Bin ich eine schwarze Autorin?

Seit ich zu schreiben begonnen habe, habe ich mich selbst in der Welt nie mehr auf die gleiche Weise gesehen wie zuvor. Ich habe mich nie wieder dafür geschämt, zu sein, wer ich bin.

«Ich musste meine Hautfarbe bergen, wie man ein vor langer Zeit versenktes Schiff birgt», sagt die portugiesische Schriftstellerin Djaimilia Pereira de Almeida.

Ennio Leanza / Keystone

Ich habe über Privilegien nachgedacht, über ihre Natur, über die Natur der Ungleichheiten, die unsere Erfahrung der Welt strukturieren und formen. In diesen Tagen frage ich mich: Was ist mein grösstes Privileg?

Mein grösstes Privileg besteht darin, im Jahr 1982 geboren worden zu sein. Es ist weder die Bildung, die ich genossen habe, noch der Umstand, dass meine Familie mich geliebt und beschützt hat, und auch nicht der Umstand, eine Wohnung oder Zugang zur Gesundheitsversorgung zu besitzen. Mein grösstes Privileg ist das Datum meiner Geburt. Ich wäge jedes Wort ab. Wäre ich siebzig Jahre früher zur Welt gekommen, es hätte keinen Platz für diesen Text oder irgendeines meiner Bücher gegeben. Wäre ich eine schwarze Frau aus der Generation meiner Grossmutter oder auch nur aus der Generation meiner Mutter, mein Schicksal wäre ein anderes gewesen.

Lange Zeit habe ich gedacht, dass ich schreibe, um mein Leben nicht zu vergeuden. Ich lebe nicht vom Schreiben, aber Schreiben ist, was ich bin. Ich würde sterben, wenn ich nicht schreiben könnte, und mein Leben wäre eine Qual, wenn ich daran gehindert würde oder wenn ich niemanden fände, der mich liest. Wenn ich nicht schreiben könnte – und ich wäge jedes Wort ab –, würde ich in Trauer verfallen, und höchstwahrscheinlich würde ich verrückt werden. Wäre ich siebzig, achtzig oder vielleicht auch nur fünfzig Jahre früher geboren worden und hätte die gleiche Neigung, mein Schicksal hätte mit etwas Glück in der Küche, dem Besen, der Arbeit auf dem Feld bestanden.

Mein grösstes Privileg ist diese Zeit, meine Zeit. Nie zuvor in der Geschichte konnte eine Frau wie ich ein ähnliches Leben anstreben wie das Leben, das ich führe. Hätte sich irgendjemand dafür interessiert, was eine schwarze Frau, eine «preta», dachte oder sich vorstellte, was sie sah oder fühlte? Hätte sich irgendjemand für eine «preta» mit Hang zum Schreiben interessiert? Hätte sich zur Zeit meiner Grossmutter, meiner Urgrossmutter, selbst meiner Mutter irgendjemand ernsthaft für eine «preta» interessiert? Dies ist die schlimmste aller Zeiten. Und es ist auch die beste.

Gibt es so etwas wie eine schwarze Schriftstellerin? Bin ich eine? Ist das eine erstrebenswerte Charakterisierung oder eine Deformierung? Rettung oder ein vergiftetes Geschenk? Man sollte bei keinem Buch, bei keiner Zeile vergessen, dass es noch vor wenigen Jahrzehnten unmöglich gewesen wäre, so zu leben, wie ich es tue. Das Besondere daran, heute eine schwarze Schriftstellerin zu sein, liegt darin begründet, dass ich mir heute beim Schreiben dieser Tatsache bewusst bin, was auf keine meiner weissen Zeitgenossinnen zutrifft.

Wären sie in früheren Zeiten arm gewesen, sie wären gleichermassen von unserem gemeinsamen Schicksal abgeschnitten gewesen. Aber sie wären von ihrem Schicksal nicht so weit entfernt gewesen wie ich von meinem. Ihnen wäre ein Bewusstsein ihrer selbst nicht auf die gleiche Weise verboten gewesen. Sie selbst wären nicht als eine Widerrechtlichkeit in dem Sinne angesehen worden, wie ich es gewesen wäre.

Das Glück mit dem Papier

Ich lebe in einer Zeit, in der man «schwarze Schriftstellerin» sagt. Nur in dieser Zeit kann mein Lebensentwurf, kann das Leben, das mich gewählt hat, mein Leben sein. Nur in dieser Zeit kann ich mich ausdrücken. Wäre ich meine Grossmutter, meine Urgrossmutter, ich würde meine quälenden Gedanken in unruhigen Träumen ersticken. Wäre ich meine Ururgrossmutter, eine «preta» mit hartem Kraushaar, mein Schicksal wäre die Peitsche gewesen. Heute eine schwarze Schriftstellerin, eine Frau in dieser Zeit zu sein, heisst für mich, gegen diese Tatsache anzuschreiben, sie auf dem Rücken zu schleppen, ohne mich davon lähmen zu lassen.

Es heisst, auf jeder Seite die kosmische, willkürliche Freude darüber anzunehmen und mir zu verdienen, als diejenige geboren worden zu sein, die ich erst jetzt bin. Die Verantwortung, die aus dieser Freude herrührt, wird auf dem Papier ausgetragen. Meiner Verantwortung gerecht zu werden, heisst, dem Platz auf dem Papier gerecht zu werden. Das Blatt Papier ist es, was meiner Grossmutter, meiner Urgrossmutter, meiner Mutter, den Frauen in meinem Leben verwehrt war. Das Blatt Papier wäre auch mir verwehrt worden, wäre ich nicht 1982 geboren.

Mein Vater wollte nicht, dass ich mich als Schwarze bezeichnete. Es war ein sichtliches Unbehagen in ihm, wenn er mich das sagen hörte. Vielleicht, so denke ich jetzt, hatte er das Gefühl, ich würde durch die Annahme meiner selbst als Schwarze seinen Teil in mir, den weissen, verleugnen. Sein ganzes Leben lang hat er meine Hautfarbe als unwichtig behandelt, als etwas, das nicht ins Auge sprang und das keinen Unterschied zwischen uns darstellte. Er sagte dann zu mir: «Schwarz? Du bist genauso schwarz, wie du weiss bist», und wollte damit bestreiten, was für alle ausser ihm offensichtlich war.

Mein Vater hat mich als kleines Mädchen mit nach Portugal genommen. Dieses gewaltsame Herausreissen mitsamt den Wurzeln hat mich geformt und erklärt, was ich bin, auch wenn ich nicht weiss, was ich bin. Jahrelang habe ich in der Vorstellung gelebt, dass dieser Umstand eine Verurteilung sei, die mich für immer allen Glückes berauben würde. Inzwischen habe ich mich jedoch an die Entfernung gewöhnt und daraus meine Stärke gemacht.

Ich bin heute weit davon entfernt, die Sehnsucht nach meiner Mutter und nach meinem Heimatland zu beweinen. Weit davon entfernt, von dieser Sehnsucht zermartert und vernichtet zu werden. Aber ich beuge mich darüber, wie jemand, der etwas ganz Konkretes untersucht, das alles erklärt und doch geheimnisvoll bleibt. In mir trage ich den Kern dieses Geheimnisses, weil ich nicht weiss, inwieweit es mich zu dem gemacht hat, was ich bin, ebenso wie ich in mir das Geheimnis um meine Mutter trage.

Das Geheimnis meiner Hautfarbe

Jetzt, wo ich meinen Vater verloren habe, frage ich mich, wer meine Mutter eines Tages sein wird, wenn sie stirbt, wie diese Entfernung betrauert werden kann, wie man leben kann, wenn sie nicht mehr da ist, wie ich es tun werde, wie das gehen soll. Der Tod meines Vaters lässt mich bei dem Gedanken an den Tod meiner Mutter in Panik geraten. Und die Sehnsucht stellt mir die grausamste aller Fragen: Wie wäre das Leben verlaufen, wenn mein Vater mich nicht nach Portugal mitgenommen hätte?

Er hat die Tatsache, dass ich schwarz bin, immer wie ein Geheimnis behandelt, das er mir verschwiegen hat. Ich glaube, dass er mich so vor Rassismus zu schützen vermeinte. «Wenn ich ihr nicht sage, dass sie schwarz ist, merkt sie es vielleicht nicht, vielleicht merkt es niemand», schien er zu denken, so seltsam und absurd das auch klingen mag. Ich bin bei anderen Frauen aufgewachsen, die mich gelehrt haben, eine Frau zu sein. Aber von keiner dieser weissen Frauen habe ich gelernt, eine schwarze Frau auf dieser Welt zu sein. Keine von ihnen hat mir beigebracht, mich vor der Welt so zu schützen, wie eine schwarze Frau sich schützen muss.

Erst nachdem ich mein erstes Buch veröffentlicht hatte, hörte meine Hautfarbe auf, bei uns zu Hause ein Tabu zu sein. Ich erwachte für die Welt jenseits unserer vier Wände, so fremd sie auch sein mochte, und in dieser für meinen Vater neuen Welt schien niemand daran zu zweifeln, dass ich schwarz war. Jenseits unserer vier Wände war das Geheimnis, das mein Vater vor mir verborgen zu haben glaubte, für alle offensichtlich. Er schien darüber gekränkt zu sein. Es störte ihn, dass man mich als Afrikanerin ansah, dass ich mich als schwarze Schriftstellerin ansah oder zumindest als solche wahrgenommen wurde. Vielleicht dachte er, dass auch andere Menschen auf der Welt mich so sahen, wie er mich bisher gesehen hatte, nämlich braun und halb weiss. Vielleicht hat er nie begriffen, hat es sich nur vorgestellt und lediglich vermutet, dass mich ausserhalb unserer vier Wände in Wirklichkeit alle mein ganzes Leben lang immer als das gesehen haben, was ich bin.

Ich habe meinem Vater nie erklärt, wie ich mit der Zeit gelernt habe, was es heisst, in Portugal eine Frau mit meiner Hautfarbe zu sein. Ich habe auf diesem schmerzhaften Weg nie auf ihn gezählt. Rassismus wurde bei uns zu Hause nie offen angesprochen. Ich habe ihm nie erklärt, warum ich insgeheim mit ihm grollte, weil meine Haut von ihm wie ein Geheimnis behandelt wurde. Ich habe ihm nie erklärt, wie dieses Geheimnis mich mein ganzes Leben lang geknebelt hat. Und ich habe ihm auch nicht erklärt, wie mich die Maske gequält hat, die zu tragen man mich gelehrt hat, indem ich zu Hause nicht ich selbst sein durfte und nicht als die behandelt wurde, die ich bin; damit haben sie den Rassismus zu Hause zugelassen. Ich habe immer unter Weissen gelebt.

Was mich bewegt

rbl. · Mit diesem Text der portugiesischen Schriftstellerin Djaimilia Pereira de Almeida nehmen wir unsere Reihe wieder auf, in der jüngere Stimmen aus der internationalen Literaturszene zu Wort kommen. Die Aufgabe ist so anspruchsvoll wie einfach: Wir bitten die Autorinnen und Autoren, über ein Phänomen zu schreiben, das sie bewegt und geprägt hat oder das sich ihrem Werk auf besondere Weise eingeschrieben hat.

Djaimilia Pereira de Almeida wurde 1982 in Luanda, Angola, geboren und wuchs bei ihrem Vater in Portugal auf. Heute lebt sie in Lissabon. Sie studierte Literaturtheorie und promovierte an der Universität Lissabon. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und dafür diverse Auszeichnungen erhalten. In diesem Frühjahr ist in deutscher Übersetzung der Roman «Im Auge der Pflanzen» erschienen (Unionsverlag, Zürich). Djaimilia Pereira de Almeida weilt noch bis Mitte Juni auf Einladung des Literaturhauses Zürich und der Stiftung PWG als Writer in Residence in Zürich.

Am nächsten Samstag erscheint an dieser Stelle ein Text der bosnischen Schriftstellerin Lana Bastašić.

An einer Wand lese ich: «Keine Wut zu empfinden, ist ein Privileg.» Ich bin noch nie wütend gewesen auf die Menschen, die mich verletzt haben. Das ist kein Privileg. Das ist mein Naturell. In meinen Träumen beleidige ich sie, bis mir die Zunge anschwillt, so sehr, dass sie nicht mehr in meinen Mund passt. Das ist meine Heldin: eine wütende Djaimilia, deren Zunge grösser ist als ihr Kopf, als ihr Körper. Ein Mädchen mit einer Riesenzunge, einer Monsterzunge, einer Tornadozunge, einer portugiesischen Zunge.

Die Vorstellung, eine schwarze Mutter hätte mir beigebracht, in meiner Haut zu leben, mag kindlich sein. Ich mag diese Hoffnung. Ich stelle mir vor, dass ich, wenn ich die Mutter eines schwarzen Mädchens oder Jungen wäre, ihnen von Kindheit an beibringen würde, sich vor der Welt und vor anderen zu schützen. Mir ist eine solche Initiation nicht zuteilgeworden. Ich habe mich in meiner Haut durch das Schreiben gefunden. Beim Schreiben habe ich mich als Schwarze begriffen. Ich bin über das Geheimnis hinausgewachsen und mit mir selbst ins Reine gekommen. Auch wenn ich mich weigere, eine schwarze Schriftstellerin zu sein, sofern dies bedeutet, einer Art exotischer Untergruppe innerhalb der Schriftsteller der Welt anzugehören, so bin ich doch stolz darauf, eine schwarze Frau zu sein, die schreibt. Das Schreiben hat mir einen Platz in meiner Haut gegeben. Sie ist die schwarze Mutter, die ich nicht hatte. Es sind meine Bücher, die mich in der Welt beschützen. Ich bin eine schwarze Frau in Büchern. Sie sind mein Schutz vor der Welt.

Ich schreibe, was ich bin

Vom vielen Schreiben ist meine Négritude, mein Schwarzsein, zu einem Reden fern der Dinge geworden. Mein Schwarzsein ist ein gedankliches Drama, kein Strassenfest, keine Samstagpartynacht. Schwarz bin ich in meinem Zimmer geworden. Schwarz durch Introspektion zu sein, ist das Schicksal eines Waisenkindes. Mich dauert dieses Schicksal, und doch ist es mein eigenes. Ich musste meine Hautfarbe bergen, wie man ein vor langer Zeit versenktes Schiff birgt. Mir einen Modus zu erobern, mich als schwarze Frau zu bezeichnen, hat mich beinahe besiegt.

Heute bin ich eine schwarze Frau, die schreibt, eine Frau, die schreibt, und damit meine ich, dass ich jemand bin, der schreibend das sagt, was er ist. Ich schreibe, was ich bin, und schwarz zu sein, ist ein wesentlicher Bestandteil davon. Ich musste mich erst vor der leeren Seite wiederfinden, um zu begreifen, dass die Welt, die ich sehe, und die Art und Weise, wie die Welt mich sieht, bestimmen, was ich mir vorstelle, ganz gleich, was ich sage oder tue, ganz gleich, wie sehr mein Vater es sich wünscht.

Auf der Strasse bin ich bei jedem Schritt eine schwarze Frau. Ich bin eine schwarze Frau, wenn ich Angst habe, Hand in Hand mit meinem weissen Ehemann irgendwo in Europa über eine Strasse zu gehen, so oft sind wir schon schräg angeschaut oder beleidigt worden. Ich bin in meinem Stadtviertel, wo auch immer das sein mag, eine schwarze Frau. In dem Gebäude, in dem ich wohne. In meiner Gemeinde. In meiner Stadt. Im Krankenhaus. In der Bank. In der Eisenbahn. In der Metro. Im Bus. In der Kneipe. In dem schicken Restaurant. Ich bin eine schwarze Frau, die an jedem Flughafen durch die Sicherheitskontrolle des Zolls muss.

Meine Haut kann mich anlügen. Ich kann meine Haut nicht anlügen. Meine Haut kann taub sein. Ich kann ihr die Antwort nicht verweigern. Ich schreibe vermittelt durch sie, sie ist in allem, was ich sage, wie sublimiert auch immer es sein mag. Ich denke vermittelt durch sie, aber das macht aus meinen Gedanken keine schwarzen Gedanken. Es macht daraus meine Gedanken. Die Gedanken der Frau, die in meinem Namen schreibt. Meinem Vater, mir und allen anderen zu erklären, was es bedeutet, eine schwarze Frau zu sein, die schreibt, würde Zeit brauchen. Ich bin schwarz, und ich schreibe, was ich bin. Aber gibt es das? Eine persönliche Sichtweise, die sich nach diesem Kriterium bestimmen liesse?

Die Welt, in der wir leben, scheint das zu meinen. Die eine Seite sagt mir, dass den Vertretern dieser Kategorie eine gesellschaftliche Rolle zukommt, die in gewisser Weise über das eigentliche Handwerk des Schreibens hinausgeht. Diese Seite erwartet von der Schriftstellerin, dass sie Position bezieht, Grundsatzerklärungen abgibt, eine klare Haltung zu den Fragen unserer Zeit einnimmt. Von der anderen Seite wird mir gesagt, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Schriftstellerin schwarz ist oder nicht, sondern dass diese Kategorisierung einer Mode entspringt, einem kommerziellen Trend, einem Marktobjekt.

Die Seiten bekämpfen sich. Wie werde ich gesehen von der einen und der anderen Seite? Die einen werden mich als Produkt sehen. Andere als Instrument für eine Sache. Wieder andere als schwaches Beispiel für dieselbe Sache. Noch andere werden meine Bücher lesen. Die Mehrheit wird sie ignorieren. Ich glaube nicht, dass es eine schwarze Phantasie gibt, eine Phantasie, die für schwarze Autoren charakteristisch ist.

Ich glaube auch nicht, dass (in der Phantasie) alles politisch ist, genauso wenig wie ich glaube, dass unsere nächtlichen Träume politisch sind. Und dennoch bin ich schwarz und schreibe, was ich bin, wer ich bin. Ich schreibe Bücher. Ich denke Bücher. Es ist das gleiche Handwerk. Wenn meine Bücher nicht besser sein können als ich, dann können sie auch nicht nicht von der Farbe meiner Haut sein.

Ist Schreiben eine Nebensache?

Spricht die schwarze Schriftstellerin für sich selbst oder für andere? Hat sie über ihre Bücher hinaus eine politische Mission, oder ist sie nur die Herrin dessen, was sie schreibt? Wird ihr von irgendjemandem zugestanden, unsicher, versonnen, gedankenversunken, unleidlich zu sein, einen schlechten Charakter zu haben? Oder wird von ihr erwartet, eine Heroldin, eine Standartenträgerin, eine aktive Stimme zu sein? Die Schwarzen fordern Kühnheit von ihr, eine Position.

Die Weissen haben Besseres zu tun, haben dafür keine Geduld, tun sie als trojanisches Pferd oder unbequeme Aktivistin ab. Die einen canceln sie, andere misstrauen ihr, die einen pfeifen sie aus, andere applaudieren ihr. Was wollen sie von ihr? Steht die Schriftstellerin im Dienst der Wut, des Masochismus, des kollektiven Gedächtnisses, des Antirassismus, der Geschichtsklitterung, des Schuldgefühls, der Aussenpolitik, des Sadismus, des Hasses, der Diplomatie, der Buchbranche, der Verlagsprogramme, des Rechtschreibabkommens, der Ökologie, des Klimawandels, des Higgs-Teilchens, ist sie vielleicht irgendjemandes Eigentum? Dann möge doch bitte der Besitzer der schwarzen Schriftstellerin vorstellig werden. Er kann kommen und seine Ware abholen.

Ist die schwarze Schriftstellerin par excellence die Prophetin unserer Zeit, ein Digestif, ein Bonbongeschenk des Zahnarztes oder die drei Ave-Maria am Ende der Beichte? Auf der anderen Seite wird erwartet, dass sie die Fahne trägt. Aber wen interessiert schon, was die schwarze Schriftstellerin schreibt? Welches ist schliesslich ihr Land? Interessiert sich irgendjemand auf einer der beiden Seiten für Worte? Oder sind Worte das geringste Problem der schwarzen Schriftstellerin? Gibt es in unserer Welt unter den schwarzen Schriftstellerinnen irgendeine, die ihren Raum für sich beansprucht? Einen Platz? Zeit?

Wird uns gestattet zu schreiben, oder ist das Schreiben eine Nebensache? Ist die schwarze Schriftstellerin eine Schriftstellerin, ist sie als solche für irgendjemanden von Interesse, hat sie, wenn sie sich als Schriftstellerin bekennt, irgendeinen Tauschwert, oder ist sie nur wegen ihrer Lebensgeschichte von Interesse, als vorbildliche Bürgerin, als Aufhänger, als hübsches Gesicht, als Objekt, als Symbol ihrer Zeit, als nichts? So weicht man schnell von der Literatur ab.

Das Privileg hat seinen Preis

Wenn es ein Privileg unserer Zeit ist, dass eine Schwarze Schriftstellerin sein kann, dann ist sie tatsächlich nur teilweise in die Diskussion darüber mit einbezogen worden. Nur vordergründig leben wir in einer Zeit, die für schwarze Schriftstellerinnen förderlich ist. Unsere Zeit unterscheidet sich nur oberflächlich von der Zeit meiner Grossmutter. So gut unsere Zeit auch sein mag, ich bin mir nicht sicher, ob es heute viele Leserinnen und Leser gibt, die sich für das interessieren, was eine schwarze Schriftstellerin schreibt.

Es gibt ein Interesse für die schwarze Schriftstellerin, wie es schon ein Interesse für Zimt, Avocado, die Telenovela, Futurismus, Joghurtbereiter, indischen Safran, Kampflieder gegeben hat. Für das, was sie schreibt, gibt es vielleicht noch immer wenig Interesse.

Auch wenn es ein Privileg ist, Zeit für die Beantwortung der Frage zu haben, was es bedeutet, auf dieser Welt eine schwarze Frau zu sein – anders als die vielen schwarzen Frauen in meiner Welt, die nie Zeit hatten, ausser um zu arbeiten –, das Privileg, schwarz zu sein und zu schreiben, hat seinen Preis. Die Bücher haben mich rechtzeitig zu meiner Haut geführt und die Truhe mit den Geheimnissen aufgebrochen. Seit ich zu schreiben begonnen habe, habe ich die Welt und mich selbst in der Welt nie mehr auf die gleiche Weise gesehen wie zuvor. Ich habe mich nie wieder gehasst. Ich habe mich nie wieder dafür geschämt, zu sein, wer ich bin.

Die Bücher haben Frieden in mein Dasein und in das Leben meiner Haut gebracht, bis sie Teil des Problems wurden. Sie haben die Frage meiner Haut weiter gefasst, haben sie nicht ghettoisiert. Sie haben das Geheimnis offengelegt und es mir auf bittersüsse Weise indirekt zurückgegeben. Sie haben mich daran erinnert, wer ich bin, und für die anderen die Frage, wer ich bin, offengelassen. Sie haben mich aus den vier Wänden meines Zuhauses hinaus- und wieder zurückgeführt. Vom Geheimnis meines Vaters bis zu dem Geheimnis, auf das ich nie eine Antwort zu erfahren erwarte. Mein Schwarzsein, meine Négritude, ist kein festes Land, kein sicherer Hafen. Sie spielt sich auf dem Blatt Papier ab – einem verminten Feld.

Aus dem Portugiesischen übersetzt von Barbara Mesquita.

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