Ghana: Afrika ohne Safari-Klischees – FOCUS online

Besuch in Ghana: Afrika-Reise mit einem „Tor ohne Wiederkehr“, aber ohne Safari-Klischees

Bunte Märkte, freundliche Menschen und geheimnisvolle Riten, aber auch Sklavenburgen, die an die dunkle Vergangenheit erinnern: Ghana, die ehemalige „Goldküste“, ist enorm vielfältig und hat Reisenden mit Interesse an authentischen Erlebnissen einiges zu bieten.

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Sechs bis acht Wochen dauerten die Gewaltmärsche durch malariaverseuchte Sümpfe und glühend heiße Savannen. Die für die Versklavung eingefangenen Menschen mussten barfuß gehen. Viele starben auf dieser brutalen Reise aus dem Herzen des afrikanischen Kontinents an die Atlantikküste. Diejenigen, die überlebten, sahen zum ersten Mal in ihrem Leben den Ozean, jedoch nur für ganz kurze Zeit. Dann verschwanden sie in den dunklen und feuchten Verließen der Forts, wo sie oft monatelang auf das nächste Schiff warten mussten, das sie in die europäischen Kolonien in Nord- und Südamerika bringen würde.

Rund drei Dutzend solcher „Sklavenburgen“ gibt es an Ghanas Küste. Cape Coast Castle ist eine der am besten erhaltenen. Auf den ersten Blick sieht das Fort wie eine normale Festungsanlage aus, wie sie Portugiesen, Niederländer, Franzosen, Briten und andere auf ihren Beutezügen rund um den Erdball gebaut hatten. Erst bei einer Führung wird das Grauen des organisierten Menschenhandels deutlich: Man steigt in einen fast lichtlosen Keller hinab. An der Wand lehnen Blumenkränze, die an die hier begangenen Verbrechen erinnern. Das spärliche „Essen“, das diesen Namen kaum verdient, wurde durch eine Luke in der Decke in den Raum geworfen und landete auf Hunderten dicht zusammengepferchter, nackter und verzweifelter Menschen. Es stank nach Exkrementen, Blut und Erbrochenem. Frauen wurden über eine speziell hierfür gebaute Treppe nach oben gezerrt, wo sie in den Gemächern des Gouverneurs auf ihre Vergewaltigung warteten.

Tor ohne Wiederkehr

Diejenigen, die die Strapazen überlebten, wurden wie Vieh durch unterirdische Gänge getrieben, ehe sie durch das „Tor ohne Wiederkehr“ zuerst in Ruderboote und dann auf die vor Anker liegenden Schiffe verladen wurden – wo nur neue Torturen auf sie warteten. Wie viele Menschen verschleppt wurden, kann niemand genau sagen. Aber es war auf jeden Fall eine zweistellige Millionenzahl. Der damalige US-Präsident Barack Obama und seine Frau Michelle setzten ein Zeichen, als sie 2009 die ehemalige Sklavenburg in Cape Coast besichtigten. Auch wir sehen hier afro-amerikanische Besuchergruppen aus den USA, die die traurige Geschichte ihrer Vorfahren vor Ort nachempfinden wollen. 2019, im Jahr vor der Pandemie, kamen rund 500.000 ausländische Besucher nach Ghana. Dem nationalen Tourismusamt zufolge war etwa jeder Zehnte ein solcher „Heritage-Tourist“.

Das Gros der ausländischen Besucher entfällt auf andere westafrikanische Länder. Ghana gilt als politisch stabil und sicher. Und es ist vergleichsweise einfach zu bereisen, wenn man die Visum-Prozedur einmal hinter sich gebracht hat. Diese Hürde – eine Retourkutsche für Europas Flüchtlingspolitik – schreckt jedoch viele Deutsche ab, die lieber in die klassischen Afrika-Einsteigerländer im Osten und Süden des Kontinents pilgern. Tatsächlich sollte man sämtliche „Jenseits-von-Afrika“-Klischees vergessen, wenn man sich auf Ghana einlässt. Ja, es gibt lange, einsame Strände, aber eben auch viel Plastikmüll. Ja, es gibt Nationalparks, aber sie sind kaum erschlossen, und der wilden Tiere wegen muss man ohnehin nicht nach Westafrika kommen. Ja, es gibt mit dem Volta-Stausee das flächenmäßig größte menschengemachte Gewässer des Planeten, aber die Staumauer darf man nur durch die Glasscheibe eines staatlichen Hotels fotografieren, und außer mäßig spannenden Bootstouren gibt es rund um den See nicht viel zu tun.

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Keine Liebe auf den ersten Blick

Ghana ist keine Liebe auf den ersten Blick. Wer aber mit offenen Augen durch das Land reist und seine „Jenseits-von-Afrika“-Träume vergisst, wird viel Interessantes und manchmal auch Skurriles entdecken. Dann ist Accra, die Hauptstadt, nicht mehr der mit Luftverschmutzung und Verkehrschaos kämpfende Moloch, sondern eine quirlige Metropole mit bunten Märkten, Galerien einheimischer Künstler und einem spannenden Nachtleben. Johannes Soeder, einer der beiden Gründer des Leipziger Reiseveranstalters Akwaba Afrika, hat hier während seines Afrikanistik-Studiums für mehrere Monate gelebt. Gemeinsam mit seinem lokalen Partner Jolinaiko Eco Tours macht er uns zu Insidern. Er zeigt uns den Sea View Boxing Club, wo junge Talente mit Hilfe von Sponsoren gefördert werden und von einer Karriere à la Muhammad Ali und einer Neuauflage des „Rumble in the Jungle“ träumen dürfen, des legendären Boxkampfes 1974 in Kinshasa. In einem Land, in dem Boxhandschuhe ein halbes Monatsgehalt kosten, ist das für die Jungs – und Mädchen – eine tolle Chance.

In Jamestown, dem ältesten Bezirk von Accra, kicken Jugendliche nahe dem Leuchtturm auf einem improvisierten Bolzplatz. Ihr Ziel: Profi werden in den großen europäischen Ligen, so wie ihre Vorbilder mit ghanaischen Wurzeln, von Anthony Yeboah bis Sami Kuffour. Und ja, auch die Mutter der Boateng-Brüder stammt aus Ghana. Wer sich mit den Teenagern unterhält, erfährt mehr über ihre Heimat als beim Abklappern typischer Sehenswürdigkeiten. Die sind in Accra ohnehin dünn gesät. Ein Muss ist allerdings der Black Star Square, der an die Unabhängigkeit von Großbritannien 1957 erinnert. Der große Platz wirkt etwas martialisch, das perfekte Terrain für Militärparaden. Doch über die Tribüne muss man dann schon wieder schmunzeln. Sie hat die Form einer Handtasche, wie sie die im September 2022 verstorbene Queen Elizabeth zu tragen pflegte.

Die junge Monarchin, die sich sonst politisch fast nie einmischte, war 1961, auf dem Höhepunkt des Ost-West-Konflikts, zu einem umstrittenen Staatsbesuch in das westafrikanische Land gereist. Präsident Kwame Nkrumah hatte Ghana näher an die Sowjetunion herangerückt. Die Queen sollte ihn wieder auf Kurs bringen. Ihr wurde geraten, mit dem Sozialisten und Propheten der Afrikanischen Einheit ein Tänzchen zu wagen. Ihre Majestät gehorchte und legte mit dem Staatschef einen flotten Foxtrott hin. Ghana blieb im Commonwealth und wurde einer der engsten Freunde des Vereinigten Königreichs. So zumindest geht die Legende.

Spezialsarg-Zimmerer im Ort Teshie

Definitiv nicht ins Reich der Legenden gehören die Spezialsarg-Zimmerer im Ort Teshie bei Accra. Wer sich in einem Mobiltelefon oder einer Schnapsflasche zur letzten Ruhe betten lassen möchte, findet hier das passende Möbel. Die Idee dafür hatte Seth Kwei Nortey, genannt „Kane“, dessen Vater Fischer war und der deshalb gerne in einem Fisch-Sarg begraben werden wollte. Internationale Medien wurden auf ihn aufmerksam, Exzentriker bezahlten Mondpreise für die ausgefallenen Kisten. Kane wurde reich und ließ sich standesgemäß in einem Mercedes unter die Erde bringen. Sein inzwischen in dritter Generation geführtes Unternehmen darf nicht mehr einfach so besichtigt werden, bei den Trittbrettfahrern ist das aber weiterhin möglich.

Nicht weit davon entfernt liegt das Fischerdorf Kokrobite. Es ist die zweite Heimat des Engländers Brett Davies, der hier die Surfschule „Mr. Bright’s“ betreibt – Ghanas Küste wartet mit richtig langen und sehr konsistenten Wellen auf. Neu ist das nicht: Brett erzählt von der legendären Surfer-Doku „The Endless Summer“ aus dem Jahr 1966, die auch ihn inspirierte. Die Helden des Films machen auf ihrer Suche nach der perfekten Welle in Ghana Station und ziehen vor scheinbar verblüfften Einheimischen eine spektakuläre Show ab. „So suggeriert der Film, dass die Ghanaer so etwas noch nie zuvor gesehen hätten“, erklärt Brett. „Wer jedoch genau hinschaut, erkennt im Hintergrund ein paar schwarze Jungs, die auf Schwemmholz die Wellen reiten.“ Über den blauen Augen blonder Beachboys vergaß die Welt, dass dunkelhäutige Menschen in Polynesien diesen Sport erfunden hatten, und wohl auch in Ghana schon immer gesurft wurde. Nur eben nicht so professionell und nicht mit neuestem Equipment. Brett sieht seine Schule deshalb auch als Sozialprojekt: Die Kids der Fischer erhalten kostenlos Surf-Stunden und bekommen Bretter gestellt. Allerdings unter einer Bedingung: Sie dürfen die richtige Schule nicht schwänzen. Brett weiß, dass es kleine „Waves of Change“ sind, die er da reitet. Aber es ist ein Anfang.

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Auch für weniger sportliche Naturen lohnt sich der Ausflug nach Kokrobite, denn hier kann man den Fischern zwischen den bunten Langbooten bei ihrer Arbeit zusehen. Noch besser geht das in der Hafenstadt Elmina: Von der Brücke aus lässt sich beobachten, wie eine ganze Armada an Booten jede Nacht aufs Meer hinaustuckert, um jene Sardinen zu fangen, die die chinesischen Trawler weit draußen vor der Küste übrig gelassen haben. Am nächsten Morgen werden die Fische dann mit viel Gefeilsche verkauft. Laut und farbenfroh geht es dabei zu, so dass man fast vergessen könnte, dass auch in Elmina Millionen von Sklaven verschifft wurden.

Aus Altglas handgemachte Perlen

In den nächsten Tagen wird uns klar: Ghana hat genug Stoff für eine dreiwöchige Reise zu bieten. Wer Mitbringsel schätzt, die nicht „Made in China“ sind, wird in den Manufakturen fündig, die aus Altglas handgemachte Perlen herstellen. Wer schon immer einmal verstehen wollte, wie aus einer Kakaofrucht Schokolade wird, kann dies in der Fabrik des Deutschen Hendrik Reimers lernen, dessen Unternehmen Fairafric das erste in Ghana ist, das vor Ort süße Sünden für den Export produziert und auf diese Weise mehr Wertschöpfung im Land belässt, was Mitarbeitern und Kakaobauern zugutekommt.

Naturfreunde sollten den Kakum-Nationalpark besuchen und über die schwankenden Hängebrücken des Baumwipfelpfades wandern. In Amedzofe den mit einem Gipfelkreuz geschmückten Aussichtsberg besteigen. Und dann nach Liati Wote weiterfahren, wo sich angeblich mit dem Afadjato die höchste Erhebung des Landes befindet, die in Wirklichkeit aber nur 587 und nicht 885 Meter hoch ist. Ist ja auch egal, denn das Dorf hat andere Trümpfe zu bieten, wie etwa die Wanderung zum wunderschön gelegenen Tagbo-Wasserfall durch tropischen Wald. Noch etwas anderes fällt in dem 800-Seelen-Ort auf: Es liegt deutlich weniger Müll herum, weil Jolinaiko Eco Tours hier gemeinsam mit der französischen Botschaft in Accra und der NGO „Stepping Stones for Africa“ Aufklärungsarbeit leistet und Mülleimer aufstellen lässt.

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Mit etwas Glück erhält man eine Audienz bei den Dorfältesten, die mächtig stolz darauf sind, dass sich ihre Gemeinde gerade zu einem Modell für ganz Ghana entwickelt. Da sitzt man im Wohnzimmer der Lokalprominenz und stößt mit Hochprozentigem auf das Erreichte an. Klingelt dann das Handy, kann man in Anlehnung an Ex-Bundespräsident Christian Wulff („Ich bin auf dem Weg zum Emir“) sagen: „Bin beim Häuptling!“

So geht’s nach Ghana

Anreise

In Zeiten, in denen die Fluggesellschaften ihren Service immer mehr reduzieren, ist
Turkish Airlines
eine Ausnahme: Bei den Skytrax World Airline Awards 2022 wurde die Fluggesellschaft jetzt zur besten Airline Europas gekürt und erhielt zudem die Auszeichnung für das beste Business Class Catering weltweit. Grundlage waren 14,32 Millionen Kundenbewertungen aus mehr als 100 Nationen, die zwischen September 2021 und August 2022 abgegeben wurden. Turkish Airlines fliegt von mehreren deutschen Flughäfen via Istanbul mit kurzen Umsteigezeiten nach Accra, der Hauptstadt Ghanas. Wer Business Class bucht, kann am Istanbuler Flughafen die 5.600 Quadratmeter große Lounge nutzen. In offenen Show-Küchen warten frisch zubereitete Spezialitäten aus der ganzen Türkei. Und für Kinder gibt es ein breites Unterhaltungsprogramm.

Einreise

Neben gültigem Reisepass und dem Nachweis einer Gelbfieberimpfung benötigt man ein Visum, das 110 Euro kostet. Die Antragstellung ist eine Zumutung. Die Experten von Akwaba Afrika wissen aber, wie’s geht und helfen dabei.

Veranstalter

Akwaba Afrika
ist DER Experte für Westafrika und damit auch Ghana. Alle Angebote finden sich
HIER
– Es sind auch Kombinationen mit anderen Ländern wie Benin und Togo möglich. Die Preise beginnen bei etwa 2.400 EUR für eine 13-tägige Reise (ohne Flug).

Reisezeit

Ghana kann das ganze Jahr über besucht werden. Von November bis Februar ist im ganzen Land Trockenzeit.

Medien

Jojo Cobbinah: „Ghana – Praktisches Reisehandbuch für die „Goldküste“ Westafrikas“,
Peter Meyer Verlag
. Einziger deutschsprachiger Reiseführer über Ghana; sehr ausführlich, manchmal jedoch zu unkritisch und subjektiv.

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