Novak Djokovic darf bis Montag im Land bleiben

Novak Djokovic ist am Mittwoch nach Australien geflogen, darf aber nicht einreisen. Er befindet sich nun in einem Quarantänehotel der Grenzbehörde. Anfang nächster Woche wird vor Gericht eine Anhörung stattfinden.

Novak Djokovic könnte in Melbourne das 21. Major gewinnen und würde damit Roger Federer und Rafael Nadal überholen.

Lukas Coch / Imago

Bahnt sich im Fall Djokovic eine Wende an? Neuerdings machen die Anwälte des Serben geltend, dass der Tennisstar von einer Impfung befreit war, weil er sich im Dezember mit dem Coronavirus angesteckt hatte.

Darf er nun einreisen? So einfach scheint das nicht zu sein, denn offenbar gibt es noch zusätzliche Regeln. Aber der Reihe nach:

Um 23 Uhr 30 (13 Uhr 30 MEZ) war am Mittwoch ein Flugzeug mit Novak Djokovic an Bord auf dem Flughafen von Melbourne gelandet. Doch die australischen Behörden verweigerten der Tennis-Weltnummer 1 die Einreise. Stundenlang sass der 34-jährige Serbe auf dem Flughafen fest. Gegen 22 Uhr Schweizer Zeit meldeten australische Medien, dass sein Visum annulliert worden sei und Djokovic folglich abreisen müsse. Er solle das nächste Flugzeug nach Serbien nehmen, hiess es.

Die australische Grenzschutzbehörde bestätigte, dass Djokovic die Einreise verwehrt worden sei. Sie teilte mit, dass Djokovic keine geeigneten Beweise zur Erfüllung der Einreisebestimmungen vorgelegt habe und daher «das Visum anschliessend storniert wurde». Djokovic befindet sich nun in einem Quarantänehotel der australischen Grenzbehörden.

Anwälte des Weltranglisten-Ersten legten am Donnerstag vor einem Gericht in Melbourne Rechtsmittel gegen den Visumsentzug ein, wie das australische Nachrichtenportal «The Age» berichtete. Demnach suchten sie noch Dokumente zusammen und sollten von Richter Anthony Kelly gehört werden.

Djokovic wird mindestens bis am Montag in Australien bleiben dürfen, wie verschiedene Medien am Donnerstag berichteten. Dann soll vor dem Gericht eine Anhörung stattfinden.

Australiens Premier und Serbiens Präsident schalten sich ein

Der australische Premierminister Scott Morrison sagte auf Twitter: «Gesetze sind Gesetze, das gilt besonders wenn es um unsere Grenzen geht. Niemand steht über dem Gesetz.»

In Serbien sorgt das Vorgehen für helle Aufregung. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic schrieb auf Instagram, er habe mit Djokovic telefoniert und ihm versichert, das ganze Land stehe an seiner Seite. Serbien werde für Novak, Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen. Zudem bestellte Vucic den australischen Botschafter in Belgrad ein. Srdjan Djokovic, der Vater des Tennisspielers, sagte gegenüber serbischen Medien, sein Sohn werde gefangen gehalten. Würde er nicht umgehend freigelassen, werde man auf die Strassen gehen.

Djokovic bedankt sich bei Fans

Später meldete sich die Familie Djokovic erneut zu Wort. Der Vater Srdjan machte in Serbien Stimmung gegen den Entscheid der australischen Behörden. Er sagte :«Australien trampelt damit auf dem serbischen Volk.» Der Bruder des Tennisspielers, Djordje Djokovic, verlas ausserdem ein Statement von Novak Djokovic: «Gott sieht alles. Mein Segen ist geistlich, der Segen der Australier dagegen ist materieller Reichtum.»

Am Freitag meldete sich dann Novak Djokovic erstmals seit seiner Ankunft in Melbourne zu Wort. Er schrieb auf Instagram eine kurze Nachricht auf Serbisch und Englisch: «Vielen Dank allen Leuten rund um die Welt für die andauernde Unterstützung. Ich kann es fühlen und schätze es sehr.»

Weitere Informationen zu seiner Situation im Hotel in Melbourne oder Details zu seinem entzogenen Visum gab er nicht bekannt.

Im Park Hotel von Melbourne war er am Donnerstag am Fenster zu sehen, wie er sich bei seinen Fans vor dem Hotel bedankte. Er schickte ihnen Luftküsse zu und formte mit seinen Händen ein Herz.

Das Hotel darf er nicht verlassen, bis am Montag über seinen Rekurs entschieden wird.

Mit der Zeit versammelten sich immer mehr seiner Fans vor dem Hotel und skandierten «Novak, Novak».

Djokovic wurde im Dezember positiv getestet

Djokovic war nach Melbourne gereist, um dort am ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres zu spielen. Das Australian Open beginnt am 17. Januar. Djokovic hätte in der Rod-Laver-Arena allerdings nur dank einer Ausnahmebewilligung antreten dürfen. Er hatte sich stets geweigert, seinen Impfstatus offenzulegen, und ist wohl nicht geimpft. Die Regeln für die Teilnahme am Australian Open sind allerdings klar. Entweder ein Spieler ist doppelt geimpft, oder er erhält wie Djokovic von zwei unabhängigen Expertengremien eine Sonderbewilligung.

Die Kriterien für eine solche Bewilligung sind streng. Sie wird nur wegen einer Herzerkrankung in den letzten drei Monaten, einer allergischen Reaktion auf die Impfstoffe, einer Corona-Erkrankung in den letzten sechs Monaten oder sonstigen akuten Gesundheitsrisiken ausgestellt. Australische Medien spekulieren darüber, dass Djokovic eine Corona-Erkrankung in den letzten sechs Monaten geltend machen und als Genesener einreisen will.

Am Samstag meldete die BBC dann, dass Djokovic am 16. Dezember tatsächlich einen positiven PCR-Test hatte. Dies hat sein Anwalt vor Gericht ausgesagt. Deshalb habe er eine Impfbefreiung erhalten, die es ihm erlaube in Australien einzureisen.

Wie «Herald Sun» zuvor berichtete, hatte Tennis Australia Spielerinnen und Spieler mit einem Schreiben eine Anleitung dafür geliefert, wie sie vorgehen müssen, um von der in Australien geltenden Impfpflicht befreit und die Australian Open spielen zu können. 26 Spielerinnen und Spieler hätten einen Antrag gestellt, nur ganz Wenige seien bewilligt worden. Unter ihnen jener von Djokovic.

Im Schreiben würden Ungeimpfte dazu angeleitet, in einem zweistufigen Verfahren anzugeben, im letzten Halbjahr an Covid-19 erkrankt zu sein, was wohl auch Djokovic geltend gemacht hat. Doch offenbar waren die Angaben teilweise falsch oder nicht präzise genug.

Denn genesene Ausländer sind nur dann von der Impfpflicht befreit, wenn sie beweisen können, dass sie sich auch vor der Infektion aus medizinischen Gründen nicht haben impfen lassen können. Das hält die Australien Technical Advisory Group of Immunisation (ATAGI) in ihrem Positionspapier fest.

Auf diesen Umstand sei Tennis Australia am 18. und am 19. November schriftlich hingewiesen worden. Das Schreiben, welches die Spieler erhielten, datiert aber vom 7. Dezember.

Victorias Premierministerin Jacinta Allan teilte mit, Tennis Australia habe den Bundesstaat darüber nicht in Kenntnis gesetzt. Voraussetzung für die Einreise seien zwei separate Dokumente: ein medizinisches Zertifikat und eine Bewilligung, das Turnier spielen zu können. Beides konnte Djokovic vorweisen.

Zwar wurde im Schreiben darauf hingewiesen, dass es für die Beurteilung des Gesuchs «möglicherweise hilfreich» sein könnte, ärztlich belegen zu lassen, dass und weshalb man sich vor oder nach der Infektion nicht habe impfen lassen können. Dass dies für die Einreise zwingend vorausgesetzt ist, wurde den Spielern aber vorenthalten; es sah eher als Empfehlung aus.

Tennis Australia hat also nicht nur eine Anleitung zur Umgehung der Impfpflicht geliefert, sondern Genesene auch noch auflaufen lassen, in dem man sie nicht informierte, dass zwingend ein Nachweis erbracht werden muss, dass sie sich vor und nach der Erkrankung aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen konnten.

Novak Djokovic konnte nach Bewilligung seines Gesuchs auf Befreiung von der Impfpflicht durch Tennis Australia und den Bundesstaat Victoria davon ausgehen, dass er alle geforderten Dokumente vorweisen kann, um in Australien einzureisen und die Australian Open bestreiten zu können.

Die Australian Open wiesen am späten Freitagabend Ortszeit den Vorwurf zurück, Ungeimpfte nicht vollumfänglich und korrekt informiert zu haben. In einer Stellungnahme schrieben die Organisatoren: «Wir haben den Spielern immer klar mitgeteilt, dass die Impfung die beste Lösung sei – nicht nur, weil es das richtige ist, um sich und andere zu schützen, sondern auch, um sicherzustellen, dass die Einreise reibungslos verläuft. Den Vorwurf, dass wir die Spieler wissentlich in die Irre geführt haben, weisen wir scharf zurück.»

Grenzen waren bis November 2021 geschlossen – auch für Australier

Djokovic hätte im Gliedstaat Victoria dank der Ausnahmebewilligung dieselben Rechte wie eine doppelt geimpfte Person. Er müsste sich nicht in Quarantäne begeben, dürfte Restaurants besuchen und sich während des Australian Open nicht testen lassen müssen.

Bereits die Ankündigung der Ausnahmebewilligung für Djokovic hatte in der australischen Bevölkerung grosse Wut ausgelöst. Das Land hat wiederholt strenge Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erlassen. Bereits nach dem Auftauchen weniger Fälle wurden teilweise ganze Städte in den Lockdown geschickt. Melbourne, die Gastgeberin des Australian Open, hat sechs Lockdowns überstanden. Ein User kommentierte in den sozialen Netzwerken, dass Djokovic am Australian Open spielen dürfe, sei eine «Ohrfeige für alle Australier».

Ein weiterer Grund für die heftigen Reaktionen dürfte sein, dass die australische Regierung die Grenzen von März 2020 bis Anfang November 2021 auch für Staatsbürger geschlossen hielt. Australierinnen und Australier, die im Ausland studierten oder arbeiteten, durften nicht mehr in die Heimat zurückkehren – selbst wenn sie sterbende Eltern oder Kinder besuchen wollten. Vollständig geimpfte Ausländer dürfen voraussichtlich erst im Februar wieder nach Australien einreisen.

Der Sportreporter Andy Maher twitterte deshalb: «Dieser Kerl – der sich angesichts des Coronavirus aussergewöhnliche Freiheiten herausgenommen hat – bekommt seine Ausnahme.» Es ist nicht das erste Mal, dass Djokovic im Zusammenhang mit der Pandemie für Wirbel sorgt. Im Juni 2020 hatte er die Adria-Tour initiiert, eine Turnierserie auf dem Balkan. Diese musste nach zwei von fünf Turnieren abgebrochen werden, wegen zahlreicher Corona-Fälle. Auch Djokovic steckte sich damals an, gab sich aber uneinsichtig. «Ich würde die Adria-Tour wieder veranstalten», sagte er.

«Djokovic ist im Begriff, der am wenigsten beliebte Besucher des Landes zu werden»

Noch heftiger äusserte sich Mahers Berufskollegin Samantha Lewis auf Twitter. Die Journalistin des TV-Senders ABC schrieb: «Es ist die patriotische Pflicht des Publikums, Djokovic pausenlos auszubuhen.» Und «The Age» kommentierte: «Djokovic wäre gut beraten, seine übliche ‹herzzerreissende› Freudenfeier in der Rod-Laver-Arena zu unterlassen. Er ist im Begriff, der am wenigsten beliebte Besucher des Landes zu werden.»

Der Turnierdirektor des Australian Open, Craig Tiley, versuchte zu beschwichtigen und verteidigte die Ausnahmebewilligung. Er sagte: «Jeder Person, die die Vorgaben erfüllt hat, wurde die Einreise genehmigt. Niemand wurde besonders begünstigt, es gab keine Sonderbehandlung für Novak.»

Für das Australian Open haben sich rund 3000 Spielerinnen, Helfer, Medienschaffende und sonstiges Personal akkreditiert. 26 von ihnen haben laut Tiley den Antrag auf eine Ausnahmebewilligung gestellt. «Nur einer Handvoll der Anträge wurde stattgegeben», sagte er. Wie der Premierminister rief auch Tiley Djokovic dazu auf, den Grund für den Erhalt der Ausnahmebewilligung offenzulegen.

Djokovic hätte am Australian Open die Chance, das Turnier zum zehnten Mal zu gewinnen und mit 21 Major-Titeln der alleinige Rekordhalter vor Roger Federer und Rafael Nadal zu werden.

Der Turnierdirektor Craig Tiley ruft Djokovic dazu auf, die Begründung für die Ausnahmeregelung offenzulegen.

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