Das große Ganze: Nachkriegsträume von kindlicher Freiheit | Fotografie

Tie deutsche Fotografin Ursula Schulz-Dornburg machte dieses Bild 1969 auf einem Abenteuerspielplatz namens Jongensland („Boysland“) in Amsterdam. Das kurz nach dem Krieg entstandene Gelände war nur über eine Kanalüberquerung mit einem Boot zu erreichen. Darin wurden Kinder – Jungen und Mädchen, trotz des Namens – ermutigt oder frei, Tage voller Abenteuer zu gestalten, Lagerfeuer zu bauen und Bauschuttmaterialien zu verwenden, um Höhlen und Schuppen zusammenzubauen.

Als sie Jongensland entdeckte, hatte Schulz-Dornburg zuletzt an einem Projekt mit jungen Heroinsüchtigen in ihrem Wohnort Düsseldorf gearbeitet. Sie spürte instinktiv, dass die Kinder in Amsterdam die Rohstoffe für eine konstruktivere Zukunft hatten. Am Ende machte sie viele Fotos von den Gebäuden, die vor Ort gebaut wurden. Eine neue Sammlung von ihnen, Hütten, Tempel, Burgenwird diesen Monat veröffentlicht.

Wie der Architekturhistoriker Tom Wilkinson in seiner nachdenklichen Einleitung zu Schulz-Dornburgs Buch betont, war die Idee von Orten wie Jongensland kein glücklicher Zufall. Es war vielmehr ein bewusster Versuch einer Gruppe aufgeklärter europäischer Planer und Kinderpsychologen, die autoritären Vorstellungen von der kindlichen Entwicklung, die integraler Bestandteil des Faschismus waren, rückgängig zu machen. In ihrer neuen Vision würden Bombenstandorte zu Orten des freien Spiels und der Kreativität.

Auf die Kraft dieser Idee reagierte die Fotografin im Gegensatz zu ihrem eigenen Aufwachsen: „Deutschland war schrecklich“, sagt sie in der Einleitung. „Es hat sich nicht viel geändert, vor und nach dem Krieg. Orte, die für Kinder gebaut wurden, waren schrecklich. Es gab nichts, was dir helfen könnte, deine Persönlichkeit zu entwickeln. Man konnte nicht bauen, man konnte nicht mit den Händen arbeiten, man hatte nicht die Möglichkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, um herauszufinden, was man bauen konnte und was nicht. Es existierte nicht.“ Wenn man sie heute betrachtet, zelebrieren die Jongensland-Bilder eine Vorstellung von Kindheit, die Risiko, Teamwork und Freiheit beinhaltet; sie sind auch eine ergreifende Aufzeichnung einer weitgehend verlorenen Utopie.

  • Hütten, Tempel, Burgen von Ursula Schulz-Dornburg erscheint im Verlag Macke

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