Herbers & Gressel im Interview: MLS-Profis wagen schonungslosen Podcast

Mit Chicago Fire und DC United gehen die deutschen Fußballprofis Fabian Herbers und Julian Gressel in der Major League Soccer auf Punktejagd. Das Duo hat abseits des Platzes nun einen eigenen Podcast gestartet – der für Fußballer unerwartet offen und transparent daherkommt. Im Interview mit ntv.de sprechen die beiden Kicker über ihr neues Projekt, die MLS-Saison und ihre Erfahrungen mit Corona in den USA.

ntv.de: Mit “Zee Soccer Podcast” habt ihr beide einen englisch-sprachigen Podcast ins Leben gerufen, der euer Leben, Fußball und die MLS thematisiert. Bei Fabian Herbers gibt es mit dem Podcast “Gemischtes Hack” ja bereits eine Vorgeschichte zu dem Thema. Wie ist es letztlich dazu gekommen, so ein Projekt zu starten?

Julian Gressel: Ich bin innerhalb des letzten Jahres ein Fan von Podcasts geworden. Dadurch, dass ich etwas außerhalb von Washington wohne, bin ich jeden Morgen und Nachmittag mittlerweile 40 Minuten im Auto unterwegs. Und anstatt Musik zu hören, habe ich dann mit Podcasts angefangen. Ich habe natürlich vorher schon mitbekommen, dass Fabi bei “Gemischtes Hack” als Fußballgott so ein kleiner Running-Gag ist und da habe ich dann reingehört. Aber auch die Podcasts von Toni Kroos und den Hummels-Brüdern haben gute Podcasts. Ende des Jahres habe ich mir gedacht, wieso nicht auch sowas starten?! Ich habe Fabi über Instagram angeschrieben und gefragt, ob er sich das vorstellen könnte. Über Weihnachten haben wir die Idee dann ruhen lassen und sind dann im neuen Jahr gestartet – auch weil die Saisonvorbereitung noch nicht gestartet war.

Fabian Herbers: Ich bin auch ein großer Podcast-Fan seit der ersten Stunde, ob es “Fest & Flauschig” ist, “Gemischtes Hack” oder “Baywatch Berlin” von Klaas Heufer-Umlauf. Als Julian mich gefragt hat, wusste ich nicht genau, ob wir die Typen dafür sind. Aber ich bin immer offen für so Sachen und als Fußballer haben wir die Zeit, um solche Projekt in Angriff zu nehmen, ohne zu hohe Erwartungen zu haben. Da sind wir jetzt acht Episoden drin und hatten auch schon einen Gast. Es macht Spaß soweit und wir haben etliche Zuhörer die regelmäßig dabei sind. Ich denke einfach, dass es eine interessante Perspektive ist, wenn aktive Spieler anstelle von Journalisten oder Experten über den Job als Fußballprofi sprechen.

Ob das die Verhandlungen zwischen MLS und Spielergewerkschaft sind oder der mediale Umgang mit der verpassten Olympia-Qualifikation der US-Auswahl – ihr schlagt im Podcast unerwartet kritische Töne an. War das eine der Vorgaben, als ihr beschlossen habt, den Podcast zu starten?

Gressel: Es ist nicht so, dass wir alles schönreden wollen. Wir wollen einen wirklichen Einblick geben, wie wir denken. Wenn das mal kritisch wird oder es Meinungsverschiedenheiten gibt, dann wollen wir das auch so wiedergeben. Das soll nicht zu detailliert sein, aber unsere Sichtweise widerspiegeln. Ich glaube, das interessiert die Leute am meisten. Eine schöne Antwort geben, kann jeder. Wir wollen da ein bisschen tiefer gehen.

Herbers: Die letzten drei Wörter in der Beschreibung zu unserem Podcast sind pragmatisch, ehrlich und direkt. Das ist dann unsere deutsche Mentalität anstelle wie Amerikaner, die gerne mal etwas beschönigen und auf nette Art formulieren. Es ist aber nicht immer alles Eitel Sonnenschein und wenn man so eine Plattform hat kann man problematische Dinge auch mal ansprechen.

Wie reagieren dann eure Klubs und eure Mitspieler, beziehungsweise Ex-Kollegen auf den Podcast?

Gressel: Von mehreren Spielern aus der MLS und Mannschaftskollegen habe ich bereits Nachrichten bekommen. Die finden’s richtig cool. Vom Verein aus habe ich bislang noch kein negatives Feedback bekommen. Mal schauen, wie das wird, wenn wir kritischer weitermachen (lacht).

Herbers: Vom Verein habe ich auch noch nicht viel dazu gehört. Ich habe einmal zu früh im Podcast berichtet, dass ich verletzt war. Das war aber noch in der Vorbereitung und keine große Sache. Das Feedback auf Social Media, von Freunden und Familie ist bislang positiv.

Der Bezug zu Deutschland und der Blick in die Heimat gehört fest zu eurem Projekt. Der Name “Zee Soccer Podcast” spielt ein bisschen auf die Probleme der Deutschen mit dem englischen th-Laut an. Wie seid ihr auf den Namen gekommen?

Gressel: Das war die Idee dahinter, aber wir hatten eine längere Liste an möglichen Namen und haben auch die Fans nach Vorschlägen gefragt. Wir wollten dann etwas einfaches haben mit Soccer und das “Zee” stellt den deutschen Bezug dar. Fabians Favorit war “Soccer and Sauerkraut”.

Gibt es einen konkreten Plan, wo es mit dem Podcast hingehen soll? Ihr habt ihn in der Saisonpause gestartet, habt ihr in der Saison noch Zeit dafür?

Herbers: Ich denke schon. Es war gut, dass wir in der Off-Season gestartet sind. Die ersten Episoden waren noch etwas holprig, man muss die Chemie und die Dynamik in den Gesprächen erst finden. In dem Bereich sind wir eben noch keine Profis, aber jetzt haben wir den Rhythmus gefunden. Montag gibt es in der MLS in der Regel keine Spiele und da haben wir beide Zeit uns über die Geschehnisse am Wochenende auszutauschen.

Gressel: Wir machen es nicht komplett alleine. Wir haben einen Produzenten, der uns hilft beim Schnitt und bei der Verbreitung über Social Media.

Fabian Herbers ist bereits ein MLS-Veteran – er geht in seine sechste Saison in den USA.

(Foto: USA TODAY Sports)

Die Saison ist gestartet, in der Vorbereitung war Chicago Fire erneut in der Bubble in Disney World in Florida. Das haben große US-Ligen wie die NBA ebenso gehandhabt. Wie habt ihr die Isolation erlebt?

Herbers: Wir sind jedes Jahr zwei bis vier Wochen im Trainingslager. Trainieren, essen und schlafen – das ist jetzt eigentlich nichts neues. Die letzten vier Wochen in Florida waren für mich also okay. Man freut sich auf die neue Saison, trainiert in der Sonne Floridas, hat ein schönes Hotel mit Golfplatz und Tennisplatz – da lässt es sich aushalten.

Gressel: Ich habe das sogar ein bisschen vermisst, wenn ich ehrlich bin. Wir haben viel in Washington trainiert, was zwar für mich ganz gut war, weil ich meine Frau mit unserem Kind unterstützen konnte, aber der komplette Vorbereitungsablauf war nicht so gegeben.

Die USA sind was das Impfen angeht auf der Überholspur, Deutschland kommt nur schleppend voran. Wie bekommt ihr das mit? Eure Familien in Deutschland sprechen sicher mit euch darüber.

Herbers: Natürlich haben wir da einen Blick drauf. Ich telefoniere alle zwei Tage mit der Familie. Ich war von Ende November bis Mitte Januar in Deutschland. Das ist schon frustrierend, wie das abläuft. Klar, man war froh die Familie zu sehen, aber durch den Lockdown konnte man kaum etwas machen. Auch jetzt ist es ja eine Art Halb-Lockdown. Man hat das Gefühl, es passiert nichts halbes und nicht ganzes. Das unterscheidet sich dann auch nochmal von Bundesland zu Bundesland. In Chicago bekommt man wenig von Covid mit. Hier kann man relativ unbeschwert in Bars und Restaurants gehen – alles mit Reservierung natürlich. Das sieht man schon, wie frei es in den USA mittlerweile schon wieder ist.

Gressel: So ist es bei uns auch. Wir haben keine Probleme zum Essen oder in die Mall zu gehen. Es gibt noch strikte Regeln mit Masken, aber sonst ist fast alles offen. Meine Familie träumt da natürlich von. Wir tauschen uns fast täglich aus. Der Impffortschritt ist hier einfach weiter und trotzdem finde ich es komisch, dass meine Großeltern in Deutschland, die sind beide Mitte 70, haben noch nicht einmal einen Impftermin. In den USA kann sich mittlerweile jeder impfen lassen, wenn er einen Termin bekommt. Ich hoffe, dass es bald schneller vorangeht, damit mich meine Familie hier wieder besuchen kann.

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Julian Gressel wurde 2019 mit Atlanta MLS Cup Champion.

(Foto: USA TODAY Sports)

Mit Atlanta United und Philadelphia Union spielen eure beiden Ex-Klubs in der CONCACAF Champions League. Blickt ihr da mit etwas Wehmut auf eure letzten Stationen in der MLS?

Herbers: Ich ehrlich gesagt nicht. Ich freue mich für Spieler und feuere die auch insgeheim an, wenn ich die Spiele sehe. Viel Wehmut hat man da eigentlich nicht.

Gressel: Ich habe mich damit ganz gut abgefunden, dass ich meine zweite Saison in DC bin und dieser Trade so stattgefunden haben. Ich schaue die Spiele von Atlanta mittlerweile ganz neutral an.

Weder der Kader von Chicago, noch der von DC haben sich zur neuen Saison groß verändert. Auf großen Transfers und Trades haben beide Teams verzichtet. Viele US-Experten gehen davon aus, dass die Abläufe dadurch besser werden und eure Klubs dadurch gute Chancen auf die Playoffs haben. Wie seht ihr das?

Herbers: Kontinuität ist immer gut für den Klub. Im letzten Jahr hatten wir das Gefühl, dass wir ein komplett neues Team sind auf dem Platz, die sich erstmal finden muss. Wir hatten in der letzten Saison das Gefühl, dass die Mannschaft das Potenzial für die Playoffs hatte und haben das Ziel dann um einen Punkt verpasst. Entsprechend hat der Verein nicht viel verändert und wir hoffen, dass wir die Playoffs schaffen.

Gressel: Wir haben einen neuen Trainer mit Hernan Losada, aber der Kader ist fast der gleiche wie letzte Saison. Aber DC ist ohnehin nicht als Verein bekannt, der das meiste Geld ausgibt. Der Verein will mit dem Trainer Anreize setzen und neue Qualität reinbringen. Da schaue ich positiv in die Zukunft. Hoffentlich sind wir am Ende vor Chicago und kommen auch in die Playoffs.

Die letzte Saison war in DC eher enttäuschend. Die Fans in der US-Hauptstadt wünschen sich ein bisschen mehr “Gressel-Mania” – also deine Form aus der Zeit bei Atlanta – in dieser Spielzeit. Wie sind deine eigenen Erwartungen das deine zweite Saison?

Gressel: Letztes Jahr war eine schwierige Saison. Ich bin spät getradet worden und wenig Vorbereitung in DC. Und nach zwei Tagen war die Saison auch schon pausiert. Da hatte ich keinen Kontakt zu den neuen Mitspielern für längere Zeit. Da war es schwer, mich einzuleben. Dieses Jahr haben wir klare Ideen, was wir spielen wollen und der Trainer hat klare Vorstellungen, welchen Job er von mir erwartet. Das hilft mir unheimlich und ich hoffe, dass ich da meine Qualitäten wieder hervorbringen kann.

Unter Fire-Trainer Raphael Wicky gab es häufig einen Fabian Herbers in zentraler Mittelfeldrolle, anders als in den ersten MLS-Jahren. Wird es in dieser Spielzeit nochmal offensiver?

Herbers: Wo auch immer ein Platz frei ist, spiele ich (lacht). Zentrales Ziel ist, erst einmal wieder fit zu werden. Letztes Jahr habe ich mich auf der zehn sehr wohl gefühlt und konnte der Mannschaft mit Toren und Assists helfen. Wenn jemand als Rechtsaußen oder auf der sechs gebraucht wird, dann bin ich der letzte, der sagt: da will ich nicht spielen. Es war immer meine Stärke, dass ich flexibel bin, was die Position angeht. Wo immer ich gebraucht werde, da will ich der Mannschaft helfen.

Die MLS ist auf 27 Klubs angewachsen. Lassen sich da Favoriten ausmachen oder ist es in der Breite recht ausgeglichen?

Gressel: Ich glaube schon, dass es Favoriten gibt. Columbus Crew, die letztes Jahr gewonnen haben und noch ein paar gute Spieler dazubekommen haben, wird wieder ein heißer Anwärter sein. Atlanta hat in diesem Jahr viel Geld ausgegeben und einen neuen Trainer geholt. Es gibt schon ein paar Mannschaften, die sich auf dem Papier absetzen. Dahinter ist alles offen und breit gefächert.

Herbers: Seattle war die letzten Jahre immer oben mit dabei, Columbus hat sich nochmal verstärkt. Vielleicht noch Los Angeles FC, wenn Carlos Vela fit ist und Diego Rossi. Jeder kann eigentlich immer jeden schlagen. Es ist nicht vergleichbar mit Deutschland, wenn der FC Bayern nach Mainz fährt und jeder mit einem Sieg rechnet.

In Europa kocht das Thema Superliga gerade hoch. Aber auch FIFA-Präsident Gianni Infantino hatte jüngst betont, eine Verschmelzung der MLS mit der mexikanischen Liga würde eine der besten Ligen der Welt ergeben. Haltet ihr so einen Schritt für vorstellbar?

Gressel: Das ist schwer zu sagen. Rein fußballerisch wäre es interessant, aber dafür haben wir die Champions League, wo die besten Vereine aus der ganzen Concacaf gegeneinander spielen. Da hatte Mexiko ganz klar immer die besseren Mannschaften. Und in diesem Wettbewerb muss die MLS jetzt zeigen, dass man da mithalten kann.

Herbers: Das wären auch viel zu viele Mannschaften und bei Auf- und Abstieg würden die Investoren nicht mitmachen. Wenn sie 300 Millionen in ein Team stecken dann ist es schwierig denen zu vermitteln, unten anzufangen und sich bis in die erste Liga hochzukämpfen. Das wird sich so nicht darstellen lassen.

Mit Fabian Herbers und Julian Gressel sprach Michael Bauer

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