Hongkong – die neusten Entwicklungen


Die neusten Entwicklungen

Peking hat Hongkong ein Sicherheitsgesetz aufgezwungen. Seither werden immer wieder Oppositionelle festgenommen. Erklärt das Gesetz das Ende der Autonomie von Hongkong, wie Kritiker sagen?

Arbeiter entfernen die «Säule der Schande» des Künstlers Jens Galschiøt an der Universität von Hongkong.

Tyrone Siu / Reuters

Die neusten Entwicklungen

  • Eine weitere Universität in Hongkong will eine Statue in Erinnerung an die Opfer der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 in China von ihrem Campus verbannen. Wie die Zeitung «South China Morning Post» am Sonntag (26. 12.) berichtete, suche die Studentenvereinigung der City University nach einem alternativen Standort für die «Gottheit der Demokratie», nachdem sie von der Universitätsverwaltung zur Entfernung der Statue aufgefordert worden sei. Zuvor hatten in den vergangenen Tagen bereits drei Universitäten in Hongkong ähnliche Denkmäler im Gedenken an die Tian’anmen-Opfer entfernen lassen: die Hongkong University, die Chinese University und die Lingnan University.
  • Die Universität von Hongkong hat eine Skulptur zur Erinnerung an die Opfer der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 in China von ihrem Campus entfernen lassen. Die acht Meter hohe «Säule der Schande» des dänischen Künstlers Jens Galschiøt wurde in der Nacht zum Donnerstag (23. 12.) zerlegt und abtransportiert. Die Beseitigung des Mahnmals löste scharfe Kritik von Mitgliedern der Demokratiebewegung in der chinesischen Sonderverwaltungsregion aus. Man habe vergeblich versucht, die Skulptur nach Dänemark zu bringen, sagte Galschiøt der Deutschen Presse-Agentur in Kopenhagen. Das Kunstwerk sei sein Eigentum und nur eine Leihgabe an die Hongkonger Allianz zur Unterstützung der demokratischen Bewegungen in China gewesen. Peking war das Kunstwerk schon lange ein Dorn im Auge, da jede Erinnerung an den Militäreinsatz gegen die Tian’anmen-Bewegung ausgelöscht werden soll. Die Universität begründete die Beseitigung jetzt mit «rechtlichen Risiken». Auch wurden Sorgen über Sicherheitsgefahren durch die «zerbrechliche Statue» geäussert, wie der Radiosender RTHK berichtete.
  • Viele Hongkonger verzichten auf die Teilnahme an der ersten Parlamentswahl seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung. Die Wahlbeteiligung nach Schliessung der Wahllokale lag bei 30,2 Prozent, wie die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» am frühen Montagmorgen (20. 12.) berichtete. Demnach gaben rund 1,35 Millionen Hongkonger ihre Stimme ab. Das Wahlergebnis wird später am Montag erwartet. Nach Angaben Hongkonger Medien handelte es sich um die geringste Wahlbeteiligung in der Geschichte der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Der Hongkonger Demokratieaktivist Nathan Law hat im Vorfeld die Wähler in seiner Heimatstadt dazu aufgerufen, die Parlamentswahlen zu ignorieren und der Abstimmung keine Legitimität zu verleihen.
  • Acht weitere Hongkonger Aktivisten müssen wegen ihrer Teilnahme an einem verbotenen Gedenken an die Opfer des Tiananmen-Massakers für bis zu 14 Monate ins Gefängnis. Nach ihrer vorangegangenen Verurteilung legte ein Hongkonger Gericht am Montag (13. 12.) das Strafmass für die Angeklagten fest. Demnach erhielt der prominente Verleger Jimmy Lai, der bereits wegen anderer unterstellter Vergehen im Gefängnis sitzt, eine zusätzliche Haftstrafe von 13 Monaten. Sieben seiner Mitstreiter wurden zu Gefängnisstrafen zwischen viereinhalb und 14 Monaten verurteilt, wie die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» berichtete. Insgesamt waren 24 Aktivisten und frühere Politiker im Zusammenhang mit der Kerzenandacht im vergangenen Jahr im Victoria-Park verurteilt worden. Einige von ihnen hatten bereits in den vergangenen Wochen eine Haftstrafe erhalten.
  • Hongkong hat drei weitere Bürgerrechtler wegen ihrer Teilnahme an einem verbotenen Gedenkfeier für die Opfer des Tiananmen-Massakers von 1989 in Peking verurteilt. Ausser dem inhaftierten Verleger der unter Druck der Behörden eingestellten Zeitung «Apple Daily», Jimmy Lai, wurden die Anwältin und Mit-Organisatorin Chow Hang-Tung sowie die Aktivistin Gwyneth Ho am Donnerstag (9. 12.) für schuldig gesprochen. Die drei waren die letzten von insgesamt 24 Aktivisten und früheren Politikern, die im Zusammenhang mit der Kerzenandacht im vergangenen Jahr im Hongkonger Victoria-Park verurteilt wurden. Nach einer Aufstellung der «South China Morning Post» erhielten bisher zehn von ihnen Haftstrafen bis zu zehn Monaten und drei jeweils Bewährungsstrafen. Das Strafmass für alle anderen soll am Montag (13. 12.) verkündet werden.
  • Hongkong hat einen Demokratieaktivisten Ende November zu drei Jahren und sieben Monaten Haftstrafe verurteilt. Die Behörden gehen damit auf Grundlage des von Peking entworfenen Gesetz zur nationalen Sicherheit weiter gegen politisch Andersdenkende vor. Der 20-jährige Tony Chung hatte sich Anfang November schuldig bekannt hatte, die Abspaltung Hongkongs vom chinesischen Mutterland zwischen Juli und Oktober 2020 angestrebt zu haben. «Auch wenn der Angeklagte keine konkreten Pläne zur Abspaltung des Landes hatte, so war sein Ziel doch sehr klar», sagte der Richter Stanley Chan laut der lokalen Nachrichtenagentur. Chung hatte unter anderem auf sozialen Netzwerken zur Teilnahme an Protesten aufgerufen. Er ist der bisher jüngste Aktivist, die auf Grundlage des Sicherheitsgesetzes verurteilt wurde. Zuvor waren die Aktivisten Tong Ying-kit und Ma Chun-man zu 9 Jahren beziehungsweise 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden.

Im Sommer und Herbst 2019 gab es in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong heftige Proteste gegen die Peking-nahe Regierung. Gefordert wurden mehr demokratische Rechte für die Bürgerinnen und Bürger. Regelmässig gab es schwere Ausschreitungen. Die Polizei ging mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor.

Auslöser für die Proteste war ein vorgeschlagenes Auslieferungsgesetz über flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen, das Auslieferungen von Häftlingen an die Volksrepublik China ermöglichen sollte. Die Regierungschefin Carrie Lam nahm das Auslieferungsgesetz zwar zurück. Im Juni 2020 verabschiedete der chinesische Volkskongress dann aber ein Sicherheitsgesetz für Hongkong. Dieses stellte zahlreiche Aktivitäten der Opposition unter Strafe.

Im März 2021 beschloss Peking auch ein neues Wahlrecht, das in Hongkong die Demokratie weiter einschränkt. Peking erhält mehr Kontrolle über die Zusammensetzung des Parlaments in der Sonderverwaltungszone. Am 19. Dezember 2021 finden nun die ersten Wahlen, zu denen nur noch «patriotische» Kandidaten zugelassen werden, statt. Demokratieaktivisten forderten Hongkonger auf, die Wahlen zu boykottieren. Xia Baolong, der höchste Abgesandte der Zentralregierung in Hongkong, sagte hingegen, dank dieser Wahlen erlebe Hongkong zum ersten Mal eine «echte Demokratie».

Das Gesetz über nationale Sicherheit hatte zum Ziel, in Hongkong nach monatelangen Protesten wieder Ruhe und Ordnung herzustellen. Das Gesetz ist am 1. Juli 2020 in Kraft getreten. Daraufhin kam es erneut zu Protesten.

Peking schaute mit Sorge auf die Demonstrationen für mehr Freiheit und Demokratie in Hongkong, die wegen eines inzwischen für nichtig erklärten Auslieferungsgesetzes, das mit China hätte abgeschlossen werden sollen, begonnen hatten. Gewalttätige Demonstranten verbrannten die chinesische Staatsflagge und bewarfen die Ständige Vertretung Pekings in der Stadt mit schwarzer Farbe – für die chinesische Regierung sind das unentschuldbare Provokationen. Vertreter Pekings haben die Demonstranten wiederholt als Terroristen bezeichnet.

Am 1. Juli 2020 kam es in Hongkong zu Protesten gegen das neue Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit. Hunderte von Demonstranten sind in der chinesischen Sonderverwaltungsregion festgenommen worden.

Am 1. Juli 2020 kam es in Hongkong zu Protesten gegen das neue Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit. Hunderte von Demonstranten sind in der chinesischen Sonderverwaltungsregion festgenommen worden.

Anthony Kwan / Getty

Das Sicherheitsgesetz ist schärfer ausgefallen als erwartet. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Obwohl den Hongkongern beim Souveränitätswechsel 1997 Freiheitsrechte und Autonomie garantiert wurden, können chinesische Stellen in Hongkong künftig eigenmächtig Ermittlungen durchführen und Rechtshoheit ausüben. Das Oberste Gericht Chinas kann «komplizierte» Fälle, in denen es beispielsweise um ausländische Einmischung geht, an eine Staatsanwaltschaft und ein Gericht in der Volksrepublik überweisen. Damit werden Verdächtige der chinesischen Justiz ausgeliefert – ähnlich wie im für nichtig erklärten Auslieferungsgesetz geplant.

Das Gesetz richtet sich unter anderem gegen «Abspaltung» oder «Untergrabung der nationalen Einheit». Es werden Bemühungen genannt, eine Unabhängigkeit Hongkongs oder anderer Gebiete anzustreben, die Peking als Teil der Volksrepublik ansieht. Damit kann es auch um Taiwan, Tibet oder Xinjiang gehen. Bestraft wird auch die «Untergrabung der Staatsgewalt», was heute in der Volksrepublik schon im Umgang mit Bürgerrechtlern sehr weit interpretiert wird – etwa wenn die Zentralgewalt mit Forderungen nach Demokratie infrage gestellt wird.

Ferner richtet sich das Gesetz gegen «terroristische Aktivitäten». Dazu zählen Gewalt gegen Personen, Brandstiftung und die Zerstörung von Transporteinrichtungen. In diese Kategorie gehört damit auch Vandalismus in U-Bahn-Stationen wie bei den Ausschreitungen im vergangenen Jahr. Das Gesetz bestraft auch «geheime Absprachen» mit Kräften im Ausland. Es kann sich auf den Ruf nach Sanktionen oder auf «feindliche Aktivitäten» gegen Hongkong oder China beziehen. Als Höchststrafe für die genannten Delikte ist lebenslange Haft vorgesehen.

Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping und der Regierungschef Li Keqiang geben während der Plenarsitzung des chinesischen Volkskongresses am 28. Mai 2020 ihre Stimme ab.

Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping und der Regierungschef Li Keqiang geben während der Plenarsitzung des chinesischen Volkskongresses am 28. Mai 2020 ihre Stimme ab.

Roman Pilipey / EPA

Die Regierungschefin Carrie Lam hat versucht, die Kritiker zu beschwichtigen: Das Sicherheitsgesetz ziele nur auf eine «Handvoll von Gesetzesbrechern». Die Werte und die Freiheiten Hongkongs würden bewahrt, wie auch die Unabhängigkeit der Hongkonger Justiz.

Doch bereits nach wenigen Monaten wurde klar, dass das Gesetz darauf abzielt, die demokratische Opposition in Hongkong und ihre Unterstützer auszuschalten. In den zwölf Monaten seit dem Erlass des Gesetzes haben die Behörden insgesamt über 120 Personen wegen angeblicher Verstösse gegen das Gesetz festgenommen. 60 von ihnen wurden angeklagt, unter ihnen prodemokratische Politiker, Aktivisten, Journalisten und Studierende. Dutzende wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie Proteste oder Gedenkfeier organisiert, daran teilgenommen, oder aus Social Media dafür geworben hatten.

Der 24-jährige Tong Ying-kit war der erste Aktivist, der Ende Juni 2021 auf Grundlage des Sicherheitsgesetzes verurteilt wurde. Wenige Stunden nach Inkrafttreten des Gesetzes war Tong am 1. Juli vergangenen Jahres bei Protesten mit seinem Motorrad in eine Polizeisperre gefahren, danach wurde er festgenommen. Er hatte eine Flagge mit dem Slogan der Protestbewegung «Befreit Hongkong – Revolution unserer Zeit» dabei. Tong muss neun Jahre ins Gefängnis.

Längst zeichnet sich ab, dass Hongkongs Autonomie wachsender autoritärer Kontrolle weichen muss. In der einstigen Bastion für Medienfreiheit Hongkong hat die Regierung die prodemokratische Zeitung «Apple Daily» finanziell ausgetrocknet, ihre führenden Köpfe, Journalisten und Redaktoren verhaftet. Ende Juni erschien die Zeitung zum letzten Mal. Die jährliche Gedenkdemonstration für die Opfer des Tiananmen-Massakers war dieses Jahr verboten, offiziell aufgrund der Coronavirus-Pandemie. Peking-kritische Bücher wurden aus den Bibliotheken verbannt. Und die Polizei setzt Spitzel-Hotlines ein.

Die Wirtschaft Hongkongs hat sich seit dem sogenannten Sicherheitsgesetz hingegen erholt.

Hongkonger Aktivisten demonstrieren gegen die Pläne der chinesischen Führung, eigene Gesetze zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong zu erlassen. Diese Aufnahme stammt vom Sonntag, 24. Mai 2020.

Hongkonger Aktivisten demonstrieren gegen die Pläne der chinesischen Führung, eigene Gesetze zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong zu erlassen. Diese Aufnahme stammt vom Sonntag, 24. Mai 2020.

Tyrone Siu / Reuters

Mit einer Reform des Wahlrechts vom März 2021 schränkt China die Demokratie in Hongkong deutlich ein. Künftig wird ein neues Komitee die Kandidatinnen und Kandidaten für wichtige politische Ämter auswählen. Das prodemokratische Lager wird so chancenlos. Auch im Hongkonger Parlament gibt es nur noch das Peking-treue Lager. Wahlkandidaten müssen «patriotisch» korrekt auf Linie sein, sonst dürfen sie gar nicht erst antreten.

Die neuen Regeln sehen zudem vor, dass das Hongkonger Parlament vergrössert wird, die Zahl der direkt von der Bevölkerung gewählten Abgeordneten aber massiv verringert wird. Bisher war die Hälfte des Legislativrats direkt gewählt worden. Der chinesische Volkskongress hiess die Wahlrechtsreform gut. Die chinesische Staats- und Parteiführung hat die Wahlrechtsänderung für Hongkong Ende März 2021 offiziell in Kraft gesetzt.

Seit dem 1. Juli 1997 gehört Hongkong wieder zu China und wird nach dem Grundsatz «Ein Land, zwei Systeme» als eigenes Territorium regiert. Diese Vereinbarung sieht eigentlich vor, dass die sieben Millionen Hongkonger bis 2047 «ein hohes Mass an Autonomie» und viele Freiheiten geniessen. Seit der Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes sagen viele aber nur noch: «Ein Land, ein System.»

Experten von Menschenrechtsorganisationen sagen, dass Hongkong schrittweise zu einer weiteren chinesischen Wirtschaftsmetropole umfunktioniert werden soll, ähnlich wie Schanghai: wirtschaftlich prosperierend, politisch kontrolliert. Das ist bereits zum Teil Realität geworden.

Noch verfügt Hongkong über eine lebendige Zivilgesellschaft. Doch Kritiker sagen, dass das Gesetz die Meinungsfreiheit einschränke und Proteste unterbinde, weil es Angst verbreite. Das Gesetz habe Hongkong das chinesische Strafrecht aufgezwungen und das Justizsystem gekapert. Wie die «Washington Post» in einer Recherche herausgefunden hat, gibt es zum Beispiel bereits Anzeichen dafür, dass digitale Überwachung und Zensur langsam in Hongkong Einzug halten. China sagt, das Gesetz habe Hongkong wieder Stabilität gebracht.

Demonstranten formen eine Menschenkette, um ihren Unmut gegen die prochinesische Regierung auszudrücken. Die Aufnahme stammt vom Silvesterabend 2019.

Demonstranten formen eine Menschenkette, um ihren Unmut gegen die prochinesische Regierung auszudrücken. Die Aufnahme stammt vom Silvesterabend 2019.

Navesh Chitrakar / Reuters

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