Elon Musk und Twitter: die neusten Entwicklungen


Die neusten Entwicklungen

Nach monatelangem Hin und Her hat Elon Musk Twitter übernommen. Er hat sich selber zum Chef ernannt und sieht einen Totalumbau der Plattform vor. Was ändert sich? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Elon Musk hat Twitter für 44 Milliarden Dollar übernommen.

Andrew Kelly / Reuters

Die neusten Entwicklungen

  • Auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen für Twitter überlegt Musk laut einem Medienbericht auch, die Nutzung des Online-Dienstes kostenpflichtig zu machen. Das habe der neue Twitter-Besitzer in jüngsten Treffen mit seinem Berater David Sacks diskutiert, schrieb der gut vernetzte Tech-Reporter Casey Newton in der Nacht zum Dienstag (8. 11.) in seinem Blog «Platformer». Ein Konzept sei, Twitter eine eingeschränkte Zeit kostenlos benutzen zu lassen und danach Geld zu verlangen, hiess es. Zu den Neuerungen seit Musks Übernahme gehören bereits Gebühren für Nutzer, die einen verifizierten Account wollen. Musk plant zudem, alle Nutzernamen zu sperren, die sich für andere Personen ausgeben. 
  • Twitter-Chef Elon Musk will entlassene Mitarbeiter wieder zurückholen. Nachdem er zuvor rund der Hälfte seiner 7500 Angestellten per Mail gekündigt hatte, will er nun Dutzende wieder zurückholen. Einige seien versehentlich oder verfrüht entlassen worden, erklärte Musk laut deinem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg vom Montag (7. 11.) . 


Wie ist die Übernahme verlaufen?

Die Ära von Elon Musk bei Twitter hat Ende Oktober begonnen. Der Tech-Milliardär postete zum Auftakt der Übernahme ein Video von sich, wie er ins Twitter-Hauptquartier einzog und schrieb in einem vielsagenden Tweet: «Der Vogel ist befreit».

Twitter informierte die US-Wertpapieraufsicht am 28. Oktober über den Rückzug von der Börse und bestätigte damit den Vollzug der Übernahme. Damit endete ein monatelanges Hin und Her, das vorübergehend auf einen brisanten Gerichtsprozess zusteuerte. Musk nimmt das Online-Netzwerk nun in Privatbesitz.

Analytiker werten die Übernahme für 44 Milliarden Dollar als eine der am meisten überbezahlten Tech-Akquisitionen in der Geschichte. Ein realistischer Wert für die Plattform dürfte nach Auffassung mehrerer Experten bei etwa 25 Milliarden Dollar liegen. Das dürfte Musk ebenfalls so gesehen haben. Darum hat er die Übernahme zuvor wieder absagen wollen, ist aber offenbar aufgrund seiner früheren Zusagen nicht mehr rausgekommen.

Nur aus eigenen Mitteln konnte Musk die 44 Milliarden Dollar nicht aufbringen. Für die Übernahme bekam er Kredite von Banken und auch Gelder von saudischen, chinesischen und katarischen Investoren. Das hat laut Informationen der «Washington Post» die Aufmerksamkeit des amerikanischen Finanzministeriums geweckt. Es habe bei Twitter mehr Informationen zu der Rolle der ausländischen Investoren angefragt, heisst es im Bericht. Vor allem wollen die Behörden wissen, ob die Geldgeber Zugriff auf Informationen wie Nutzerdaten bekommen könnten.

Wem wurde bereits gekündigt? Und was blüht den Angestellten?

Elon Musk will Twitter laut eigenen Angaben von Grund auf umkrempeln. Als ersten Schritt kündigte er etlichen Topmanager, darunter dem bisherige Firmenchef Parag Agrawal, Finanzchef Ned Segal, sowie auch der für den Kampf gegen Hassreden und Falschinformationen zuständige Top-Managerin Vijaya Gadde.

Derzeit hält Musk die alleinige Macht im Unternehmen. Der Verwaltungsrat wurde aufgelöst. Alle neun Mitglieder des Direktoriums, das in Unternehmen ähnlich eines Aufsichtsrats dem operativen Chef übergeordnet ist, haben ihre Posten aufgegeben. Zum bisher einzigen neuen Direktor ernannte Musk sich selbst.

Um Kosten zu sparen, hat Musk zudem eine Massenentlassung in die Wege geleitet. Rund der Hälfte der 7500 Mitarbeitenden hat er per Mail gekündigt. Die Angestellten versuchen sich mit einer Sammelklage vor dem obersten Gericht in San Francisco dagegen zu wehren. Nur wenige Tage später machte Musk einen Teil der Entlassungen rückgängig. Dutzende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe das Unternehmen seither zur Rückkehr gebeten.

Gemäss den Berichten will Musk auch Home-Office einschränken. Die allermeisten Mitarbeiter sollen in die Büros zurückkehren. Musk hatte schon beim Elektroauto-Hersteller Tesla nach dem Ende der Corona-Beschränkungen eine strikte Präsenzpflicht durchgesetzt.

Welche Kultur strebt Musk bei Twitter an?

Inhaltlich will Musk Twitter neu ausrichten. Er selbst sagt, er wolle Twitter als «weltweite Plattform für die Meinungsfreiheit» etablieren und damit die «Demokratie stärken». In mehreren Tweets und Auftritten liess er bereits durchschimmern, dass er die Moderation der Inhalte bei Twitter schwächen, und den Nutzerinnen und Nutzern mehr Spielraum bei der Formulierung von Meinungen geben will. In Musks Augen untergräbt Twitter heute die Meinungsfreiheit, weil kontroverse, provokante Standpunkte vermehrt gelöscht würden.

Musk versuchte aber kurz vor der Übernahme, Werbekunden und Nutzer zu beruhigen, die unter ihm eine Verrohung des Tons beim Online-Dienst befürchten. Twitter dürfe kein «Ort des Grauens» werden, wo ohne Konsequenzen alles gesagt werden könne, schrieb Musk in einem offenen Brief an Anzeigenkunden. Die Plattform müsse «warm und einladend für alle» sein, schrieb Musk nun.

Er habe Twitter nicht gekauft, weil es einfach sein würde oder um mehr Geld zu machen, schrieb Musk. «Ich tat es, um der Menschheit zu helfen, die ich liebe», verkündete er. Und er gehe die Aufgabe mit Demut an – und im Bewusstsein, dass er trotz aller Bemühungen scheitern könne. Musk begründete den Kauf auch stets mit dem Anliegen, die Redefreiheit zu stärken.

Dürfen Trump und andere zurück auf Twitter?

Musk dürfte seine Ankündigung umsetzen, lebenslange Sperren für Nutzer bei Twitter zu hinterfragen. Von einer solchen – nach bisherigen Angaben unumkehrbaren Verbannung – ist unter anderem der amerikanische Ex-Präsident Donald Trump betroffen.

Musk hat am Tag der Übernahme bekanntgegeben, dass er ein neues Gremium zum Umgang mit kontroversen Inhalten schaffen wolle. Personen mit stark unterschiedlichen Ansichten sollen darin vertreten sein. Davor solle es keine grossen Entscheidungen zur Inhalte-Politik oder der Wiederherstellung von Accounts geben, schrieb Musk bei Twitter. Damit ist auch die Freischaltung des Accounts von Ex-Präsident Donald Trump nicht umgehend zu erwarten.

Details zum geplanten Gremium gab Musk zunächst nicht bekannt. Beim Facebook-Konzern Meta gibt es mit dem «Oversight Board» schon seit einiger Zeit ein unabhängiges Expertengremium, das etwa die Löschung von Beiträgen und die Sperrung von Accounts rückgängig machen kann. Die Entscheidungen des Gremiums sind für das Management bindend.

Donald Trump gibt sich derweil zufrieden mit der Präsenz bei seiner eigenen Twitter-Kopie «Truth Social». Allerdings hat er dort nur wenige Millionen Follower, statt mehr als 80 Millionen wie einst bei Twitter. Trump äusserte sich nach der Firmenübernahme von Musk denn auch wohlwollend: Er sei «sehr froh», dass Twitter jetzt in «vernünftigen Händen» sei und nicht mehr «von linksradikalen Spinnern und Verrückten» geführt werde, schrieb Trump.

Am Freitag (28. 10.) sagte er Fox News Digital jedoch, er wolle nicht auf Twitter zurückkehren. Er bleibe auf seiner eigenen, sozialen Plattform Truth Social, so Trump.

Wie läuft das Geschäft?

Geschäftlich tut sich Twitter derweil schon lange schwer. Angesichts von Inflations- und Konjunkturrisiken halten sich Anzeigenkunden am Online-Werbemarkt zurück, der für die Internetplattform die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle darstellt. Zahlen für das abgelaufene dritte Quartal hat Twitter am Tag der Übernahme noch nicht vorgelegt. Doch im vorherigen Vierteljahr ging der Umsatz leicht zurück und es fiel ein Verlust von 270 Millionen Dollar an.

Die Übernahme ist eine Geduldsprobe für Werbekunden. Trotz Musks Versuche, Kritiker zu beruhigen, haben erste grössere Firmen ihren Kunden geraten, die Werbung vorerst auszusetzen und abzuwarten, wie sich die Plattform entwickelt. Twitter beklage wegen dieser «Aktivistengruppen» einen Umsatzeinbruch, schrieb Elon Musk am Freitag (4. 11.) auf Twitter.

Wegen des schwierigen Werbemarkts versucht Musk neue Einnahmequellen zu generieren, um Twitter profitabel zu machen. Er kündigte einen neuen Bezahldienst an, der nach einem Update vom Samstag (5. 11.) bereits in mehreren Ländern verfügbar ist: Für 8 Dollar pro Monat können Nutzer ihr Konto mit einem blauen Häkchen verifizieren lassen (bisher war dies gratis). Die zahlenden Kunden können auch die Hälfte der Werbung ausblenden und können Zusatzfunktionen wie längere Videobotschaften nutzen. Auch sollen sie die Bezahlschranken bei Nachrichten-Seiten umgehen können, die mit Twitter zusammenarbeiten. Zudem erwägt Musk, die Kurzvideo-Plattform Vine neu zu beleben.

Auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen für Twitter überlegt der neue Besitzer Elon Musk laut einem Medienbericht auch, die Nutzung des Online-Dienstes kostenpflichtig zu machen. Ein Konzept sei, Twitter eine eingeschränkte Zeit kostenlos benutzen zu lassen und danach Geld zu verlangen, hiess es.

Das grosse Hickhack: Was ist die Vorgeschichte?

Elon Musk, CEO von Tesla und SpaceX, sagte im April 2022, er wolle den Kurznachrichtendienst Twitter kaufen, ihn von der Börse nehmen und ihn in ein Unternehmen umbauen, das der Redefreiheit mehr Raum gibt. Musk bot den bisherigen Aktionärinnen und Aktionären 54,20 Dollar pro Anteil. Damit belief sich der Übernahmepreis für das Gesamtunternehmen auf 44 Milliarden Dollar.

Erst stellte sich die Unternehmensspitze gegen die Übernahme. Doch als Musk zeigte, dass er tatsächlich genügend Geld für den Kauf aufbringen könnte, willigte der Verwaltungsrat ein.

Wenig später begann Musk allerdings, Twitter öffentlich zu kritisieren. Insbesondere störte er sich an den Bots und gefälschten Nutzerprofilen auf der Plattform sowie an ausgewählten Mitgliedern der Geschäftsleitung. Anfang Juli gab er schliesslich bekannt, dass er Twitter nun doch nicht mehr kaufen möchte, unter anderem, weil das Bot-Problem grösser sei, als es ihm angeblich bekannt gewesen sei.

Dann beharrte aber Twitter auf der Übernahme, schliesslich bot Musk einen dermassen hohen Kaufpreis, dass der Verwaltungsrat den Verkauf als guten Deal für die Aktionäre einschätzte. Um Musk zu einer Übernahme – oder mindestens einer Entschädigungszahlung – zu zwingen, reichte Twitter eine Klage gegen ihn ein.

Mitte September liess Twitter die Aktionäre über eine Übernahme durch Musk abstimmen. Die Mehrheit sprach sich dafür aus.

Daraufhin gab Musk Anfang Oktober überraschend bekannt, nun doch zu seinem Kaufangebot zu stehen und den Deal abschliessen zu wollen. Er sagte allerdings, die Bedingung dafür sei, dass die Klage von Twitter beigelegt werde. Twitter lehnte diese Bedingung ab. Die zuständige Richterin am Delaware-Chancery-Gericht setzte das Verfahren danach trotzdem aus, verhängte aber eine Frist bis zum Freitag, 28. Oktober. Am letzten Tag dieser Frist wurde der Deal abgeschlossen.

Will er, oder will er nicht? Die Launen von Elon Musk beeinflussen den Börsenkurs von Twitter

Börsenkurs von Twitter in $

1

Ende März kommen Gerüchte auf, Musk wolle Twitter kaufen.

2

14. April: Musk lanciert das offizielle Übernahmeangebot.

3

13. Mai: Musk twittert, er lege die Übernahme auf Eis, stehe aber nach wie vor hinter dem Deal.

4

8. Juli: Musk gibt bekannt, vom Kauf zurücktreten zu wollen.

5

13. September: Die Twitter-Aktionäre stimmen dem Verkauf an Musk zu.

6

3. Oktober: Musks Anwälte informieren Twitter, dass Musk den Kauf durchführen möchte.

Warum änderte Elon Musk immer wieder seine Meinung?

Elon Musk kommuniziert schnell und impulsiv, er gilt als äusserst sprunghaft. Niemand solle von ihm erwarten, ein «ruhiger, normaler Typ» zu sein, sagte er im Sommer 2021 über sich selbst in einer Comedy-Sendung, in der er auch erklärte, das Asperger-Syndrom zu haben.

Dass sich Musk nach all dem Hin-und-Her doch zum Kauf durchrang, könnte mit einem relativ neuen Plan von ihm zu tun haben. Anfang Oktober gab er bekannt, eine App lancieren zu wollen, die alles könne: die «Everything App» mit dem bisherigen Projektnamen «X». Die App soll sowohl ein soziales Netzwerk sein, aber auch Zahlungen ermöglichen und diverse Online-Shops integrieren. Twitter könnte nun der Ausgangspunkt für dieses Vorhaben werden.

Verzerrt Twitter den öffentlichen Diskurs?

Soziale Netzwerke wie Twitter oder auch Tiktok und Facebook treffen sekündlich Entscheide darüber, welche Inhalte moderiert, also gelöscht oder mit Warnhinweisen versehen werden. Damit schränken sie die Redefreiheit bewusst ein. Beispielsweise löschen sie Posts, die Terrorpropaganda oder Aufrufe zu Hassverbrechen verbreiten. Dazu verpflichtet sie in einigen Ländern das Gesetz.

Allerdings moderiert Twitter mehr Inhalte als vorgeschrieben. Insbesondere seit dem Ausbruch der Covid-Pandemie blockiert oder kennzeichnet das Netzwerk vermehrt Nutzerinnen und Nutzer, die Verschwörungstheorien oder Falsch-Behauptungen verbreiten. Darunter leiden in den USA auch Politikerinnen und Politiker – allen voran der ehemalige Präsident Donald Trump, der nach dem Sturm aufs Capitol von Twitter ausgeschlossen wurde.

Kritiker wie Elon Musk werfen Twitter immer wieder vor, den demokratischen Diskurs zu verzerren, progressive Meinungen zu bevorzugen, konservative Ideen zu unterdrücken. Will Musk mehr Redefreiheit, will er also wieder mehr Ideen von Republikanern ungefiltert zulassen.

Was soll die Diskussion um Bots und gefälschte Profile?

Musk hatte die Übernahme selbst eingefädelt, dann aber versucht, wieder aus dem Deal herauszukommen. Wahrscheinlich hatte er realisiert, dass sein angebotener Preis sehr hoch war. Daraufhin begründete er seinen Rückzug mit dem Verweis auf angeblich falsche Angaben zur Zahl von Fake-Accounts bei Twitter aus dem Deal wieder herauszukommen. Twitter zerrte ihn vor Gericht – und Musk erklärte sich kurz vor Beginn des Prozesses im Bundesstaat Delaware bereit, Twitter zum ursprünglich vereinbarten Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen.

Einer der Hauptstreitpunkte zwischen Musk und Twitter war die Anzahl gefälschter Profile auf der Plattform. Musk rechnet damit, dass rund 20 Prozent der Nutzerprofile gefälscht sind oder von Bots betrieben werden. Twitter suggerierte derweil, dass nur hinter fünf Prozent aller Profile keine echten Menschen stünden.

Die Diskrepanz zwischen den Zahlen lässt sich teilweise mit unterschiedlichen Berechnungsmethoden erklären. Allerdings ist es im Grunde unmöglich zu schätzen, wie viele der Twitter-Profile tatsächlich gefälscht sind – weil es zu viele verschiedene Arten von Bots gibt und man diese nicht immer zweifelsfrei als solche erkennen kann.

Relevant ist die Frage aber aus finanziellen Gründen. Twitter generiert sein Einkommen über Werbung. Stünde, so wie Musk dies vermutet, hinter jedem fünften Profil ein Bot, hätte Twitter für Werbetreibende erheblich weniger Wert, als wenn nur fünf Prozent der Konten gefälscht wären. Aus diesem Grund gingen Beobachterinnen und Beobachter lange davon aus, dass Musk mit dem Streit um Bots den Kaufpreis von Twitter nach unten drücken wollte.


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