Christian Gerhaher/Gerold Huber Rezension – Lieder der existenziellen Krise mit Subtilität und Knurren vorgetragen | Klassische Musik

YSie könnten argumentieren, dass der Wahnsinn im Liedrepertoire des 19. Jahrhunderts nie weit entfernt ist, in dem Bariton Christian Gerhard und Pianist Gerhard Huber haben sich einen so beachtlichen Ruf erarbeitet. Dieses Programm, das vom 19. bis zum 21. Jahrhundert reichte, stellte jedoch die Idee des Wahnsinns fest in den Mittelpunkt.

Fast alle Worte, die Gerhaher sang, stammten von Nikolaus Lenau, dem österreichischen Dichter, der 1850 in einer Anstalt starb. Aber wir hörten zuerst kurze Worte von Georg Trakl, gesprochen von Gerhaher, um Elis vorzustellen, drei davon inspirierte kurze Klavierstücke von Heinz Holliger kriegsgeschädigter Dichter. Diese flüchtigen Werke brachen uns sanft in Holligers kompromisslose, aber zarte und oft bildhafte Klangwelt, Hubers Hände schossen von einem Ende der Tastatur zum anderen und griffen gelegentlich in den Korpus des Klaviers, um die Saiten direkt zum Schwingen zu bringen.

Fast alle Worte, die Gerhaher tatsächlich sang, stammten jedoch von Lenau. In seinem Liederzyklus Lunea von 2010, einem Werk, das er später in eine Oper umwandelte, vertonte Holliger 23 epigrammatische Sätze, die Lenau während seiner Zeit in der Anstalt gekritzelt hatte. Zusammengenommen lesen sich diese wie Bonmots aus The Little Book of Existential Distress – „Die Zeit verächtlich bürstet deinen Staub von ihren Füßen“, lautet einer, den ich genauso gut zufällig ausgewählt haben könnte – und doch inspirierten sie Holliger zu einem Schreiben, das Prägnanz mit enorm verbindet emotionale und musikalische Bandbreite. Die Songs wurden für Gerhaher geschrieben, und man merkte: Sie passten von oben bis unten perfekt zu seiner Stimme, und das Klavier unterstützte seine Wildheit, anstatt sie zu überschatten.

Zum Club der von Lenau inspirierten Komponisten gehören zwei nahe Zeitgenossen, die sein Syphilis-Schicksal teilten: Hugo Wolf, dessen Abendbilder Lunea hier vorausgingen, und Robert Schumann. Von letzterem hörten wir die vier Husarenlieder, die mit gerade genug Macho-Knurren vorgetragen wurden, und das Op. 90 Lenau-Vertonungen, von denen Meine Rose zurückhaltend und beschwingt klang und Die Sennin Gerhahers Stimme oben luftig aufgehen ließ. Dazwischen sechs Lenau-Lieder aus Othmar Schoecks 1922 vollendetem Zyklus Elegie. Sie sind schlicht, sparsam und lyrisch, bei Gerhaher volkstümlich und fast gedämpft. Sie waren das perfekte Gegengewicht der Holliger.

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