Mark Padmore und Jonathan Biss Kritik – Schumanns Qual und Ekstase offengelegt | Klassische Musik

ichn Ein Pianist unter dem Einfluss, seinem kurzen, forschenden E-Book über Robert Schumann (1810-1856), macht der amerikanische Pianist Jonathan Biss eine Beobachtung so absurd naheliegend (sobald jemand anders sie gemacht hat), dass man aufhört: Schumann „kennt die Bedeutung von Einsamkeit und kann es in Klang übersetzen“. Für Biss wie für viele andere Spitzenmusiker – darunter den Cellisten Steven Isserlis und die Pianisten Mitsuko Uchida und Stephen Hough – provoziert Schumann eine einzigartige, beschützende Liebe, wie für ein unruhiges Kind mit seltenem, unbeholfenem Genie. Seine Menschlichkeit und Zerbrechlichkeit zieht sich durch jede Note und jeden unruhigen Rhythmus, den er schrieb. Biss fängt diese flüchtigen Veränderungen ohne Gothic-Horror oder Exzess ein, nur mit klaren Augen, großzügigem Einblick.

Als der britische Tenor Mark Padmore also bei der Einführung ihres rein Schumann-Rezitals in Milton Court sein Publikum aufforderte, „auf den Pianisten zu hören, nicht auf mich“, war er nicht nur bescheiden. Schumanns Lieder stellen die Stimme in die Mitte. Der Klavierpart windet sich nach oben und unten, innere Melodien und Kontrapunkte manchmal so in sich geschlossen, dass es fast gleichgültig ist, ob der Sänger in diese fortwährende Träumerei einsteigt. Zumindest scheint es so, außer dass Padmore in Farbe, Dynamik, Nuance und Dramatik seiner Darbietung, die manchmal bis an ihre Grenzen geht, verlangt, dass man tatsächlich zuhört. Wie bei allen besten Liedsängern kann er seine eigene Erfahrung – vier Jahrzehnte, die alle Arten von Repertoire gespielt haben – auf die Anforderungen der Musik von der einfachen Sehnsucht bis zur Angst einfließen lassen.

Die Hauptwerke waren zwei bekannte Zyklen aus Schumanns „Gesangsjahr“, 1840: Liederkreis, op. 24 und Dichterliebe, op. 48 (in der vollständigen Fassung mit 20 Liedern). Zwischen diesen spielte das Duo das mysteriöse Sechs Gedichte und Requiem (1850), op. 90, fragmentarische und melancholische Vertonungen von Gedichten von Nikolaus Lenau – wie Schumann ein Depressiver, sowie ein Syphiliskranker. Schon bald würde Schumann, in Gedanken zerrissen, in der Anstalt Endenich bei Bonn dem Tode nahe sein und sich selbst als „Ehrenmitglied des Himmels“ bezeichnen. Als seine irdischen Dolmetscher gaben uns Padmore und Biss mehr als nur einen Blick auf diese schrecklichen und unvermeidlichen Geschwister, Qual und Ekstase.

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