frage suggeriert wird, sind wir noch weit entfernt: Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 70 000 “Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung” erfasst. Die überwiegende Mehrheit wurde von Männern an Frauen oder Kindern verübt. Die Dunkelziffer dürfte viel, viel höher liegen. Jede und jeder kennt Geschichten von sexueller Gewalt, sei es selbst erlebt, sei es aus dem Freund*innenkreis. Sie ist Alltag.

Dabei verstellen diese Zahlen, so schlimm sie sind, den Blick auf die subtileren Manifestationen von Unfreiheit. Die sogenannte “Grauzone”: hinterherpfeifen, anglotzen, abchecken, bewerten. Frauen erleben eine andere Welt als Männer, immer noch. Von SPD-Chefin Saskia Esken, deren politischer Auftritt viel mehr nach Äußerlichkeiten bewertet wird als der ihres männlichen Konterparts, bis hin zu den alltäglichen Kommentaren, im beruflichen wie privaten, über Kleidung, Schminke, Figur: Der weibliche Körper ist immer noch Kampfzone. Frauen haben Schmerzen beim Sex, Frauen fälschen Orgasmen, viele hatten noch nie einen. Frauen wird beigebracht, sich hässlich zu finden, damit sie konsumieren. Ganze Generationen schluckten die Pille und ihre Nebenwirkungen, um das leidige Thema Verhütung für alle zu erledigen.

Auch deshalb glaube ich: Wir sind nicht frei. Zu Hause im Bett darf heute zum Glück jede und jeder machen, alleine oder miteinander, womit alle einverstanden sind. Immer mehr Menschen nutzen das aus, um glücklich zu werden, endlich. Aber als Gesellschaft hat die sogenannte “sexuelle Revolution” uns so befreit wie die Gefängnisinsassen ein Spaziergang auf dem Hof. Wir waren Tausende von Jahren sexuell unterdrückt, vor allem eben Frauen, die in den allermeisten Kulturen und Zeitaltern keine Rechte hatten. Jetzt blicken wir unsicher auf die theoretischen Freiheiten. Und vergessen, wie ungerecht es in Wahrheit noch zugeht.

Wir werden in den Betten aber nur so frei werden, wie wir es auf den Straßen sind. Offenere Beziehungsmodelle, sexuelle Experimente und die dazu nötige Kommunikation sind nur möglich in einem Soziotop, das erkennt, dass mit ein paar verbrannten BHs und omnipräsenter Pornografie nicht alles easy ist. Die Autorin Margarete Stokowski fasst es zusammen: untenrum frei sind wir nur, wenn wir obenrum frei sind.

Statt uns also den Kopf über einen “Druck” von Seiten der Frauen zu zerbrechen, sollten wir Männer lieber anfangen, unsere eigenen Verstrickungen in diesem Machtgefälle zu reflektieren – und unsere wahren Bedürfnisse. Die männliche Sexualität ist ebenso eine Baustelle. Von tradiertem Dominanzanspruch bestimmt, müsste die Frage vielmehr lauten: Wissen wir Männer wirklich, was wir eigentlich im Bett wollen? Weiß nämlich kaum einer von uns. Der männliche Orgasmus wird als binäre Erledigung wie ein Toilettengang verlangweilt, das im Vergleich sehr kurze männliche Lustplateau als unveränderlich hingenommen, die Prostata als männliche Klitoris gerade erst entdeckt. Da draußen, in uns, zwischen uns – es warten auch auf uns Männer noch Welten. Sie gemeinsam zu entdecken, während wir die Gesellschaft offener gestalten, das wäre die wahre Freiheit.

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BRIGITTE 23/2020