Indie Campers im Test: Mit dem Van in den Schnee – geht das?

Indie Campers im Test: Dem Schnee hinterher: Mit dem Camper in den Skiurlaub – geht das?

Ein warmer Winter wie dieser kann die Skisaison ordentlich verhageln. Vor allem, wenn die Unterkunft im Skigebiet schon gebucht ist. Da wäre ein Camper doch genau das richtige. Oder? FOCUS-Online-Redakteurin Philine Lietzmann hat das Winter-Vanlife getestet.

Die Bergspitzen am Ende des Tales leuchten in der Sonne. Ein Gipfel sticht hervor: Das Galtjoch. Hier standen wir keine 24 Stunden vorher am Gipfelkreuz.

Jetzt stehen wir auf dem Parkplatz einer Liftanlage. Die Standheizung bollert und das Wasser zischt auf dem Herd. Gleich gibt es Kaffee. Aber noch ist Zeit sich in den Decken unseres Campers zu kuscheln.

Also eigentlich nicht unseres Campers, denn der “Nomad”, ein ausgebauter Fiat Ducato stammt aus der Flotte von Indie Campers, eines Verleihs für Campervans und Wohnmobile. Als ehemalige Van-Besitzerin weiß ich, wie viel Aufwand ein Camper sein kann und wie teuer Steuer und Versicherung werden – und bin deswegen froh, heute mit einem geliehenen Mobil unterwegs zu sein, das ich am Ende des Wochenendes einfach wieder in München abgeben kann.

Der “Nomad” ist das Wintermobil von Indie Campers, mit Standheizung und heißer Dusche ist man völlig unabhängig von allen Annehmlichkeiten eines Hotels. Eine Küchenzeile mit Kühlschrank und zwei Gaskochfeldern, ein Bad mit Toilette sowie ein Doppelbett mit insgesamt vier Schlafplätzen gehören genauso zur Ausstattung wie eine Zweitbatterie, die während der Fahrt wieder geladen wird. Das bedeutet, zum langen Stehen ist der Nomad weniger geeignet, die Batterie liefert zwar genug Strom für ein bis zwei Tage, aber spätestens dann, braucht sie eine neue Ladung, eine Solarzelle auf dem Dach hat der Nomad nämlich nicht.

Doch uns stört das nicht. Wir sind auf der Suche nach gutem Schnee, es ist der Winter 2020 und es ist gar nicht so leicht, gute Flecken nahe Münchens zu finden. Viele Winterurlauber müssen sich mit weißen Streifen in grünen Hängen zufrieden geben. Die ersten Powder-Jäger buchen schon Flüge nach Japan, wir hingehen, wollen in der Tiroler Zugspitzarena am Fuße der Zugspitze fündig werden. Aber Campen im Winter .. ist das nicht viel zu kalt und ungemütlich?

Ausführliche Einweisung ins Vanlife

Das will ich an diesem Wochenende testen. Also hole ich an einem milden Freitagabend im Januar den Nomad beim Indie-Camper-Depot außerhalb von München ab. Ein Mitarbeiter holt mich von der S-Bahn ab und bringt mich zu einem ehemaligen Bauernhof, der nun als Vandepot dient. Der Nomad steht schon vor der Tür, mit voller Batterie, 70 Litern Wasser im Tank und Chemietabs in der Toilette. Der Mitarbeiter erklärt den Van. Dafür sollten vor allem Vanlife-Neulinge etwas Zeit mitbringen, denn die vielen Feinheiten des Vans vom Knopf für die Zentralbeleuchtung, zum Boiler fürs Wasser bis hin zum Gasanschluss sind ohne Erklärung nur schwer zu finden. Ich habe für unsere Pow-Hunting-Mission außerdem Schneeketten dazugebucht, gerade in Tirol sind sie oft Pflicht. Gebraucht haben wir sie aber nicht.

Dann übergibt der Mitarbeiter mir die Schlüssel und ich starte den Motor. Noch nie zuvor bin ich ein solches Ungetüm von Van gefahren. Der Fiat Ducato ist fast 5,5 Meter lang und 2,7 Meter breit. Und eins vorweg: Eine Rückfahrkamera gehört nicht zur Ausstattung.

Die ersten Kilometer bis zur Autobahn schleiche ich so vorsichtig wie möglich durch kleine Dörfer. Dann beginnt das Ganze Spaß zu machen. Mit seinen 130 PS ist der Nomad trotz der Größe und des Ausbaus längst nicht der Langsamste auf der Autobahn und der Wagen liegt ruhig auf der Straße. Dank einer integrierten Smartphone-Halterung ist auch die Navigation kein Problem (Ladekabel nicht vergessen!). Richtig sparsam ist er für einen Diesel mit seinen knapp 7 Litern auf 100 Kilometern zwar nicht, aber für unseren kurzen Wochenendtrip spielt das keine Rolle.

Nicht so geräumig wie ich dachte

Zuhause will ich zwei Paar Ski, ein Snowboard und ein Paar Langlaufski in den Kofferraum laden, doch die Latten sind zu lang. Also kommen sie in eine Decke gewickelt aufs obere Bett. Auch unsere restliche Ausrüstung ist schnell verstaut. Küchenutensilien kann man getrost zuhause lassen, die liefert Indie Campers mit. Auch Bettwäsche wird gestellt, aber da sie in unserem Fall frisch verschweißt war, haben wir uns für unsere eigene Decke entschieden. Damit sind wir startklar.

Am ersten Abend brechen wir noch spät von unserem Heimatort nahe München auf in Richtung Garmisch-Patenkirchen. Eigentlich wollten wir die erste Nacht auf einem Camping-Platz verbringen, doch wir sind zu spät dran. Die meisten Plätze schließen um 19 Uhr. Also übernachten wir auf einem Parkplatz nahe der Bundesstraße, deutlich uriger als es klingt in einem kleinen Wäldchen. Der Nomad spielt seine Vorzüge von Anfang an aus: Es ist warm, Abendessen haben wir eingepackt und das Bett ist schnell hergerichtet und auch für meinen Freund mit seinen 1,85 Metern lang genug.

Am nächsten Morgen besorgen wir bei einem Bäcker zwei Dörfer weiter Brötchen und Schokocroissants, kochen Kaffee und frühstücken gleich bei ihm auf dem Parkplatz. Dann fahren wir weiter in ein Tal der Tiroler Zugspitzarena um eine Skitour in Angriff zu nehmen. Wer Powdern will, muss laufen, heißt es aktuell.
Die Tour ist ein großer Erfolg, die Anstrengung des Aufstiegs wird mit einem tollen Ausblick und einer abenteuerlichen Abfahrt belohnt. Zurück am Van merke ich jedoch wie jedes Mal schon jetzt die Müdigkeit und bin froh, nicht noch 150 Kilometer nach Hause fahren zu müssen.

Stattdessen ist der Van immer noch schön warm, die Wechselklamotten warten schon und bald finden wir auch noch einen Parkplatz an einer Liftstation, wo Camper geduldet werden.

Eine heiße Dusche auf dem Parkplatz

Dort schmeißen wir den Boiler an, etwas unsicher, wie viel Wasser wir beim Duschen normalerweise verbrauchen. Im Nomad stehen pro Aufheizvorgang 12 Liter Wasser zu Verfügung. Das müsste reichen. Oder?

Tut es. Nach einer heißen und überraschend starken Dusche ziehen wir uns unsere Jacken über und wandern ins Dorf, um Abend zu essen. So zahlen wir zwar kein Hotel hier, unterstützen aber dennoch die Wirtschaft vor Ort – ein Kompromiss, den jeder Vanlifer selbst für sich finden muss. Gern gesehen, sind die immer weiter wachsenden Scharen von Vans in kaum einem Skiort mehr.

Philine Lietzmann
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Philine Lietzmann
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Am nächsten Morgen ist der Nomad immer noch schön warm, auch wenn die Tanknadel sich kaum bewegt hat. Die Dieselheizung scheint wirklich sparsam zu sein. Eine meiner größten Sorgen war, irgendwann mit leerem Tank im eiskalten Van aufzuwachen, das ist also völlig unbegründet.

Dafür zeigt die Anzeige der Zweitbatterie, dass diese schon zu drei Vierteln leer ist. Wir müssen also bald wieder Strecke machen, wenn wir nicht im Dunkeln sitzen wollen. Aber das macht nichts, denn wir wollen eh ein Tal weiter fahren, um noch eine Tour zu finden. Leider gibt es in dem Dörfchen, in dem wir stehen, keinen Bäcker, der auf hat. Zum Glück kommt eine Freundin aus München und bringt Frühstück mit.

Wenig Platz, aber gemütlich

Zu Dritt im Camper merken wir jetzt schon, dass der Platz begrenzt ist. Wenn jemand aufs Klo will, sitzen die anderen beiden am besten entweder in der Sitzecke oder auf dem Bett und auch die Rucksäcke packen wir lieber draußen, um uns nicht ständig gegenseitig in die Quere zu kommen.

Dann brechen wir auf und haben wieder Glück. In einem kleinen Kar finden wir noch unverspurten Pulverschnee, den wir so lange zerfahren, bis unsere Felle nicht mehr halten.

Sauber zurück

Zurück im Tal verpacken wir Ski und Snowboard wieder auf dem Zweitbett, ziehen uns noch gemütlich um, sichern alle Schubladen und machen uns dann auf den Heimweg. Dort wartet noch der anstrengende Teil: Ausladen, Durchwischen, Wasser ablassen. Aber zu zweit ist das schnell erledigt – sooo groß ist der Nomad dann eben doch nicht.

Früh am nächsten Morgen bringe ich den Van wieder zum Depot bei München. Eine andere Mitarbeiterin übernimmt ihn, geht mit mir wie bei einem normalen Leihwagen die bekannten Schäden durch und am Ende gebe ich den Schlüssel ab und setze mich in die S-Bahn ins Büro. Ganz hinten am Horizont glühen die Berge im Morgenrot. Noch so viele potenzielle Touren, denke ich. Und überlege, wann ich wohl das nächste Mal mit einem Camper zum Tourengehen fahren werde – gemütlich war es auf jeden Fall.

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pli/