Wer folgt auf Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga?

Die wichtigsten Antworten zur Bundesratsersatzwahl.

Jacqueline Fehr möchte lieber Zürcher Regierungsrätin als Bundesrätin sein.

Christian Beutler

Die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr hat am Donnerstagnachmittag (3. 11) bekanntgegeben, nicht für den Bundesrat kandidieren zu wollen. Fehr begründete ihren Entscheid in den «Tamedia-Zeitungen» damit, dass ihr Ziel die Wiederwahl am 12. Februar in die Zürcher Kantonsregierung sei. «Die starke Rolle des Kantons Zürich und seine Pionierfunktion in vielen Bereichen machen die Arbeit als Zürcher Regierungsrätin ausserordentlich spannend. Meine Leidenschaft ist es, in meinen Zuständigkeitsbereichen politisch zu gestalten.» Dazu sei ihr Amt als Regierungsrätin der ideale Ort.

Fehr war in der Vergangenheit einmal am Sprung in den Bundesrat gescheitert. 2010 hatte sie die SP zusammen mit Simonetta Sommaruga ins Rennen geschickt. Fehr zog am Ende den Kürzeren. Fünf Jahre später wurde die damalige Nationalrätin dann in den Zürcher Regierungsrat gewählt.

Wer steigt für die SP ins Rennen?

Die SP braucht einen neuen Bundesrat, weil Simonetta Sommaruga am 2. November erklärte, ihr Amt aus persönlichen Gründen per Ende Jahr abzugeben. Für die SP-Spitze ist bereits klar: Nachfolgerin soll eine Frau werden. Das sagte Co-Präsidentin Mattea Meyer ebenfalls am Mittwoch. Die SP wolle der Bundesversammlung ein Ticket mit zwei Kandidatinnen präsentieren.

Mit Sommaruga tritt eine Bernerin zurück, die Partei stellt mit Alain Berset zudem einen Westschweizer Bundesrat. Dennoch dürfen sich auch Anwärterinnen aus der Romandie oder dem Tessin bewerben. «Es ist für uns absolut denkbar, dass zwei Romands die SP repräsentieren», sagte der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Eine andere Frage ist, ob die Bundesversammlung der lateinischen Schweiz eine Mehrheit in der Regierung zugestehen will. In dieser sitzen mit Guy Parmelin, Alain Berset und Ignazio Cassis bereits zwei Welsche und ein Tessiner.

Bis am 21. November können Interessierte ihre Kandidatur einreichen. Nach vier Hearings, an denen sich die Kandidatinnen ihren Parteikollegen und der Öffentlichkeit präsentieren, stellt die Bundeshausfraktion am 26. November ihre definitive Auswahl vor.

Bereits aus dem Rennen genommen haben sich Mattea Meyer, die ihre Aufgabe in den nächsten Jahren in der Parteileitung sieht, und Barbara Gysi, die sich auf ihre Kandidatur für einen St. Galler Sitz im Ständerat konzentrieren will. Als mögliche Kandidatinnen gelten:

Flavia Wasserfallen

Flavia Wasserfallen.

Flavia Wasserfallen.

Alessandro Della Valle / Keystone

Die Berner Nationalrätin wird schon länger als Nachfolgerin von Sommaruga gehandelt. Mit ihren 43 Jahren verfügt sie bereits über einen gut gefüllten politischen Rucksack. Gegen sie spricht, dass Albert Rösti, der Favorit für die Nachfolge von Ueli Maurer, ebenfalls aus dem Kanton Bern stammt.

Eva Herzog

Eva Herzog.

Eva Herzog.

Anthony Anex / Keystone

Die Baslerin verfügt eigentlich über das perfekte Profil. Sie hat langjährige Erfahrung als Regierungsrätin und kennt das Bundeshaus, wo sie seit 2019 als Ständerätin politisiert, bestens. Ein weiteres Argument könnte ihre Herkunft sein: Basel-Stadt hatte erst zwei Bundesräte und wartet seit 1973 auf einen Sitz in der Regierung. Doch ihr Handicap ist das Alter: Herzog wird im Dezember 61-jährig.

Evi Allemann

Evi Allemann.

Evi Allemann.

Peter Schneider / Keystone

Die 44-jährige Regierungsrätin führt in Bern seit 2018 die Direktion für Inneres und Justiz. Davor sammelte sie viel Erfahrung auf der nationalen Bühne. Ein Nachteil Allemanns ist jedoch, dass sie nach vier Jahren Abwesenheit im Bundeshaus nicht mehr gleich gut vernetzt ist wie einst. Und, wie bei Flavia Wasserfallen, ihre Berner Herkunft.

Rebecca Ruiz

Rebecca Ruiz.

Rebecca Ruiz.

Anthony Anex / Keystone

Von den SP-Exponentinnen in der Westschweiz wäre wohl am ehesten die Waadtländerin infrage gekommen. Die 40-Jährige ist mit der Bundespolitik vertraut, da sie von 2014 bis 2019 Nationalrätin war. Zudem verfügt sie als Waadtländer Staatsrätin über Exekutiverfahrung. Allerdings teilte Ruiz am Samstag (5. 11.) via Twitter mit, dass sie nicht kandidieren wolle und sich ganz auf ihr Amt als Gesundheitsdirektorin konzentrieren möchte.

Daniel Jositsch

Daniel Jositsch.

Daniel Jositsch.

Anthony Anex / Keystone

Die Bundesratsambitionen des 57-Jährigen sind kein Geheimnis. Der Rechtsprofessor ist ein Bundeshaus-Routinier: Nationalrat ab 2007, Ständerat seit 2015. Sein Problem ist aber sein Geschlecht. Die SP-Fraktion kann zwar noch diskutieren, ob tatsächlich zwei Frauen aufs Bundesratsticket sollen. Die Gleichstellungspartei SP wird sich jedoch kaum erlauben, mit zwei Männern in der Landesregierung vertreten zu sein.

Wer kandidiert für die SVP?

Sobald ein Bundesrat seinen Rücktritt ankündigt, beginnen die Hinterzimmerabsprachen. In der Regel halten sich potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten so lange wie möglich bedeckt. Häufig nominieren Kantonalparteien ihre Kandidaten zuhanden der nationalen Mutterpartei. Diese nominiert wiederum ihre offiziellen Kandidatinnen und Kandidaten. Seit den 1990er Jahren sind Zweiertickets die Regel. Dreiertickets sind selten, kommen aber vor.

Die SVP teilte mit, mit einer «integren führungsstarken Persönlichkeit» antreten zu wollen, die sich mit den Kernthemen der Partei identifiziere. Kriterien seien zudem ein «entsprechender Bekanntheitsgrad und ein guter Leumund». Letzteres werde über eine Selbstdeklaration und einen aktuellen Betreibungs- sowie Strafregisterauszug sichergestellt. Bis zum Ende der SVP-Frist haben sich folgende Kandidaten ins Spiel gebracht:

Werner Salzmann

Werner Salzmann.

Werner Salzmann.

Peter Schneider / Keystone

Der Berner Ständerat stieg als Erster ins Rennen um die Nachfolge von Ueli Maurer ein. Er habe das Anforderungsprofil studiert und sei zu dem Schluss gekommen, dass er es erfülle, sagte Salzmann am 7. Oktober. Salzmann ist ausgebildeter Landwirt und Ingenieur Agronom FH. Von 2012 bis 2019 amtete er als Präsident der SVP Kanton Bern, 2015 wurde er in den Nationalrat und 2019 in den Ständerat gewählt, wo er die Sicherheitskommission präsidiert. Salzmann in Röstis Wunden – oder: Wer wird der neue Bundesrat der SVP?

Albert Rösti

Albert Rösti.

Albert Rösti.

Urs Flüeler / Keystone

Der Berner Nationalrat gab seine Kandidatur erst nach zehn Tagen Bedenkzeit bekannt. Rösti ist promovierter Agronom und Gemeindepräsident von Uetendorf bei Thun. Seit 2011 sitzt er im Nationalrat, von 2016 bis 2020 war er Präsident der SVP Schweiz. Rösti präsentiert sich als 360-Grad-Kandidat. Widerstände sind kaum in Sicht, er geniesst hohe Sympathiewerte bei den anderen Fraktionen, die ihn wählen müssten. Anstandslos anständig: Die Bundesratskandidatur von Albert Rösti verspricht ein langweiliges Rennen

Heinz Tännler

Heinz Tännler.

Heinz Tännler.

Urs Flüeler / Keystone

Der Zuger Regierungsrat gab Mitte Oktober in den CH-Media-Zeitungen seine Kandidatur für den Bundesrat bekannt. Es war die erste Kandidatur, die nicht aus Bern stammte. Heinz Tännler ist ein Kandidat der anderen Art: kein Parlamentarier, kein Parteisoldat im engeren Sinn und erst recht keiner, der als netter Landesvater wahrgenommen werden will. Seine Wahlchancen als Bundesrat sind eher gering. Er ist keiner der Netten: Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler will Bundesrat werden

Michèle Blöchliger

Michele Blöchliger.

Michele Blöchliger.

Urs Flüeler / Keystone

Die Nidwaldner Finanzdirektorin ist nach wie vor die einzige Frau im Kandidatenkarussell. Sie wurde als Hoffnungsträgerin für die SVP-Frauen gefeiert, doch der Lack war schnell wieder ab: In der Pressekonferenz verneinte sie auf eine Nachfrage, neben der Schweizer auch die britische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Später stellte sich heraus, dass das gelogen war. Die SVP steht Doppelbürgern wegen vermeintlicher Loyalitätskonflikte kritisch gegenüber. Bundesratskandidatinnen auf dünnem Eis – Michèle Blöchliger ist nicht die erste, die über eine heikle Aussage stolpert

Hans-Ueli Vogt

Hans-Ueli Vogt.

Hans-Ueli Vogt.

Ennio Leanza / Keystone

Mit seiner Kandidatur sorgte der Zürcher Rechtsprofessor für eine grosse Überraschung. Denn der 52-Jährige hatte sich eigentlich hochoffiziell aus der Politik zurückgezogen, per Ende 2021 gab er sein Nationalratsmandat auf. Nach vier Jahren Kantonsrat, sechs Jahren Nationalrat und einer gescheiterten Ständeratskandidatur hatte er offenbar vorerst mit der Politik abgeschlossen – und legt nun ein Comeback hin. Der widersprüchliche Herr Professor Vogt greift nach dem wichtigsten Job der Schweizer Politik

Warum werden die Grünen keinen der beiden Sitze bekommen?

Trotz den Verlusten bei den eidgenössischen Wahlen 2019 ist die SVP mit einem Wähleranteil von 25,6 Prozent nach wie vor stärkste Kraft im Parlament. Nach dem Wahlerfolg vor drei Jahren erheben die Grünen Anspruch auf einen Bundesratssitz. Entsprechend spielte die Partei ernsthaft mit der Idee einer Kampfkandidatur. Dabei war von Anfang an klar, dass der Angriff scheitern muss, weil der Anspruch der SVP auf zwei Sitze im Bundesrat praktisch unbestritten ist.

Am 18. Oktober hat sich die Partei nach dreiwöchiger Bedenkzeit dann in einer ausserordentlichen Sitzung entschieden, keinen Kandidaten für die Nachfolge von Ueli Maurer aufzustellen. «Wir wollen keine Energie in einen Kampf verschwenden, in dem die Entscheidung bereits getroffen ist», so begründete die Fraktionschefin Aline Trede die Entscheidung.

Keinen grünen Bundesratskandidaten. Der Parteipräsident Balthasar Glättli mit der grünen Nationalrätin Aline Trede bei einer Medienkonferenz.

Keinen grünen Bundesratskandidaten. Der Parteipräsident Balthasar Glättli mit der grünen Nationalrätin Aline Trede bei einer Medienkonferenz.

Peter Schneider / Keystone

Nach dem Rücktritt der SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga brauchten die Grünen keinerlei Bedenkzeit. Sie legten sich in Windeseile fest: Eine Kampfkandidatur gegen die SP ist kein Thema. Die Grünen verzichten sogar darauf, noch eine Zeitlang zu pokern, die SP zappeln zu lassen, um ihr das eine oder andere Zugeständnis abzuringen. Vom «Machtkartell» war keine Rede mehr.

Die Partei will nun die Wahlen im Herbst 2023 abwarten, um zu entscheiden, ob sie bei den Gesamterneuerungswahlen im Dezember eine Kandidatur stellen will. Zum Artikel

Wann werden die freien Bundesratssitze besetzt?

Die Nachfolger von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga werden am 7. Dezember von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt. Bis zum 11. November will die Findungskommission der SVP ihrer Fraktion eine Auswahl aus den fünf Bewerbern vorschlagen. Am 18. November will die Fraktion schliesslich das definitive Ticket für die Wahl präsentieren.

Die SP ihrerseits hat nun die Suche für eine Nachfolgerin gestartet. Für die Partei drängt die Zeit. Die Parteileitung schlägt ihrer Fraktion vor, ein Ticket mit zwei Frauen zu nominieren. Die Interessentinnen haben bis am 21. November Zeit, sich zu melden. Die Findungskommission, deren Zusammensetzung noch offen ist, entscheidet bis am 24. November, wen sie für das Ticket vorschlägt. Den Entscheid über die Nomination fällt die Fraktion am 26. November.

Wie ist die Zusammensetzung des Bundesrats geregelt?

In der mehrsprachigen, föderalistischen Schweiz spielt die Zusammensetzung des Bundesrats eine zentrale Rolle. Das Parlament achtet deshalb auf eine angemessene Vertretung der Sprachregionen, der Kantone und der Geschlechter. In den Anfängen des Bundesstaates schrieb die Bundesverfassung vor, dass jeder Kanton höchstens einen Bundesrat stellen darf. Damit sollte eine Dominanz der grossen Kantone verhindert werden. Seit 1999 ist die Regel in der Verfassung offener formuliert: Es «ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind».

Kantone und Sprachregion spielen bei der Zusammensetzung der Landesregierung eine wichtige Rolle.

Kantone und Sprachregion spielen bei der Zusammensetzung der Landesregierung eine wichtige Rolle.

Peter Klaunzer / Keystone

Nach wie vor gibt es Kantone, die noch nie einen Bundesrat gestellt haben (Schaffhausen, Uri, Schwyz, Nidwalden und Jura). Die französische Schweiz war seit 1848 immer im Bundesrat vertreten, nicht aber die italienischsprachige. Nach dem Rücktritt von Flavio Cotti (CVP) im Jahr 1999 dauerte es 18 Jahre, bis das Tessin mit Ignazio Cassis (FDP) wieder einen Sitz in der Landesregierung erhielt.

Wer kann sich zur Wahl aufstellen?

Wählbar sind alle Schweizerinnen und Schweizer, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht «wegen Geistes­krankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind», wie es in der Bundesverfassung (Art. 136) heisst. Ein politisches Amt ist nicht Voraussetzung. Wer sich zur Wahl stellen will, muss lediglich seine Kandidatur einreichen. Bei Ersatzwahlen gibt es denn auch häufig mehrere Dutzend wilde Bewerbungen.

Ab dem dritten Wahlgang sind keine weiteren Kandidaturen mehr zulässig. Wer im zweiten oder in einem der folgenden Wahlgänge weniger als zehn Stimmen erhält, scheidet aus. Von da an scheidet jeweils jene Person aus, die am wenigsten Stimmen erhält.

Wenn es mehrere freie Sitze gibt, erfolgt die Wahl nach der Amtsdauer des bisherigen Amtsinhabers. Demnach wird zuerst der Sitz von Ueli Maurer neu besetzt, danach folgt die Neubesetzung des Sitzes von Simonetta Sommaruga.

Departements-Rochade: Wer übernimmt das Schlüsseldepartement Uvek?

Die SVP und die SP können die beiden frei werdenden Sitze voraussichtlich kampflos neu besetzen. Spannender wird jedoch die anschliessende Aufgabenverteilung im neuen Bundesrat. Mit Maurers und Sommarugas Rücktritt werden die beiden Schlüsseldepartemente Finanzen und Umwelt frei. Letzteres zählt nicht erst seit der Energiekrise zu den grössten, wichtigsten und begehrtesten Abteilungen der Verwaltung.

Dass die SVP oder zumindest eine andere bürgerliche Partei das Finanzdepartement führen will, gilt als wahrscheinlich. Und aus links-grüner Perspektive ist in der gegenwärtigen Energie- und Klimakrise anzunehmen, dass die SP das Umwelt-, Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsdepartement (Uvek) auch künftig gerne leiten würde.

Bundesrätin Viola Amherd, zusammen mit dem Chef der Armee, Thomas Süssli, links. Als neustes Mitglied der Landesregierung musste sie damals das VBS übernehmen. Gibt sie das Departement bei einer Rochade ab?

Bundesrätin Viola Amherd, zusammen mit dem Chef der Armee, Thomas Süssli, links. Als neustes Mitglied der Landesregierung musste sie damals das VBS übernehmen. Gibt sie das Departement bei einer Rochade ab?

Alessandro Della Valle / Keystone

Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass einer der beiden neuen Bundesräte zum Zug kommt. Denn: Bei der Departementsverteilung dürfen die amtsältesten Bundesräte als erste ihre Wünsche kundtun. Dazu gibt es verschiedene Szenarien. Im Fall einer grossen Rochade könnten abgesehen von Wirtschaftsminister Guy Parmelin alle amtierenden Bundesräte das Departement wechseln. Oft zu hören war in der Vergangenheit bereits von der Idee eines Doppelwechsels: Der FDP-Bundesrat Ignazio Cassis übernähme dabei das Innen- und der SP-Bundesrat Alain Berset das Aussendepartement. Denkbar ist aber auch eine kleinere Rochade, bei der Viola Amherd und Karin Keller-Sutter in die frei werdenden Departemente wechselten.

Und so müssten die zwei Neuen traditionsgemäss die offenkundig unbeliebtesten Jobs übernehmen: Verteidigung und Justiz.


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