Scher Investieren in Afrika? “Seit 2018 gab es keine Insolvenzen mehr”, sagt Bettervest-Chefin Heib im “Klima-Labor”

Wer mit gutem Gewissen investieren will, ist oft verloren. Doch es gibt Alternativen zu vermeintlich grünen ETFs: Direktinvestments in nachhaltige Projekte in Afrika. Die sind aber auch nicht ohne Risiko, gibt Marylin Heib im “Klima-Labor” von ntv zu. “Anfangs sind 10 Prozent der Projekte, die wir finanziert haben, insolvent gegangen”, erzählt die Geschäftsführerin der grünen Investmentplattform Bettervest – in vielen Fällen war damit auch das Geld von Investorinnen und Investoren verloren. Solche Ausfälle soll es in Zukunft nicht mehr geben: Heib verspricht mehr Sicherheit unter anderem durch neue Kontrollmechanismen und Ausfallversicherungen. Der Nachfrage scheinen die Probleme nicht geschadet zu haben: Angebote wie Bettervest wachsen nach eigenen Angaben und machen immer mehr gute Unternehmer ausfindig, die Solaranlagen oder ressourcenschonende Kochherde für Staaten in Afrika oder Südostasien anbieten. Wichtig, sagt Heib. “Diese Projekte haben kaum andere Chancen, an Geld zu kommen.”

ntv.de: Bei Bettervest kann ich in unterschiedliche Klimaprojekte investieren, Geld verdienen und Gutes für die Umwelt tun. Sie bieten Solarprojekte an, ressourcenschonende Kochherde – und neuerdings Ausfallversicherungen. Warum?

Marylin Heib: Mit den Ausfallversicherungen kann man seine Investition schützen. Falls es zu einem Problem bei einem Projekt kommt, ist der Ausfall versichert. Das ist recht neu in der Crowdfunding-Branche. Wir sind glücklich, dass wir das bald anbieten dürfen.

Marilyn Heib verspricht Renditen wie im DAX.

(Foto: bettervest)

Das klingt aber nicht besonders vertrauenswürdig. Sie werben um Investitionen für Projekte in Afrika, und ihr bestes Argument ist, dass sie jetzt Ausfallversicherungen anbieten, mit der man diese Investition absichern kann.

Das wirkt jetzt so (lacht). Aber wenn man schon länger in solche Projekte der Crowdfunding-Szene investiert oder allgemein Direktinvestments nutzt, weiß man: Es kann immer etwas schiefgehen. Nicht oft, es betrifft vielleicht fünf Prozent der Projekte. Aber den Bürgern ist einfach wichtig, dass sie ihr Investment zurückbekommen. 2019 haben wir eine Umfrage durchgeführt: Liebe Investoren, was wäre nötig, damit ihr noch mehr investiert? Die Ausfallversicherung stand ganz oben auf der Liste. Deswegen haben wir uns darum bemüht. Jetzt gibt es sie.

Und wie funktioniert diese Ausfallversicherung? Wer zahlt die?

Es gibt verschiedene Anbieter. Oft sind es große Institutionen wie zum Beispiel die KfW oder der African Guarantee Fund: Institutionelle Organisationen, die unter anderem von Entwicklungshilfeministerien gespeist werden. Die sind sehr interessiert daran, dass Finanzmittel in Entwicklungsländer fließen. Daher bieten sie Ausfallversicherungen an. Das Ganze kostet aber. Wenn wir also für eines unserer Projekte eine Versicherung anbieten, muss eine Gebühr gezahlt werden. Das reduziert den Zins für die Crowd, aber im Gesamtpaket ist es trotzdem interessant.

Haben Sie ein konkretes Projekt als Beispiel? Wenn ich mit einer Ausfallversicherung investiere, bekomme ich etwas weniger Zinsen, aber im Zweifel mein ganzes Geld zurück?

Der Versicherer guckt sich das Projekt an und sagt: Das finde ich gut, das werde ich versichern. Das erste werden ressourcenschonende Kochherde in Kenia sein. Dafür hätte die Crowd eigentlich einen Zins von 7 Prozent bekommen sollen. Durch die Ausfallversicherung sind es nur 6 Prozent. In Kenia werden diese Kochherde von der Firma Burn hergestellt. Die generiert darüber grüne Zertifikate. Die Ware als auch ein Teil der Zertifikate werden für das Projekt verpfändet, um es abzusichern. Sollte es zu einem Problem kommen und das Unternehmen insolvent gehen, würden diese Sicherheiten verwertet werden.

Sollten diese Sicherheiten aber nur 60 Prozent der Summe abdecken – man hätte also 1 Million Euro verliehen, bekäme aber nur 600.000 Euro wieder – würden die restlichen 400.000 Euro über diese Ausfallversicherung gedeckt. Man kann das unterschiedlich gestalten, 100 Prozent der Summe absichern oder nur 25 Prozent. Meistens sind es 50 Prozent, weil es sonst zu teuer wird.

Man kann also trotz Ausfallversicherung immer noch Geld verlieren?

Genau.

Eine Rendite von 6 oder sogar 7 Prozent klingt aber sehr lukrativ. Das ist beinahe die historische Rendite des DAX. Wie können ressourcenschonende Kochherde in Kenia die gleiche Rendite erwirtschaften wie milliardenschwere Unternehmen?

Wir überprüfen die Projekte und schauen uns die Cash-Flow-Pläne an, also die Einnahmen und die Kosten. Bei den Kochherden ist es so, dass die Hersteller grüne Zertifikate generieren. Für jedes Gerät bekommen sie eines, das sie am Markt verkaufen können.

Was ist denn so toll an den Kochherden?

Wo finde ich das Klima-Labor?

Das Klima-Labor finden Sie bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+ Musik, Apple Podcasts, Amazon Music, Google Podcasts, Spotify, RSS-Feed

Viele Familien in Afrika gehen nach wie vor in den Wald, holen Holz und bereiten ihr Essen auf einer offenen Feuerstelle zu. Bei den ressourcenschonenden Kochherden kann man unten Holz reinlegen und oben den Topf draufstellen. Die Familie können also genauso kochen, wie sie es gewohnt sind. Die Feuerstelle ist aber nicht mehr wirklich offen, sondern im Kochherd eingeschlossen. Das ist viel energieeffizienter.

Man braucht weniger Holz?

80 Prozent weniger, genau. Zusätzlich werden die Abgase im Kochherd gesammelt und verteilen sich nicht mehr im Haus. Im Endeffekt läuft der Verbrennungsprozess kontrollierter ab, es entstehen weniger Schadstoffe. Es ist aber nicht nur der Klimaschutz, auch die sozialen Effekte der Kochherde sind hoch angesehen. Denn für die offenen Feuerstellen muss man jeden Tag riesige Mengen Holz sammeln. Oftmals machen das vor allem Frauen.

Und dafür gibt es das grüne Zertifikat?

Alle Produkte, die CO2 einsparen, können nach gewissen Standards zertifiziert werden und grüne Zertifikate generieren. Das ist international geregelt. Je nachdem, wie viele Tonnen CO2 das Produkt einspart, desto mehr Zertifikate erhalte ich. Diese Zertifikate werden auf dem freien Markt gehandelt. Unternehmen, die etwas für ihre Klimabilanz tun wollen oder müssen, können sie kaufen. Chemiekonzerne zum Beispiel.

So hat Tesla früher sehr viel Geld verdient.

Ganz genau. Wenn man ein Standardprodukt hat, ist es besonders einfach, denn das Produkt muss nur einmal zertifiziert werden. Selbst, wenn ich danach Tausende oder Millionen dieser Geräte herstelle, erhalte ich immer wieder ein neues Zertifikat. Die Kochherde sind Standardprodukte, deswegen funktioniert es sehr gut. Aktuell ist auch der Zertifikatepreis sehr hoch. Ofenhersteller wie Burn in Kenia generieren durch den Verkauf also gute Einnahmen. Das ist die Haupteinnahmequelle für die Rückzahlung der Kredite.

Und Bettervest erhält eine Vermittlungsgebühr?

Unsere Aufgabe ist es, die Projekte zu finden und zu prüfen. Sind sie finanziell stabil genug, dass sie die Kredite zurückzahlen können? Nützen sie dem Klima und leisten sie den sozialen Beitrag, den wir uns wünschen? Dann stellen wir diese Projekte für Crowdinvestoren, deren Vertrauen wir uns über viele Jahre erarbeitet haben, auf unsere Webseite. Wir suchen auch immer nach neuen Investoren, das kostet ebenfalls Geld. All das finanziert sich über eine einmalige Provision, die wir bekommen, wenn das Projekt bezahlt ist.

Wie ist denn nach zehn Jahren Ihre Erfolgsquote?

Es gibt zwei Zeiten von Bettervest: die Zeit vor unserer Umstrukturierung und die Zeit danach. Das erklärt vielleicht auch, warum wir diese Ausfallgarantie ins Leben gerufen haben.

Das klingt so, als wäre die erste Phase nicht so gut gelaufen.

Ja. Wir sind schon so lange am Markt, dass wir auch schlechte Erfahrungen gemacht haben. Selbst wenn man dem Projektinhaber glaubt, kann in diesen Ländern ganz viel passieren: Es gibt politische Unruhen oder die Währung sackt auf einmal ab. Anfangs sind deshalb 10 Prozent der Projekte, die wir finanziert haben, insolvent gegangen. 2018 haben wir gänzlich umstrukturiert, das Team und den Prozess verändert, wie wir Projekte prüfen. Vor allem haben wir aber Strukturen eingebaut, um diese Projekte besser abzusichern. Firmen, die diese Sicherheiten nicht erbringen, unterstützen wir nicht mehr. Seitdem gab es keine Insolvenz mehr.

Was ist denn bei den Unternehmen, die insolvent gegangen sind, schiefgelaufen?

Hauptsächlich war es fehlende Managementerfahrung. Die Unternehmen haben es gut gemeint, wollten etwas bewegen, aber wussten nicht, was in einem afrikanischen Land alles schiefgehen kann. Wir hatten einen Unternehmer aus Österreich. Der hat in Äthiopien mit einem heimischen Gesellschafter eine Brikettfabrik aufgebaut, die wir finanziert hatten. Ein tolles Projekt, aber dann haben sie sich zerstritten und der österreichische Unternehmer ist nicht mehr in die Halle gekommen. Auch vor Gericht konnte er nicht durchsetzen, dass er wieder an die Maschinen kommt. Das sind Dinge, die vorkommen können.

Eigentlich ja nicht.

Eigentlich sollte das nicht vorkommen, richtig. Das ist fehlende Weitsicht, sich Sicherheiten zu schaffen. Die Halle gehörte halt dem heimischen Gesellschafter. Ein erfahrenes Management hätte sie vielleicht bei einem offiziellen Partner gemietet oder das Projekt ganz anders strukturiert.

Ist das die Ursache für einige wütende Rezensionen bei Google? Dort gibt es 2 von 5 Sternen oder sogar nur einen, weil mehrere Projekte insolvent gegangen sind und das Geld weg ist.

Das ist der Grund für diese Umstrukturierungen. Diese Investoren haben vor 2018 investiert. Das tut uns leid, aber wir können die Vergangenheit nicht ändern. Inzwischen gehören wir zu den strengsten Plattformen in Deutschland.

Aber man kann mit diesen Investments nach wie vor Geld verlieren. Die Ausfallversicherungen decken nicht alle Verluste ab. Das kann beim DAX ETF nicht passieren.

Ich würde niemals sagen, dass man sein ganzes Gespartes in unsere Projekte investieren sollte. Diese Direktinvestments sind ein Baustein eines finanziellen Portfolios, der jedes Jahr einen attraktiven Zins ausschüttet. Man sollte auch nicht sein ganzes Geld in Aktien investieren. Wenn der DAX und die Börse crashen, muss man zehn Jahre warten, bis sich die Kurse erholen. Davon hat man auch nichts.

Wie wird denn kontrolliert, ob die Projekte auch funktionieren? Nehmen wir die Kochherde: Woher weiß ich als Investorin, dass die hergestellt, ausgeliefert und genutzt werden?

Es gibt mittlerweile gute Kontrollinstanzen, der deutsche Gesetzgeber hat vieles getan. Alle Projekte müssen von einem Mittelverwendungskontrolleur mitbetreut werden.

Schönes Wort.

Ein typisch deutsches, ja (lacht). Ich habe noch eines: Vermögensinformationsblatt, das VIB. Darin steht ganz genau, was die Unternehmen für welche Summe gekauft haben. Bevor der Projektinhaber von uns das eingesammelte Geld erhält, kontrolliert der Mittelverwendungskontrolleur die Daten im VIB – zum Beispiel, ob Rechnungen zu den gekauften Produkten vorliegen. Es muss wirklich genau nachgewiesen werden, dass dieses Geld so eingesetzt wird, wie es versprochen wurde.

Und woher weiß ich, dass diese Kochherde auch genutzt werden?

Das liegt im Eigeninteresse der Unternehmen. Wenn sie die Kochherde bezahlen, wollen sie die auch verkaufen und Geld verdienen. Sonst machen sie sich ja ihr Geschäft kaputt. Es gibt aber auch ein halbjährliches Reporting. Darin informieren die Projektinhaber alle Investoren über die finanzielle Lage des Unternehmens und darüber, was gerade passiert. Man bekommt Bilder und Daten, wie viele Kochherde verteilt wurden.

Angenommen, alles klappt. Das macht Bettervest zu einer sinnvollen Möglichkeit, Geld dorthin zu lenken, wo es gebraucht wird, während man gleichzeitig Rendite macht. Wie groß ist dieser Hebel denn? Wie viel kann man mit solchen Projekten verändern?

Der Hebel ist wahnsinnig groß. Denn wenn man Unternehmen gefunden hat, denen man vertrauen und Geld geben kann, schaffen die in ihrer Region Arbeitsplätze und Einkommen für die Menschen, die dort leben. Jeder Euro, der dort investiert wird, kann zehnmal mehr bewirken als bei uns, weil er direkt bei den Menschen vor Ort ankommt. Das Schwierige ist, diese Unternehmen zu finden.

Das Nadelöhr sind also nicht fehlende Investoren, sondern Projekte, denen man das Geld geben kann?

Das schwankt immer. Während der Corona-Pandemie hatten wir zum Beispiel viel mehr Projekte als Crowd, weil die Leute Angst hatten und kein Geld investieren wollten. Jetzt ist die Lage wieder besser, aber seit August nehmen die Sorgen wegen der Finanz- und der Energiekrise wieder zu. Aber Unternehmen wie wir wachsen und finden immer mehr gute Projekte zum Investieren. Eine Kollegin ist zum Beispiel seit mehreren Monaten in Kenia und macht sich vor Ort ein Bild. Es gibt immer mehr gut ausgebildete Unternehmer. Jetzt brauchen wir wieder Leute, die sagen: Das sind wichtige Projekte, stabile Unternehmen, denen möchte ich für eine schöne Rendite mein Geld geben.

Investieren bei Ihnen auch Großinvestoren oder sind das eher Privatpersonen?

Wir haben eine Mischung, wobei der Großteil wirklich ganz normale Bürger sind, die ihr Geld einfach sinnvoll investieren wollen. Das kann man bei uns ja ab 50 Euro. Die Schwelle ist sehr niedrig. Es gibt auch einzelne Investoren, die über die Jahre Summen von 200.000 bis 400.000 Euro investiert haben. Für institutionelle Investoren sind unsere Tickets aber zu klein. Die investieren erst ab zwei oder drei Millionen Euro aufwärts. Unsere Projekte liegen eher zwischen 200.000 und drei Millionen Euro. Deswegen ist es so wichtig, dass diese Unternehmen unterstützt werden, weil sie kaum eine andere Chance haben, an Geld zu kommen.

Wie viele Menschen investieren denn bei Ihnen? Wo wollen Sie hin?

Aktuell haben 6000 Menschen schon einmal bei Bettervest investiert. Dieses Jahr liegen wir insgesamt bei vier bis fünf Millionen Euro. Im Jahr 2027 wollen wir ein Funding-Volumen von 20 Millionen Euro erreichen. Das wäre jedes Jahr ein Wachstum von 30 bis 50 Prozent.

Mit Marylin Heib sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch ist zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet worden.

Klima-Labor von ntv

Was hilft gegen den Klimawandel? “Klima-Labor “ist der ntv Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen und Behauptungen prüfen, die toll klingen, es aber selten sind. Klimaneutrale Unternehmen? Gelogen. Klimakiller Kuh? Irreführend. Kunstfleisch? Das Grauen 4.0. Aufforsten im Süden? Verschärft Probleme. CO2-Preise für Verbraucher? Unausweichlich. LNG? Teuer.

Das Klima-Labor – jeden Donnerstag eine halbe Stunde, die informiert und aufräumt. Bei ntv und überall, wo es Podcasts gibt: RTL+ Musik, Apple Podcasts, Amazon Music, Google Podcasts, Spotify, RSS-Feed

source site-32