Paris ist wieder das Zentrum der Welt

Die Kunstmesse Art Basel hat unter dem Eiffelturm soeben ihre erste Pariser Ausgabe durchgeführt. Immer mehr Galerien zieht es an die Seine, und Kunststiftungen von Unternehmen der Luxusbranche kurbeln den Markt an. Aber auch ein Mentalitätswandel sorgt für einen neuen Boom der französischen Metropole.

Die erste Messe der Art Basel in Paris fand direkt unter dem Eiffelturm statt.

PD

Jetzt boomt Paris wieder. Es ist kein Durchkommen mehr in der Innenstadt. Alles will zum Marsfeld beim Eiffelturm. Mein Taxifahrer versteht das Durcheinander nicht. Was denn los sei? Eine Modeschau? Nein, eine Kunstmesse, erkläre ich ihm. Da stellen Galerien aus. Da gibt es Kunst zu sehen und zu kaufen – viel Kunst, junge Kunst, trendige Kunst. Es ist der Eröffnungstag der neuen Verkaufsschau der Art Basel in Paris, des bedeutendsten Highlights dieses Kunstherbsts.

Das war einst nicht viel anders. Picasso, Matisse, Modigliani: Das sind leuchtende Sterne am Kunstfirmament. Und Paris, auch die Lichterstadt genannt, hatte sie aufsteigen lassen. Die französische Hauptstadt war lange die Stadt der Künstler. Hier lebten sie ihr Bohémien-Leben. Hier wurden sie von Galeristen und Kunsthändlern entdeckt und gross gemacht. Wer sich als Kunstfreund für den letzten Schrei, die Avantgarde, interessierte, der kam nicht um Paris herum. Begüterte Sammler reisten hierher für ihre Einkaufstouren. Und Künstler kamen in Scharen, um ihr Glück zu versuchen.

Dann kamen die Finanzplätze London und New York. Und die Kunst folgt bekanntlich auch dem Geld. Nach dem Zweiten Weltkrieg liefen die beiden Metropolen Paris den Rang ab. New York wurde das weltweite Zentrum der Kunst- und Galerienszene. Aber auch London mit seinen grossen Auktionshäusern Sotheby’s und Christie’s zog Galerien an. Wer in der vergangenen Dekade erfolgreich sein wollte im Geschäft mit der zeitgenössischen Kunst, eröffnete an der Themse eine Zweitgalerie. Neben den beiden angelsächsischen Marktleadern verblasste der einstige Glanz von Paris als Mekka der modernen Kunst.

Das ist jetzt anders. Paris ist zurück. Die Art Basel zieht das Publikum an wie ein Magnet. Das Gedränge am Eingang, dann in den Gängen und an den Ständen von über 150 Galerien ist enorm. Und es sind vor allem Sammler, die am ersten Tag gekommen sind. Sie besuchen diese neue Veranstaltung nicht nur, um sich Kunst anzuschauen, wie es viele Kunstfreunde an solchen Anlässen gerne tun. Sie wollen Kunst auch kaufen, für das eigene Zuhause oder – auch das kommt vor – für ihr ganz eigenes Privatmuseum.

Da steht ein solcher Sammler vor einer weiss gestrichenen Kojenwand, von der gerade ein grosses Bild heruntergenommen wird. Schon tragen zwei Galerieangestellte aus einem kleinen Depotraum neben dem Stand ein anderes Gemälde herbei und hängen es vor dem Betrachter an die Wand. Er neigt den Kopf, fotografiert mit dem Handy, fragt, wie neu es sei.

Ein Werk der amerikanischen Künstlerin Bunny Rogers am Stand der Berliner Galerie Société an der Art Basel in Paris.

Ein Werk der amerikanischen Künstlerin Bunny Rogers am Stand der Berliner Galerie Société an der Art Basel in Paris.

Teresa Suarez / EPA

«Aus diesem Jahr, ganz frisch aus dem Atelier der Künstlerin», antwortet die Frankfurter Galeristin Bärbel Grässlin, die das Geschehen stoisch, aber konzentriert durch ihre Brille verfolgt. Sie ist eine erfahrene Kunstvermittlerin mit Geschäftssinn, das strahlt ihre schlicht-strenge Erscheinung aus. Ob es noch andere gebe im Lager, aus dem es hervorgeholt worden sei, will der Sammler ungeduldig wissen. Die Galeristin verneint.

Er habe bereits ein kleineres zu Hause, meint der Sammler und will die Ausmasse wissen. Auch fragt er, ob er ein paar Stunden Bedenkzeit haben könne. Eine Stunde räumt Grässlin ihm ein. Denn bereits fragen andere Besucher nach dem Namen der Künstlerin – Jana Schröder, eine junge deutsche Malerin –, bevor das abstrakte, ansprechende Bild in roten und grünen Schlieren, die etwas an Schlingpflanzen erinnern, wieder im Kämmerlein verschwindet.

Eine Besucherin der Art Basel in Paris betrachtet eine Arbeit von Cajsa von Zeipel am Messestand der niederländischen Galerie Andréhn-Schiptjenko.

Eine Besucherin der Art Basel in Paris betrachtet eine Arbeit von Cajsa von Zeipel am Messestand der niederländischen Galerie Andréhn-Schiptjenko.

Teresa Suarez / EPA

Die Crème de la Crème

Bärbel Grässlin zeigt an ihrem Stand Werke von verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern, die sie vertritt. Der Mix wirkt anregend, weckt die Lust auf Entdeckungen. Eine andere Ausstellungsstrategie verfolgt die Pariser Galerie Applicat-Prazan. Sie hat ihren weiss gestrichenen und dezent ausgeleuchteten Stand einem einzigen Künstler gewidmet: Georges Mathieu. Wie eine schön arrangierte Galerieausstellung wirkt das hier. An den Stellwänden sieht man ungefähr zehn Werke des Franzosen in unterschiedlichen Grössen. Auch diese Bilder sind abstrakt, mit viel Schwarz, darauf Rot und Weiss, leuchtende Knäuel von Strichen wie Feuerwerk. Der Maler scheint die pastose Farbe direkt aus der Tube auf die Leinwand gedrückt zu haben.

Die gestischen Werke kommen gut zur Geltung in diesem ausgewogenen Ambiente. Hier herrscht kein Gedränge, denn schon von weitem sieht man, was ausgestellt ist, gross prangt der Name des Künstlers an der Wand. Wer sich hier länger umschaut, ist im Bilde, weiss, worum es geht, ist vielleicht ein Kenner und Sammler genau solcher Werke. Die Galerie ist spezialisiert auf französische Kunst der fünfziger und sechziger Jahre. Und Mathieu (1921–2012) war ein ganz Grosser dieser Generation, sozusagen ein französischer Pionier des wilden Action-Painting. Die Galerie führt ihn seit ihren Anfängen im Programm. Jetzt feiert sie mit dieser speziellen Präsentation ihr Dreissig-Jahr-Jubiläum, stolz darauf, zu den besten Galerien von Paris zu gehören.

Eine Besucherin fotografiert die Beschriftung für «Le songe de Gilgamesh» (2021) von Rayan Yasmineh während der Eröffnung der Art Basel in Paris.

Eine Besucherin fotografiert die Beschriftung für «Le songe de Gilgamesh» (2021) von Rayan Yasmineh während der Eröffnung der Art Basel in Paris.

Francois Mori / AP

Überhaupt: Wer hier ausstellen kann, hat es geschafft. Nur Topgalerien erhalten einen Stand. Es ist die Crème de la Crème aus der ganzen Welt, die sich da vom 20. bis zum 23. Oktober versammelte. Aus Europa, aus Nordamerika, aber auch aus Hongkong oder Seoul sind sie gekommen, um neue oder rare Werke der von ihnen betreuten Kunstschaffenden vorzustellen. In diesem Herbst lohnte sich der Weg nach Paris besonders. Auch das Publikum war das beste, das man sich als Galerie wünschen kann.

Um die illustre Sammlergemeinde aus aller Welt anzulocken – man hörte viel Amerikanisch –, braucht es für eine Kunstmesse eine Art Gütesiegel. Und das lautet in diesem Fall «Art Basel». Es ist die berühmte Schweizer Kunstmesse aus Basel, die hier für die strenge Auswahl der Aussteller gesorgt hat.

Aber was hat Basel in Paris verloren? Schon lange ist die Kunstmesse, die jedes Jahr im Juni auf dem Messegelände am Rheinknie stattfindet, keine lokal gebundene Veranstaltung mehr. Sie hat seit Jahren auch Tochtermessen in Miami Beach in Florida und in Hongkong. «Art Basel» ist international zu einem Label geworden. Und nun organisiert dieser Brand ganz neu auch in Paris eine Verkaufsschau nach den hohen Qualitätsstandards, mit welchen er so erfolgreich ist.

Eine Skulptur des japanischen Künstlers Takashi Murakami am Stand von Louis Vuitton an der Art Basel in Paris.

Eine Skulptur des japanischen Künstlers Takashi Murakami am Stand von Louis Vuitton an der Art Basel in Paris.

Teresa Suarez / EPA

Von rund 600 Anmeldungen von Galeristen, die an einer Ausgabe der Art Basel ausstellen wollen, sind es jeweils unter zweihundert, die zugelassen werden. Die Galerie bezahlt der Basler Messeorganisation eine Miete für die Standfläche. Im Gegenzug kann sie die besten Verkaufsbedingungen antreffen.

Alle wollen nach Paris

Aber warum eigentlich Paris? Das erklären mir Pierre-Alexandre Mateos und Charles Teyssou. Wir sitzen vor den Toren der Messe in einem schwankenden Boot-Restaurant auf der Seine direkt unter dem Eiffelturm. Die Location könnte für eine Tour d’Horizon zur Kunststadt Paris stimmiger nicht sein. Die beiden jungen französischen Kuratoren und Autoren sind ein eingespieltes Team. Sie verströmen diese gewisse Aura moderner Bohémiens und haben auch schon zur Figur des Dandy in der Kunsthalle Bern eine Ausstellung mitverantwortet.

Das französische Kuratorenduo Pierre-Alexandre Mateos and Charles Teyssou.

Das französische Kuratorenduo Pierre-Alexandre Mateos and Charles Teyssou.

Photo By Hugues Laurent / Paris+

Ihre Lieblingsbeschäftigung allerdings: Seit geraumer Zeit fühlen sie ihrer Stadt den Puls. Und ihre Begeisterung für die neue Energie von Paris ist mit Händen zu greifen. In ihren Argumenten, die das Phänomen erklären sollen, schaukeln sie sich gegenseitig gerne etwas hoch. «Die Art Basel ist definitiv gut für Paris», sagt Pierre-Alexandre. «Das gibt der Kunststadt zusätzliche Impulse», bestätigt Charles.

Wer die Bedeutung von Paris für die Kunstwelt verstehen will, kommt aber an den grossen Kunststiftungen nicht vorbei. «Das Grosskapital und die damit verbundenen Privatstiftungen sind einer der wichtigsten Treiber des neuen Pariser Kunstschauplatzes», meint Charles. Und Pierre-Alexandre fügt an, dass dieses private Engagement mit seinen Sammlungen, experimentellen Projekten und Ausstellungen gerade auch einer jungen Generation von noch wenig etablierten Kunstschaffenden zugutekomme. «Paris erlebt gerade eine Renaissance», wirft Charles ein.

Jüngstes Beispiel für die wichtige Rolle von Grossstiftungen für die Kunstszene ist Lafayette Anticipations, eine Kunststiftung der traditionsreichen französischen Warenhauskette Galeries Lafayette. Sie liess sich im Marais-Viertel vom Stararchitekten Rem Koolhaas ein Industriegebäude umbauen. Dort will sie Performance und Tanz zeigen und hat für deren Produktion auch Künstlerateliers eingerichtet.

Das Privatmuseum von Bernard Arnault: die von Frank Gehry erbaute Fondation Louis Vuitton in Paris.

Das Privatmuseum von Bernard Arnault: die von Frank Gehry erbaute Fondation Louis Vuitton in Paris.

Corbis / Getty

Auf der Terrasse des Boot-Restaurants kommen wir im Gespräch aber auch auf einen anderen grossen Player der Pariser Kunstszene: die Kunststiftung des weltgrössten Luxusgüterkonzerns Louis Vuitton-Moët Hennessy (LVMH). Im Jahr 2014 eröffnete diese in Paris das Privatmuseum Fondation Louis Vuitton. Die Bilder des spektakulären kubistischen Baus mit seinen Glassegeln des Stararchitekten Frank Gehry gingen um die Welt. Hinter der Stiftung steckt der Grossunternehmer und Kunstsammler Bernard Arnault, Eigentümer von Modehäusern wie Louis Vuitton oder Dior und Juwelieren wie Bulgari oder Tiffany.

Besonders angetan sind die beiden Kuratoren aber von der Pinault Collection für internationale Gegenwartskunst. Die Kunstsammlung des französischen Unternehmers François Pinault, Besitzer von Luxusmarken wie Yves Saint-Laurent und Gucci, eröffnete erst letztes Jahr ein eigenes Museum in der alten Börse, einem von Tadao Ando umgebauten Rundbau aus dem 18. Jahrhundert. Hier haben Pierre-Alexandre Mateos und Charles Teyssou in diesem Frühling ein kulturelles Live-Programm kuratiert.

Blick in die alte Börse von Paris, in der sich die Pinault Collection für Gegenwartskunst einquartiert hat. In der Mitte der Rotonde ein Werk des Schweizer Künstlers Urs Fischer.

Blick in die alte Börse von Paris, in der sich die Pinault Collection für Gegenwartskunst einquartiert hat. In der Mitte der Rotonde ein Werk des Schweizer Künstlers Urs Fischer.

Sarah Meyssonnier / Reuters

Eine wichtige Rolle für den Pariser Boom mit Gegenwartskunst spielt aber auch das französische Steuergesetz. Es sieht seit 2003 vor, dass Unternehmensstiftungen Ausgaben für öffentlich präsentierte Kunst vom Gewinn abziehen können. Und wieder folgt die Kunst zuverlässig dem Kapital, doch wandert sie nicht ins Wohnzimmer, sondern in öffentlich zugängliche Kunstausstellungen oder sogar auf die Plätze und in die Parks der Stadt.

Bei einem Spaziergang über die prestigeträchtige Place Vendôme begegne ich Einkaufstouristen, die vor riesigen Marmorkugeln Selfies schiessen. Die Kugeln stammen von der deutsch-polnischen Künstlerin Alicja Kwade. Sie sind hier nun im Rahmen der Art Basel platziert worden. Auch der Park der Tuilerien ist voll solcher Grossskulpturen, die an der Messe selber keinen Platz finden.

Potente Kunststiftungen

Zurück in dem lichten Messepavillon der Art Basel. Hier präsentiert der Zürcher Galerist Peter Kilchmann einen an Marcel Duchamp erinnernden Flaschenhalter mit pinken Glaspenissen der italienischen Künstlerin Monica Bonvicini. Er nennt noch einen anderen Grund für den neuen Kunstboom in Paris: Brexit. «International tätige Galeristen wollen ein Standbein in der EU haben.» Mit dem Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union fürchteten viele Galerien mit Sitz in London, abgehängt zu werden.

Der Zürcher Galerist Peter Kilchmann an seinem Stand an der Art Basel in Paris hinter einem Werk von Monica Bonvicini.

Der Zürcher Galerist Peter Kilchmann an seinem Stand an der Art Basel in Paris hinter einem Werk von Monica Bonvicini.

Christian Hartmann / Reuters / © 2022, ProLitteris, Zurich

Darum hat sich auch Kilchmann für Paris entschieden und soeben eine Dépendance eröffnet. Seine neue Galerie befindet sich in einer malerischen Strasse inmitten des mondänen Pariser Stadtteils Marais mit seinen trendigen Boutiquen, Schwulenbars und jüdischen Restaurants. Hier, ganz in der Nähe auch des Centre Pompidou und des Picasso-Museums, hat sich ein regelrechter Cluster von internationalen Galerien gebildet.

Clément Delépine ist Leiter der Pariser Ausgabe der Art Basel. Er ist guter Laune, denn seine Messe läuft auf Hochtouren. Wir sitzen in einem klaustrophobisch engen Kämmerchen inmitten der Messestände. «Paris hat in den vergangenen Jahren seine Haltung gegenüber der Welt stark verändert», sagt der Franzose, der zuvor künstlerischer Leiter der renommierten Pariser Galerie Mitterrand war. Heute spreche alles Englisch in den Hotels, Restaurants und Boutiquen. Tatsächlich, ich erinnere mich noch gut: Früher wurde als ausländischer Tourist nicht für voll genommen, wer nicht perfekt Französisch sprach.

Diese Öffnung erklärt Delépine damit, dass Frankreich in den letzten Dekaden an politischer, kultureller und ökonomischer Bedeutung in der Welt eingebüsst habe. «Man ist heute weniger konservativ eingestellt, weil es auch weniger zu konservieren gibt», so bringt er es auf den Punkt. Zudem sei die französische Kulturszene früher vorab vom Staat protegiert und gefördert worden. Finanzstarke Privatinstitutionen wie diejenigen von Pinault oder Arnault arbeiteten nun aber auch eng mit staatlichen Museen für Gegenwartskunst wie etwa dem Palais de Tokyo zusammen. Darin sieht Delépine einen entscheidenden Mentalitätswandel.

Verheimlicht darf allerdings nicht werden, dass die Art Basel ihren Sprung nach Paris zu einem gewissen Grad auch der Pandemie verdankt. Die Expansion an die Seine hat mit dem tragischen Niedergang der bisher wichtigsten Pariser Messe für Gegenwartskunst, der Foire internationale d’art contemporain (Fiac), zu tun. Diese geriet in finanzielle Schieflage, musste Angestellte entlassen und existiert heute nur noch auf dem Papier.

Den Zuschlag für ihren angestammten Austragungsort, das prestigeträchtige Grand Palais, hatte die Art Basel erhalten. Das Grand Palais wird bis Juli 2024 renoviert, die Kosten dafür sind hoch, finanziell verlässliche Kunden wurden umso wichtiger. So kandidierte Basel und erhielt einen Vertrag für sieben Jahre. Jetzt und nächstes Jahr organisiert sie ihre Messe im Provisorium Grand Palais Éphémère beim Eiffelturm für rund 150 Galerien.

Installationen von Alicja Kwade auf der Place Vendôme.

Installationen von Alicja Kwade auf der Place Vendôme.

Courtesy Of Paris+ Par Art Basel

Selfie-Termin mit Kunst im Park der Tuileries in Paris während der Art Basel.

Selfie-Termin mit Kunst im Park der Tuileries in Paris während der Art Basel.

Vincent Isore / Imago

Überall Gegenwartskunst

Auf einem letzten Rundgang durch die Messe fragte ich mich allerdings, was hier eigentlich mit Gegenwartskunst gemeint sei. Was an den Ständen der Kunstmesse gezeigt wurde, waren überwiegend Bilder und kleinere Skulpturen. Das ist Kunst fürs private Wohnzimmer. Auf der Strecke blieb raumgreifende Installationskunst, Videokunst oder auch Performance.

Der Messechef Clément Delépine weiss um die Schwächen seiner ersten Messe in Paris. «In zwei Jahren, nämlich 2024, wird auch solche Kunst besser zur Geltung kommen.» Dann wird die Paris+ par Art Basel, wie sich die Messe korrekt, aber etwas umständlich nennt, im dann renovierten Grand Palais stattfinden. Dort werden die Raumverhältnisse weit grosszügiger bemessen sein und mehr Galerien Platz bieten, die auch mit Werken aufwarten können, die den gängigen Kunstbegriff sprengen.

Die erste Ausgabe von diesem Oktober konnte indes vor allem mit einem internationalen Publikum punkten. Die Verkäufe während der Messetage waren beachtlich. Die Zürcher Galerie Hauser & Wirth soll gemäss Verkaufsreport der Messe ein Bild von George Condo für 2,65 Millionen Dollar veräussert haben. Im Frühling 2023 will auch sie sich in Paris niederlassen. Sie betreibt bereits in New York, Los Angeles und an mehreren Standorten in England grosse Ausstellungsräume. In Paris soll es ein neoklassizistisches Gebäude aus dem Jahr 1877 mit 800 Quadratmetern auf vier Stockwerken werden.

Auch der halbe Stand von Applicat-Prazan mit den abstrakten Werken von Georges Mathieu soll an Kunstsammler verkauft worden sein. Diese stammten angeblich aus der Schweiz, Italien, Frankreich, Polen und Belgien. Mehr will der Galerist nicht verraten, Diskretion ist ein hohes Gut auf einer Messe wie der Art Basel. Von der guten Nachfrage angetan war auch die Frankfurter Galeristin Bärbel Grässlin. Wir wollten von ihr noch wissen, ob sie das Bild von Jana Schröder an den interessierten Sammler verkaufen konnte. Sie nickte sichtlich zufrieden.

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