Streik bei der Lufthansa: Die neusten Entwicklungen


Die neusten Entwicklungen

Wegen des Warnstreiks am Boden fallen am Mittwoch nahezu alle Lufthansa-Flüge in Deutschland aus. Der Frust ist programmiert. Dabei sorgen Personalengpässe bei Flughäfen und Airlines in diesem Sommer eh schon für Ausfälle und Verspätungen. Wie geht es weiter, und was können Passagiere tun?

Passagiere in Deutschland müssen sich af langes Warten gefasst machen.

Sean Gallup / Getty

Die neusten Entwicklungen:

  • Die Lufthansa streicht wegen des geplanten Streiks am Mittwoch nahezu das komplette Flugprogramm an ihren deutschen Drehkreuzen Frankfurt und München. Dies teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Die Gewerkschaft hat die rund 20 000 Bodenbeschäftigten zu flächendeckenden Arbeitsniederlegungen aufgerufen, um Druck in den laufenden Gehaltsverhandlungen aufzubauen.

Wie verläuft der Lufthansa-Streik?

Wegen des Warnstreiks am Boden fallen am Mittwoch (27. Juli) nahezu alle Lufthansa-Flüge in Deutschland aus. An den Drehkreuzen Frankfurt und München wird praktisch das gesamte Programm gestrichen. Betroffen sind aber auch die Flughäfen in Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Bremen, Hannover, Stuttgart und Köln. Der Lufthansa-Konzern unterhält dort meist kleinere Einheiten, die ihre Dienstleistungen auch anderen Airlines anbieten. Insgesamt sollen mehr als 1000 Flüge ausfallen, 134 000 Passagiere dürfen betroffen sein.

Wann wird gestreikt?

Der ganztägige Ausstand soll am Mittwochmorgen um 03 Uhr 45 beginnen, wie die Gewerkschaft Verdi bekanntgegeben hat. Aufgerufen sind ganz unterschiedliche Beschäftigtengruppen wie das Schalterpersonal, Flugzeugtechniker oder die Fahrer der riesigen Schlepper, die Flugzeuge am Flughafen auf die richtigen Positionen schieben. Ohne diese Dienstleistungen können die Jets ebenso wenig abheben wie ohne Piloten oder Kabinenpersonal.

Zu Flugabsagen werde es bereits an diesem Dienstag sowie am Donnerstag und Freitag kommen, teilte das Unternehmen in Frankfurt mit.

Kann man am Flughafen umbuchen?

Passagiere ohne bestehende Umbuchungen sollten nicht zu den Flughäfen kommen, weil dort «nur wenige oder gar keine» Serviceschalter geöffnet sein werden, warnte das Unternehmen. Im Netz beschwerten sich Passagiere über kurzfristige Absagen von Interkontinentalflügen in die USA oder nach Hongkong. Das sind in aller Regel die letzten Flüge, die Lufthansa im Streikfall streicht. Lufthansa warnte Umsteiger davor, ohne Anschlussflug an die deutschen Drehkreuze zu fliegen. Es bestehe die Gefahr, dass die Gäste dort für mehrere Stunden oder Tage nicht weiterreisen könnten.

Warum wird gestreikt?

Der erste Streik bei Lufthansa nach dem Corona-Schock kommt vor dem Hintergrund eines teilweise chaotisch verlaufenen Neustarts der Branche. Personalengpässe und eine starke Urlaubsnachfrage haben schon ohne Streiks zu erheblichen Abfertigungsproblemen in diesem Sommer geführt. Die Gewerkschaft Verdi macht dafür vor allem Missmanagement bei Flughäfen und Airlines verantwortlich. Der Lufthansa-Airline-Chef Jens Ritter sieht hingegen die erreichten Fortschritte durch die Streikankündigung infrage gestellt. Der Ausstand werde Kunden und Personal über den Streiktag hinaus belasten, sagte Ritter auf der Plattform Linkedin.

Was bietet Lufthansa den Angestellten?

Lufthansa hat nach eigenen Angaben bei einer Laufzeit von 18 Monaten eine zweistufige pauschale Gehaltserhöhung um zusammen 250 Euro angeboten, zu der ab Juli kommenden Jahres noch eine gewinnabhängige Steigerung um 2 Prozent käme. Bei einem monatlichen Grundgehalt von 3000 Euro ergäbe sich daraus eine Steigerung von 9 bis 11 Prozent, rechnete das Unternehmen vor. Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle bezeichnete das Beispiel als «schöngerechnet». Für andere Gehaltsbereiche betrage die Steigerung nur rund vier Prozent und bringe damit für die Beschäftigten Reallohnverluste, sagte sie «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten». Die Gewerkschaft fordert bei 12 Monaten Laufzeit 9,5 Prozent mehr Geld in den Lohntabellen, mindestens aber 350 Euro.

Was sind die Folgen für die Schweiz?

Der Streik bei der Lufthansa hat auch Folgen für die Schweiz. Etwa ein Dutzend Flüge würden gestrichen, betroffen seien rund 1000 Passagiere, sagte Swiss-Sprecherin Karin Montani laut mehreren Medien gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Die Swiss streicht die Flüge von Genf nach Frankfurt und Zürich nach Düsseldorf. Auch Lufthansa-Flüge ab Zürich nach Frankfurt und München werden abgesagt. Nach dem Streik soll das Flugangebot am Donnerstag aufgestockt werden.

Warum kommt es in diesem Sommer zu häufigen Flugausfällen?

Immer mehr Menschen verreisen immer öfter mit dem Flugzeug, was Flughäfen an ihre Grenzen bringt. Das grösste Drehkreuz Europas etwa, der Flughafen London Heathrow, wird schon seit Jahren an seiner maximalen Kapazitätsgrenze betrieben – bereits kleinste Probleme an diesem Flughafen können zu weltweiten Verspätungen und Annullationen führen. Die Corona-Pandemie hat die Lage nochmals verschärft.

Durch den Corona-bedingten Stillstand mussten verschiedenste Airlines ihr Personal reduzieren. Fluggesellschaften wie British Airways, American Airlines, Emirates und Scandinavian Airlines haben im grossen Stil Piloten und Kabinenpersonal entlassen. Auch das Personal der Bodenabfertiger und der Flughäfen war betroffen. Somit fehlt in fast allen Bereichen Personal: von der Sicherheitskontrolle über die Gepäckabfertigung bis hin zum Flugzeugunterhalt.

Zudem haben Faktoren wie unregelmässige Arbeitszeiten, eine eher durchschnittliche Bezahlung und die Arbeit bei Schneefall oder brütender Hitze auf dem Rollfeld bei Angestellten zu einem Umdenken und zu zusätzlichen Kündigungen geführt. So hat etwa die schwedische Fluggesellschaft SAS Mühe, ihr Bodenpersonal, das während der vergangenen zwei Jahre gekündigt hat oder entlassen worden ist, wieder anzustellen.

Verschärft wird der gegenwärtige Personalmangel durch die zeitintensive Rekrutierung. Während die Pilotenausbildung und die Zertifizierung Jahre in Anspruch nehmen, müssen Angestellte auf dem Rollfeld oder im Sicherheitsbereich vor der Anstellung ein aufwendiges Sicherheits-Screening durchlaufen und diverse Background-Checks bestehen, um eine Zulassung für die gesicherten Bereiche des Flughafens zu erhalten.

Durch die pandemiebedingt unklare Buchungslage und die finanziellen Schwierigkeiten war eine mittel- bis langfristige Personalplanung allerdings schwer möglich. Da viele Airlines zusätzlich noch auf staatliche Hilfe angewiesen waren, konnten sie auch nicht einfach auf Verdacht Personal rekrutieren. Hinzu kommt, dass es Fluggesellschaften nicht gelungen ist, den Ticketverkauf zu drosseln, als sich kurzfristig abzeichnete, dass in diesem Frühjahr und Sommer wieder mehr Menschen würden verreisen wollen.

Welche Flughäfen und Airlines sind besonders betroffen?

Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat eine Liste mit den Flughäfen veröffentlicht, die in den ersten Tagen des Juli prozentual am meisten Verspätungen und Ausfälle aufwiesen. Darunter sind Brüssel, Frankfurt, Eindhoven (Niederlande), Luton (London), Liszt Ferenc in Budapest, Lissabon, Charles de Gaulle (Paris), Amsterdam Schiphol, Nizza und Gatwick (London).

Wegen ihrer Grösse dürften die Verspätungen und Ausfälle an den Flughäfen Frankfurt, Amsterdam Schiphol und London Heathrow besonders viele Reisende betreffen. Während mehrerer Tage mussten Airlines ihren Flugbetrieb von und nach Amsterdam im Juni fast vollständig einstellen. Der Flughafen Heathrow hat für die Sommermonate ein Passagierlimit eingeführt, ab sofort soll bis zum 11. September eine Obergrenze von 100 000 Passagieren am Tag gelten.

Erst vor wenigen Tagen etwa musste die Swiss bekanntgeben, dass sie während der Hauptreisezeit fast 700 Flüge ab Zürich und Genf gar nicht erst durchführen kann – zusätzlich zu den bereits Anfang Juni angekündigten Stornierungen für den Sommer. Dies entspricht etwa 2 Prozent aller Flüge der Swiss in dieser Zeitspanne.

Die Swiss ist damit nicht allein. Die ganze Lufthansa-Gruppe hat zurzeit mit Stornierungen zu kämpfen, und anderswo sieht es nicht viel besser aus. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass grössere Fluggesellschaften mehr Probleme haben als kleine Airlines. Gleiches gilt auch bei den Flughäfen. Grosse Drehkreuze mussten ihre Kapazitäten viel stärker beschränken als kleinere Flughäfen.

Wie lange halten die Störungen an?

Nicht jedes der gegenwärtigen Probleme kann auf Corona abgeschoben werden. Schon seit Jahren zeichnete sich ein Engpass beim fliegenden Personal ab. Um die Effizienz zu steigern, haben viele Fluggesellschaften etwa ihr Kabinenpersonal reduziert. Verschärft wurde die Situation noch durch eine grosse Pensionierungswelle: Während der vergangenen Jahre erreichte eine grosse Anzahl Piloten der Babyboomer-Generation das Ruhestandsalter.

Das teilweise fehlende Personal ist also nicht ein Problem, das erst in den vergangenen zwei Jahren entstanden ist. Dementsprechend ist auch keine schnelle Besserung in Sicht. Denn während Flughäfen und Airlines bereits seit Monaten zu kämpfen haben, steht die intensive Hauptreisezeit mit den Monaten Juli und August erst noch bevor. Am Flughafen Zürich fliegen beispielsweise an einem normalen Tag zwischen 30 000 und 40 000 Passagiere. Während der Hauptreisezeit sind es jedoch bis zu 70 000 Personen pro Tag. Die bereits jetzt schon angespannte Situation an den grossen internationalen Drehkreuzen dürfte sich dadurch noch weiter verschärfen.

Die Internationale Luftverkehrs-Vereinigung (International Air Transport Association, Iata) rechnet daher auch nicht mit einer baldigen Entspannung der Lage. Im Gegenteil: Sie prognostiziert Schwierigkeiten und Probleme bis ins Frühjahr 2023. Erst im Verlauf des kommenden Jahres sei das internationale Luftfahrtsystem wieder ordentlich hochgefahren und funktioniere hoffentlich wieder normal.

Was müssen Passagiere jetzt beachten?

Die Passagiere sind dem Chaos weitgehend ausgeliefert. Wer bereits eine Flugreise gebucht hat, dem raten die Flughäfen, früher vor Ort zu sein als ohnehin schon – also zwei bis drei Stunden. Wie viel zeitliche Reserve man einplanen sollte, hängt auch davon ab, ob man Kurz- oder Langstrecke fliegt, an welchem Wochentag man reist und ob man Gepäck aufgeben muss oder nicht. Gerade am Morgen starten zudem viele Geschäftsreisende, an den Passagierkontrollen stauen sich deshalb besonders viele Menschen.

Da auch die Gepäckabfertigung von Ausfällen betroffen ist, ist es ratsam, seine Koffer frühzeitig aufzugeben. Viele Airlines bieten einen Service am Vorabend des Fluges an. Informationen zum Check-in-Angebot der einzelnen Airlines in Zürich finden sich hier. Zudem bitten die Flughäfen darum, nur das Nötigste mit ins Handgepäck zu nehmen, um die Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen zu verkürzen.

Im Juni haben wichtige Ferienziele die Covid-19-Vorgaben für Schweizerinnen und Schweizer aufgehoben, darunter sind Spanien, Italien, Zypern und die Türkei. Es empfiehlt sich jedoch, im Voraus die entsprechenden Einreisebestimmungen zu eruieren. Mit der folgenden interaktiven Applikation können Sie mehr Details zur Ihrem Reiseziel in Erfahrung bringen – etwa, wo eine Maskenpflicht gilt, welche Einreiseformulare nötig sind und welche Bestimmungen für Test- und Quarantänepflicht gelten.

Reisende, die noch keinen Flug gebucht haben, sollten möglichst direkte Verbindungen wählen. Damit verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass auf der Reise etwas schiefgeht. Für Umsteigeverbindungen sollte ausreichend Zeit eingeplant werden. Allgemein sind jene im Vorteil, die Pauschalreisen gebucht haben. Denn hier trägt der Anbieter das Risiko, wenn eine Reise wegen Flugausfällen nicht angetreten werden kann.

Welche Ansprüche auf Entschädigung haben Flugreisende?

Bei Flugausfällen haben Passagiere im Rahmen der EU-Fluggastrechte-Verordnung, die auch in der Schweiz gilt, Anspruch auf eine Alternativverbindung oder auf Erstattung des Flugpreises. Zusätzlich können sie Entschädigungszahlungen erhalten. Diese richten sich nach der Flugdistanz:

  • 250 Euro bei einem Flug mit einer Distanz von unter 1500 Kilometern
  • 400 Euro bei einem Flug mit einer Distanz zwischen 1500 und 3500 Kilometern
  • 600 Euro bei einem Flug mit einer Distanz von über 3500 Kilometern

Der Anspruch auf Entschädigung entfällt allerdings, wenn die Annullierung mehr als zwei Wochen im Voraus angekündigt wird. Wird der Ausfall später mitgeteilt, entfällt der Anspruch ebenfalls, wenn die Airline eine Ersatzverbindung anbieten kann, die nur unwesentlich früher startet oder später ankommt als der ursprüngliche Flug. Ebenso gibt es keine Entschädigung, wenn die Airline sich auf aussergewöhnliche Umstände berufen kann. Ein Beispiel dafür ist etwa das Wetter. Solche Annullierungen führen immer wieder zu Streits zwischen Airlines und Passagieren.

Weigert sich die Fluggesellschaft, Entschädigungen oder Leistungen zu erbringen, können Passagiere beim Bundesamt für Zivilluftfahrt Anzeige einreichen. Zur Durchsetzung der Ansprüche können auch Onlineportale geeignet sein. Zu solchen Portalen gehören beispielsweise das Schweizer Angebot cancelled.ch oder das deutsche Angebot flightright.de.

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