Michail Schischkin zu Putin-Verstehern und Sprache

Der russische Kremlkritiker Michail Schischkin hat wenig Hoffnung, dass Wladimir Putin sich je vor einem Gericht verantworten muss. Der Schriftsteller sagt vielmehr, dass sein Nachfolger noch schlimmer sein könnte.

Der russische Autor Michail Schischkin wirft der Schweiz vor, dass sie die Augen verschlossen und damit die Entstehung der kriminellen Diktatur Putins unterstützt hat.

Karin Hofer / NZZ

Herr Schischkin, was kann ein russischer Autor in der Schweiz gegen den Angriffskrieg in der Ukraine tun?

Momentan spüre ich eine riesige Enttäuschung. Die Literatur ist absolut machtlos. Für wen haben denn ich und meine russischen Kolleginnen und Kollegen in den letzten dreissig Jahren unsere Bücher geschrieben? Wir Schriftsteller müssen einmal mehr feststellen, dass kein Buch je die Welt besser gemacht hat. Nicht einmal die Bibel.

Wie fühlt es sich derzeit an, Russe zu sein?

Ich tue, was ich kann, um der Welt irgendwie zu beweisen, dass nicht alle Russen diesen verbrecherischen Krieg unterstützen. Die russische Führung hat den Angriff damit gerechtfertigt, dass die russische Sprache und Kultur in der Ukraine gerettet werden sollen. Doch was jetzt passiert, ist ein Verbrechen gegen die russische Sprache und die russischsprachige Bevölkerung. Die Sprache wird jetzt nicht mit der grossen russischen Literatur identifiziert, sondern mit den getöteten Kindern in Odessa, Butscha oder Mariupol. Putin hat meine Sprache zu der Sprache der Mörder gemacht.

Was können Sie angesichts dieser Ohnmacht und dieser Gefühle ganz konkret unternehmen?

Ich schreibe Texte, ich gebe Interviews, ich trete auf. Es ist meine Rettung. Hätte ich nur vor dem Bildschirm gesessen und mir diese schrecklichen Bilder mit den zerbombten Städten und verkohlten Leichen angeschaut, dann wäre ich explodiert. Dabei ist es für mich sehr wichtig, auch vor ukrainischen Flüchtlingen zu sprechen. Diese Leute kennen mich und meine Bücher nicht. Wenn ich vor ihnen auftrete, wie vor kurzem in Basel-Landschaft, bin ich für sie einfach ein Russe, also ein Feind. Als Russe habe ich die Verantwortung dafür, dass sie ihr Zuhause verloren haben, und für die Verbrechen, die in ihrer Heimat begangen werden. Ich muss diesen Leuten erklären, dass nicht alle Russen den Krieg unterstützen. Wenn ich die Bühne verlasse und mir die Leute applaudieren, die mir vorher feindlich gegenüberstanden, dann habe ich das Gefühl, etwas gegen den Krieg gemacht zu haben.

Sie leben in einer kleinen, idyllischen Gemeinde in der äussersten Ecke der Schweiz. Ganz weit weg von der Ukraine.

Früher waren wir weit weg von der Ukraine. Doch seit dem 24. Februar befinden wir uns mitten im Geschehen. Wir haben bei uns eine ukrainische Familie aufgenommen, unsere russischsprachigen Freunde aus Odessa. Der achtjährige Mischa und seine Mutter haben bei uns gewohnt. Wir wollten den beiden ein möglichst normales Leben bieten. Doch wie kann man dies, wenn das Kind immer an seine Grossmutter denkt, die in Odessa zurückgeblieben ist? Wie erklärt man ihm, warum ein russischer Pilot sein Zuhause zerstören und seine Grossmutter töten kann? Jetzt haben sie eine Wohnung in Zürich gefunden, aber ein normales Leben können sie nicht führen.

Mit Ihren Büchern und offenen Briefen haben Sie sich offensiv gegen das herrschende Regime in Russland gestellt. Das ist bekanntlich mit Gefahren verbunden. Wie sicher fühlen Sie sich in der Schweiz?

Zahlreiche Länder haben in den letzten Wochen sogenannte russische Diplomaten weggeschickt. Viele dieser Leute gingen nicht zurück nach Moskau, sondern in die Schweiz. Daher wimmelt es zurzeit in Genf und Bern von russischen Agenten. Meine Frau erzählte mir vor kurzem, dass ein Auto mit Genfer Kennzeichen vor unserem Haus gestanden sei. Ich wollte das erst gar nicht glauben. Doch einige Tage später beobachtete ich aus dem Fenster tatsächlich dasselbe. Ich ging raus und versuchte, mit den beiden Männern Kontakt aufzunehmen, die in dem Auto sassen. Doch sie brausten mit quietschenden Reifen davon. Das ist eine sehr unschweizerische Art.

Wieso sprechen Sie so offen über diese Zwischenfälle?

Es ist die einzige Möglichkeit, sich zu verteidigen. Wenn die Agenten sehen, dass es publik gemacht wird, werden sie nicht so frech.

Haben Sie Angst, nicht nur überwacht, sondern allenfalls sogar entführt zu werden?

Ich will gar nicht daran denken, was auf der Aufgabenliste dieser Männer steht. Ich weiss nur, dass früher so etwas nicht denkbar war. Doch jetzt sind sie plötzlich da.

Sie haben sich intensiv mit der sogenannten russischen Schweiz befasst und ein Buch über dieses Thema geschrieben. Warum übte die Schweiz im Verlauf der Geschichte eine so grosse Anziehungskraft auf russische Einwanderer aus?

Die Schweiz war wie ein alternatives Russland. Alles, was in Russland politisch verboten war, war hier erlaubt. In der Schweiz konnten jene Bücher gedruckt werden, die in Russland nicht erscheinen durften. Alexei Nawalny sprach stets vom «schönen Russland der Zukunft». Das war die Schweiz für die Kritiker des jeweiligen Regimes schon seit langem. Man wollte diese Freiheiten auch in Russland haben.

Ist die Schweiz immer noch dieses Antirussland?

Dafür muss man einen Blick auf das heutige Russland werfen. Jetzt haben wir dort den Faschismus pur. Egal, was die russischen Behörden sagen. Es gilt nur, was sie tun. In diesem Sinne ist jedes demokratische Land Antirussland, nicht nur die Schweiz.

Wie viele dieser Exilrussinnen und -russen, die in der Schweiz leben, unterstützen dieses faschistische Regime von Wladimir Putin zumindest ideell?

Das lässt sich nicht messen, doch es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es gar nicht so wenige sind. Wenn man die Gespräche auf den Facebook-Seiten «Russki Zürich» oder «Russki Bern» verfolgt, stehen einem die Haare zu Berge. Es gibt Leute, die sich schon seit Jahren körperlich in der Schweiz aufhalten, mental aber immer noch im proputinschen Russland sind.

Wie ist das zu verstehen?

In Russland gibt es zwei psychologisch völlig unterschiedliche Völker, die sich beide als Russen bezeichnen. Der kleinere Teil, zu dem ich gehöre, vertritt die europäischen Werte. Für sie ist nicht der Staat, sondern die individuelle Persönlichkeit das Wichtigste. Die Beurteilung von Gut und Böse liegt gemäss dieser Auffassung bei jedem Einzelnen. Wenn der Staat falsch handelt, dann spreche ich mich dagegen aus.

Und das andere Volk?

Die meisten Russinnen und Russen leben noch im Mittelalter. Sie bilden dieses «Russki Mir», die russische Welt, die der Eckstein der neuen, putinschen Ideologie ist. Das Wort Mir war früher die Bezeichnung für eine Dorfgemeinschaft. Wenn jemand kommt und sagt, die Unsrigen würden geschlagen, greifen die Menschen zu Heugabeln und Stecken, ohne zu überlegen: Die Unsrigen haben immer recht. Sie identifizieren sich mit dem eigenen Mir, dem eigenen Stamm. Sie übernehmen keine persönliche Verantwortung, treffen nicht selber die Entscheidungen, sondern ihr Rudelführer. Körperlich können diese Russen auch in Larnaka oder in Berlin sein – oder in Zürich, mental sind sie aber im putinschen Russland.

An wen denken Sie?

Ich nenne ein krasses Beispiel. Die Hotelunternehmerin Ljuba Manz ist seit Jahren eine der Galionsfiguren der proputinschen russischen Gemeinschaft in der Schweiz. Die «Zarin von Zürich», wie die NZZ sie nennt, besitzt das Hotel St. Gotthard. Dort haben der deutsche Journalist Fritz Pleitgen und ich 2019 unser Buch «Frieden oder Krieg» präsentiert. Ljuba Manz war über meine antiputinschen Äusserungen so empört, dass sie eine flammende Rede für Putin gehalten und dann den Raum verlassen hat. Ich frage Frau Manz: Unterstützen Sie weiterhin Putin, oder distanzieren Sie sich klar von diesem Kriegsverbrecher?

Zurzeit hört man von diesen Leuten, die weiterhin zu Putin stehen, in der Öffentlichkeit kaum etwas. Denken Sie, dass diese Unterstützer bald wieder offensiver auftreten werden?

Im deutschen Lörrach, das knapp zwanzig Autominuten von hier entfernt ist, gab es vor kurzem einen Autokorso von Putin-Anhängern. Wer hätte gedacht, dass so etwas in einem demokratischen Staat passieren kann? Jetzt steht das symbolische Datum des 9. Mai vor der Tür, an dem Russland den Sieg über Nazideutschland feiert. Bisher nahmen Exilrussen aus der ganzen Schweiz sowie Mitarbeiter der Botschaft der Russischen Föderation aus Bern an einer Zeremonie am Grabmal der russischen Soldaten auf dem Basler Friedhof teil. Dabei wurde des sogenannten Unsterblichen Regiments gedacht. In Russland werden dieses Jahr auch Bilder der in der Ukraine gefallenen russischen Okkupanten mitgetragen werden. Ich befürchte, dass dies auch in der Schweiz der Fall sein wird.

Wie kann man das verhindern?

Die Schweiz muss nur ihre eigenen Gesetze anwenden. Wenn jemand zu Krieg und Hass aufruft, dann muss dies mit Haft bis zu drei Jahren bestraft werden, wie es das Strafgesetzbuch vorsieht.

In Ihrem offenen Brief haben Sie geschrieben: «Nicht alle Russen sind für Putin, Putin ist nicht ganz Russland.» Wollten Sie sich für Ihr «Russischsein» rechtfertigen?

Jetzt muss sich jeder Russe rechtfertigen; klar sagen, wo er steht. Alle Russen sind im Krieg. Wenn du schweigst, bist du mit Putin.

Und in der Schweiz schweigen die meisten?

Ja. Wenn private Personen schweigen, die nicht im öffentlichen Licht stehen, dann ist das nur die Sache ihres Gewissens. Aber zum Beispiel die russischsprachigen Medien in der Schweiz dürfen nicht schweigen. Nehmen Sie die Zeitschrift «Russkaja Schweizarija» (Russische Schweiz). Sie hat nie etwas Kritisches gegen Putin geschrieben. Seit Jahren bekommt diese Zeitschrift die Zuschüsse aus Russland. Mit diesem Geld werden durch verschiedene Kanäle die proputinschen Medien in der russischen Diaspora auf der ganzen Welt unterstützt. Das ist alles Propagandageld, das ist alles Goebbels-Geld. Weder in der Ausgabe vom März noch in der vom April gibt es in der «Russischen Schweiz» eine klare Aussage gegen das putinsche Regime und seinen verbrecherischen Krieg. Das Thema der letzten Ausgabe ist ganz harmlos: «Schweizer Stereotype». Wollen sie also weiterhin das Goebbels-Geld aus Russland kassieren?

Kürzlich haben ukrainische Kulturschaffende zum Boykott der russischen Kultur aufgerufen. Was halten Sie von dieser Forderung?

Wenn wir unter der russischen Kultur die staatlich unterstützte Kultur verstehen, welche nichts gegen den Krieg tut, dann bin ich mit den ukrainischen Kollegen absolut einverstanden. Diese Leute dürfen nicht mehr mit Tschaikowskys «Schwanensee» in die freie Welt. Aber wenn es darum geht, die russische Kultur und die russische Sprache grundsätzlich zu verbieten, ist es gerade das, worauf sich die putinschen Propagandisten freuen.

Also sehen Sie Ihr Werk als einen Beitrag zur «guten russischen Kultur», die über das hinausgeht, was der Staat tolerieren möchte?

Künstler in Russland müssen jetzt entweder patriotische Lieder singen oder emigrieren. Die freie Kultur ist eine Tautologie, Kultur kann nur frei sein. Es sind die Kulturschaffenden im Ausland, die die russische Kultur und das andere Russland schaffen. Das andere Russland hat sich vom Fluch des Territoriums gelöst, es ist frei von diesem patriotischen Faschismus und widersteht ihm durch seine Existenz. Es ist wichtig, der ganzen Welt zu zeigen, dass es ein anderes Russland gibt, das Kultur und keine Raketen bringt. Was verbindet mein Russland noch mit dem Russland von Putin? Nur die Sprache. Wir müssen nun unsere Sprache gegen Putin verteidigen.

Kürzlich haben Sie gesagt: «Die Neutralität ist ein Luxus, den man sich nicht mehr leisten kann.» Was erwarten Sie von der Schweiz?

Dasselbe, was ich immer von der Schweiz erwartet habe. Wie gesagt: Die Schweiz hat wunderbare Gesetze, die das gesellschaftliche Leben erhalten und die Menschenrechte schützen. Ich erwarte, dass diese Gesetze angewendet werden. Das reicht.

Wie meinen Sie das?

Nach dem Zerfall der Sowjetunion waren die Russen mental bereit für die westliche Demokratie, jene Demokratie, die sie als idealisierte Version aus den westlichen Filmen kannten. Doch der Westen hat es verpasst, am eigenen Beispiel zu zeigen, wie der Rechtsstaat funktioniert. Stattdessen hat er gezeigt, dass der Rechtsstaat mit dem grossen Geld aufhört. Das schmutzige, bei der Bevölkerung geklaute Geld der Verbrecher an der Macht landete auf den Schweizer Banken. Damals hätte man das Gesetz anwenden sollen. Doch man hat die Augen verschlossen und auf diese Weise die Entstehung der kriminellen Diktatur Putins unterstützt.

Also trägt die Schweiz eine Mitschuld?

Die Schuld ist natürlich vor allem eine russische. Aber die westlichen Demokratien, die ihre Gesetze nicht durchgesetzt haben, die tragen eine Mitschuld.

Gab es einen Moment, wo Sie hofften, dass in Russland alles besser wird?

Ja, 1991. Das deutsche Fernsehen drehte damals während des gescheiterten Putsches in Moskau, und ich gab ein Interview auf Deutsch, ich war ein ganz junger Deutschlehrer. Ich sagte, ich sei froh, dass mein kleiner Sohn Mischa in einem freien demokratischen Russland aufwachsen werde. Es gab so viel Hoffnung. Dann ging es schnell bergab.

Wann war für Sie klar, dass etwas schiefläuft?

1995 mit dem Beginn des Tschetschenienkrieges. Jelzin verstand, dass er nur an der Macht bleiben konnte, wenn er inmitten der ganzen Anarchie das Verlangen nach einer starken Hand befriedigt. Er wollte einen kleinen, siegreichen Krieg. Doch er verlor und wurde zu einem falschen Zaren.

Ein falscher Zar?

Das ist die Frage, die für die Russen am wichtigsten ist: Ist der Zar echt oder falsch? Nur Siege oder Niederlagen können das beweisen. Stalin siegte im Zweiten Weltkrieg. Er war ein echter Zar, ist bis heute beliebt. Gorbatschow hat in Afghanistan verloren, er hat den Kalten Krieg verloren. Er war falsch und ist bis heute verhasst.

Und Putin?

Mit der Annexion der Krim hat sich Putin als echter Zar in den Augen der breiten Bevölkerungsschichten legitimiert. Doch nun verliert er seine Legitimation, weil er den Krieg in der Ukraine verliert. Mittlerweile ist nicht nur die demokratische, sondern auch die patriotische Opposition gegen Putin. Sie hassen ihn, weil er diesen Krieg zu spät angefangen hat. Ginge es nach ihnen, hätte er die Ukraine schon 2014 vernichten sollen. Für diese Leute ist Putin jetzt ein Verräter. Er wird als schlechter Zar in die Geschichte eingehen.

Sagen wir, Putin kommt vor Gericht . . .

Putin wird nie vor Gericht kommen! Er wird ja den Richtern alles erzählen und sagen: Ich war doch nicht allein, die anderen haben auch mitgemacht. Deshalb werden die anderen es nicht zulassen, dass er vor Gericht kommt. Putin verreckt, bevor er vor einem Gericht steht.

Gibt es denn überhaupt die Möglichkeit einer freien, demokratischen Gesellschaft in Russland?

Das ist die Frage der Fragen. Für mich ist klar, dass sich die Zivilisation wie nach einem Naturgesetz entwickelt. Wie alle Flüsse irgendwann in den Ozean münden, müssen alle Völker irgendwann zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung kommen. Nicht weil es das Beste ist, sondern weil es besser ist. Russland hat das zweimal versucht: 1917 und 1991. 1917 dauerte die Freiheit nur einige Monate, aber Russland war das freieste Land der Welt. Doch für die Mehrheit der Russen, für die Millionen ungebildeten Bauern, war diese Demokratie nur eine schwache Diktatur, eine Anarchie. Man wollte nicht in der Anarchie leben und sehnte sich nach der Ordnung, nach der starken Hand. 1991 geschah das Gleiche. Stalins Imperium war am Ende, aber die Russen hatten ihre neue Freiheit vom Himmel bekommen. Sie hatten nicht für diese Freiheit gekämpft und wussten nicht, was sie damit machen sollten. Sie suchten sich im Chaos der 1990er Jahre eine neue starke Hand und fanden sich in einer neuen Diktatur wieder.

Und was wird nun passieren?

Man kann sich vorstellen, was auf den Ukraine-Krieg folgen wird: Niederlage, Chaos, Versuche der Opposition, die Demokratie einzuführen. Diese Versuche werden scheitern, fürchte ich. Es müsste zu einer nationalen Schuldanerkennung kommen, zu einem Kniefall in der Ukraine. Aber ich zweifle sehr, dass es dazu kommen wird. Es wird zwar eine Entputinisierung stattfinden, aber sie wird von einem neuen Putin mit neuem Namen durchgeführt werden.

Das klingt pessimistisch.

Ich bin pessimistisch. Ich sehe keine Kraft, die in Russland die demokratische Gesellschaftsordnung einführen kann. Dafür braucht man reife Bürger, die selber entscheiden können. Keine Sklaven, die ihre Stimme für den Zaren abgeben, nach der alten russischen Weisheit, man solle einem schlechten Zaren nicht den Tod wünschen, denn der nächste könnte noch schlimmer sein. Nach diesem Prinzip funktioniert Russland. Wie kann man eine demokratische Gesellschaftsordnung aufbauen, wenn die meisten so denken?

Was können Sie dagegen tun?

Ich kann nur weiter mein Russland, das Russland der russischen Kultur, unabhängig vom Territorium aufbauen. Das tue ich gemeinsam mit anderen Kulturschaffenden. Dieses schöne Russland der Zukunft existiert bereits, aber nur virtuell. Offline wird es dieses Russland vielleicht nie geben.

Michail Schischkin

ase. Michail Schischkin ist ein russischer Schriftsteller und Journalist. Er gilt als einer der bedeutendsten russischen Autoren der Gegenwart. Schischkin studierte Germanistik und Anglistik an der Staatlichen Pädagogischen Universität Moskau und arbeitete später als Journalist, Übersetzer und Lehrer. Als einziger Autor wurde er in Russland mit den drei wichtigsten Literaturpreisen ausgezeichnet. Der 1961 in Moskau geborene Schischkin heiratete eine Schweizerin und lebt seit 1995 in der Schweiz. Inzwischen besitzt er die schweizerische Staatsbürgerschaft.

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