Klassenkampf und Stempelsteuer: Funiciello und Noser streiten

Steuergeschenke für Grosskonzerne, mehr Abgaben auf Lohn, Rente und Konsum: Mit den Abstimmungen über sozial- und steuerpolitische Fragen bläst die Linke zum Klassenkampf. Ist das mehr als Geisterbeschwörung? Im Streitgespräch ersparen sich die SP-Nationalrätin Tamara Funiciello und der FDP-Ständerat Ruedi Noser gegenseitig nichts.

Die SP-Nationalrätin Tamara Funiciello und der FDP-Ständerat Ruedi Noser sind sich selten einig.

Frau Funiciello, Sie müssen der bürgerlichen Parlamentsmehrheit dankbar sein: Die Abschaffung der Stempelsteuer auf Eigenkapital ist eine Steilvorlage für Ihre Partei, um die Klassenkampf-Rhetorik wiederzubeleben.

Tamara Funiciello: Es ist nie gut, wenn das Parlament Entscheide trifft, die den Interessen der Mehrheit der Menschen in diesem Land zuwiderlaufen. Wir stimmen in diesem Jahr darüber ab, ob Unternehmen weitere Steuerprivilegien erhalten sollen. Zugleich sollen im gleichen Jahr die Renten gekürzt werden. Es ist klar, dass sich da die Frage der sozialen Gerechtigkeit stellt.

Ruedi Noser: Das ist doch nicht wahr! Mit der anstehenden Reform der Altersvorsorge wird keine einzige Rente gekürzt. Auch wenn die Frauen künftig ein Jahr länger arbeiten müssen, findet faktisch kein Rentenabbau statt. Auch von einer steuerlichen Entlastung der Unternehmen kann keine Rede sein. Wir stimmen in diesem Jahr auch darüber ab, ob für die Unternehmen künftig ein Gewinnsteuersatz von mindestens 15 Prozent gelten soll. Wie man da von einer Privilegierung des Kapitals sprechen kann, ist mir schleierhaft.

Frau Funiciello, warum sind Sie der Ansicht, dass die Abschaffung der Emissionsabgabe eine schlechte Idee ist?

Funiciello: Die Pandemie hat dem Bund Schulden in Höhe von über 30 Milliarden Franken beschert. Allein deswegen ist es der falsche Zeitpunkt, die Finanzbranche steuerlich zu entlasten. Dazu kommt, dass die Stempelsteuer in den letzten 25 Jahren schon 13 Mal gesenkt worden ist – ganz abgesehen von unzähligen anderen neuen Privilegien für Konzerne und Grossaktionäre. Diese bürgerliche Salamitaktik führte zu Steuerverlusten von mindestens 5 Milliarden Franken pro Jahr. Im gleichen Zeitraum wurde die Mehrwertsteuer 3 Mal erhöht. Die Steuergeschenke für die Unternehmen werden also durch die Konsumenten berappt.

Herr Noser, weshalb braucht es die Abschaffung der Stempelabgabe gerade jetzt, wo der Bund doch wegen der Pandemie Schulden in Milliardenhöhe angehäuft hat?

Noser: Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, dass Unternehmen investieren und damit für Wachstum sorgen. Die Emissionsabgabe auf Eigenkapital hindert sie daran. Damit müssen sie ein Prozent an den Fiskus abliefern, noch bevor sie überhaupt etwas investieren. Das ist, wie wenn man von den Leuten Eintritt dafür verlangen würde, wenn sie in den Coop oder die Migros wollen.

Was bringt die Abschaffung volkswirtschaftlich?

Noser: Jedes Unternehmen, das in der Schweiz investieren will, profitiert. Jährlich sind das 2200 Firmen, KMU wie Grosskonzerne. Über 20 Jahre gesehen, sind damit sehr viele Unternehmen betroffen. Volkswirtschaftlich erst recht relevant ist das, weil es sich ausnahmslos um Firmen handelt, die wachsen wollen.

Funiciello: Das stimmt doch nicht! Die grössten Profiteure wären jene 60 Konzerne, die gut die Hälfte dieser Steuer bezahlen. Für sie liegt die Emissionsabgabe im Promillebereich des gesamten Steueraufkommens. Diese Unternehmen werden auch in Zukunft nicht mehr investieren. Viel stärker ins Gewicht fallen für sie zum Beispiel die Beträge, die Unternehmen den Banken für die Aufnahme von neuem Kapital bezahlen müssen. Diese betragen bis zu 7 Prozent – im Vergleich zu einem einzigen Prozent für den Staat.

Tamara Funiciello: «Sie wollen charismatische Wirtschaftsführer? Ich traue der Bevölkerung mehr zu.»

Tamara Funiciello: «Sie wollen charismatische Wirtschaftsführer? Ich traue der Bevölkerung mehr zu.»

Sie sagen damit, dass die Emissionsabgabe auch für den Bund vernachlässigbar ist?

Funiciello: Keinesfalls. Wir sollten die Einnahmen nicht unterschätzen, die der Bund damit erzielt. Mit den 250 Millionen Franken pro Jahr könnte etwa der Vaterschaftsurlaub finanziert werden.

Herr Noser, ist die Abgabe für die Unternehmen tatsächlich eine Bagatelle?

Noser: Nein. Dieses eine Prozent ist für die Unternehmen sehr wohl ausschlaggebend. Wie gesagt, werden in den nächsten Jahren die Gewinnsteuern für die Unternehmen auf mindestens 15 Prozent erhöht. Mit der Abschaffung der Emissionsabgabe gibt die Schweiz Gegensteuer. Das ist auch nötig. In Berlin wird Elon Musk das Land geschenkt, damit er dort ein Tesla-Werk baut.

Sie befürchten, dass Unternehmen wegziehen könnten?

Noser: Für die Unternehmen muss das Gesamtpaket stimmen. Wenn sie bei uns Steuern bezahlen müssen für das Kapital, das sie ins Land bringen, ist das eine ganz schlechte Ansage. Die Fabrik wird dann eben nicht hier gebaut, sondern irgendwo im Ausland. Und Startups siedeln sich lieber anderswo an, wenn sie hier geschröpft werden.

Frau Funiciello, wollen Sie Jungunternehmen das Leben schwermachen?

Funiciello: Nein. Weder für Startups noch für KMU und Grossunternehmen fällt die Emissionsabgabe ins Gewicht. Mir ist aber ein anderer Punkt wichtiger. Die Stempelsteuer ist Teil eines Kompromisses, den wir in den 1990er Jahren mit den Bürgerlichen eingegangen sind: Die Stempelsteuer wird beibehalten, dafür wird der Finanzbranche die Mehrwertsteuer auf vielen Dienstleistungen erlassen. Diesen Deal will man nun aufbrechen.

Herr Noser: Wird mit der Abschaffung der Emissionsabgabe tatsächlich ein sozialer Deal gebrochen?

Noser: Nein. Der besagte Kompromiss betraf lediglich den sogenannten Börsenstempel, mit dem Finanztransaktionen belastet werden, sowie die Stempelabgabe auf Versicherungsprämien. Diese beiden Abgaben werden nicht abgeschafft. Kommt es einmal so weit, bin ich der Erste, der eine Unterstellung dieser Finanzdienstleistungen unter die Mehrwertsteuer fordert. Wir sprechen hier aber über die Emissionsabgabe. Und da geht es nicht um den Finanzplatz, sondern darum, dass Unternehmen ihr Eigenkapital aufstocken wollen.

Frau Funiciello, Sie werfen Economiesuisse und Co. vor, die Abschaffung der Stempelsteuer sei das nächste Puzzlestück im Plan, dass der «Finanzbereich, Konzerne und Grossaktionäre nichts mehr zum Gemeinwesen beitragen müssen». Mit Verlaub, das tönt nach einer Verschwörungstheorie.

Funiciello: Ich habe mir das nicht selber ausgedacht. In einem Papier einer vom Finanzdepartement eingesetzten Expertengruppe heisst es schwarz auf weiss, dass das Kapital weiter entlastet und stattdessen nur noch Konsum, Arbeit und Löhne besteuert werden sollen. Die Abschaffung der Emissionsabgabe ist Teil dieses Plans.

Herr Noser, wollen Sie das Kapital immer mehr entlasten und im Gegenzug Rente, Lohn und Konsum stärker besteuern?

Noser: Wir sollten uns an die Fakten halten. In den 1990er Jahren stammten 70 Prozent der direkten Steuern von natürlichen Personen und 30 Prozent von Unternehmen. Dank einer klugen bürgerlichen Steuerpolitik ist das Verhältnis heute genau umgekehrt. Die Behauptung, dass das Kapital ständig entlastet wird, ist also falsch. Nur dank den Steuergeldern der Unternehmen war es überhaupt möglich, die Bildungs- und Sozialausgaben zu verdoppeln, ohne dass sich der Bund verschulden musste.

Trotzdem: Ist die Abschaffung der Emissionsabgabe Auftakt für eine Welle von Steuersenkungsvorlagen?

Noser: Wir tun in der Tat gut daran, nach dem Eigenkapitalstempel auch die Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen und andere Firmensteuern abzuschaffen. Weil aus der Erhöhung der Gewinnsteuern für Unternehmen auf 15 Prozent mehrere Milliarden an Mehreinnahmen resultieren, können wir uns das auch leisten. Was in den Niederlanden vorgefallen ist, sollte uns eine Warnung sein.

Worauf wollen Sie hinaus?

Noser: Dort versuchte die Regierung, die Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen abzuschaffen, um als Unternehmensstandort attraktiv zu bleiben. Sie scheiterte am Veto der Linken im Parlament. Als Reaktion darauf haben der Ölkonzern Shell und der Konsumgüterriese Unilever beschlossen, ihren Sitz nach London zu verlagern. Das Gleiche könnte der Schweiz blühen, wenn sie tatenlos bleibt.

Braucht es zusätzliche Massnahmen, damit der Unternehmensstandort Schweiz attraktiv bleibt?

Noser: Ja. Die moderaten Firmensteuern waren bisher für die Schweiz ein Konkurrenzvorteil. Weil wir diesen verlieren, müssen wir ihn anderweitig wettmachen. Eine Möglichkeit ist, dass wir bei den Steuern für natürliche Personen Korrekturen vornehmen. Nirgendwo auf der Welt ist die Progression so steil wie in der Schweiz. Darüber werden wir sprechen müssen, allerdings auf kantonaler Ebene. Die Mehrwertsteuern müssen dagegen wohl nicht erhöht werden, ausser für die Renten.

Frau Funiciello, was halten Sie davon, dass vermögende Personen künftig steuerlich entlastet werden sollen?

Funiciello: Wir werden uns dagegen mit aller Kraft zur Wehr setzen. Es geht nicht an, dass sich die Politik dieses Landes allein am Wohl jener Bürgerinnen und Bürger ausrichtet, denen es materiell am besten geht. Es gibt in der Schweiz 1,3 Millionen Menschen, die armutsgefährdet sind. Was macht die Politik für sie? Sie zahlen immer höhere Steuern auf ihren Konsum – gleichzeitig steigen Krankenkassenprämien und Mieten. Im Gegenzug schaffen wir es nicht einmal, Kitas für alle zu haben.

Warum hat die Linke nie interveniert, als der Mehrwertsteuersatz in den letzten Jahren erhöht wurde? Warum hat sie zum Teil sogar noch stärkere Erhöhungen verlangt (AHV)?

Funiciello: Ich war bei der Altersvorsorge 2020 gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer für die AHV. Sie ist jedoch derzeit der einzige politisch gangbare Weg, um die Vorsorgewerke finanziell abzusichern.

Wie wollen Sie denn dafür sorgen, dass grosse Unternehmen weiterhin hier in der Schweiz ihre Steuern bezahlen?

Funiciello: Wir sollten uns von den Unternehmen nicht erpressen lassen und stattdessen jene Standortvorteile stärken, die allen Bürgerinnen und Bürgern nützen: gute Ausbildungsstätten, ein ausgebauter Service public, gute Löhne für alle. Davon profitieren auch die Unternehmen.

Noser: Das ist doch naiv. Fragen Sie einmal bei Ihren Parteikollegen in Basel nach, was geschieht, wenn die OECD-Steuerreform ohne entsprechende Ausgleichsmassnahmen umgesetzt wird. Deren Regierung hat als erste Alarm geschlagen, als die Einführung der Mindestsätze konkret wurde. Dort weiss man, dass Basel ohne Novartis und Roche von einem der grössten Nettozahler im Finanzausgleich zum Geldempfänger würde.

Funiciello: Naiv ist es, zu glauben, dass das den Menschen nützt. Als Bernerin kenne ich die Konsequenzen der Basler Steuerpolitik: Wir können uns die Sozialhilfe und die Schulen kaum noch leisten. Den grössten Steuerwettbewerb haben wir in der Schweiz unter den Kantonen – davon profitieren die Unternehmen. Die Menschen aber verlieren, weil es immer weniger Steuersubstrat gibt.

Ruedi Noser: «Das passt halt nicht in Ihre Politik mit den fetten Schlagzeilen.»

Ruedi Noser: «Das passt halt nicht in Ihre Politik mit den fetten Schlagzeilen.»

Frau Funiciello, Ihre Seite beklagt, dass die Privathaushalte immer mehr Steuern und Abgaben leisten müssten. Dabei ist ihre Steuerbelastung laut Studien in den letzten Jahren markant gesunken.

Funiciello: Das sehe ich anders. Allein die Krankenkassenprämien sind in den letzten 20 Jahren um 142 Prozent in die Höhe geschossen. Die Mieten sind zum Teil markant gestiegen. Die Löhne erhöhten sich in der gleichen Zeit bloss um 17 Prozent. Das spüren Normalverdiener im Portemonnaie.

Noser: Sie unterschlagen, dass der Bund in der gleichen Zeit die Entlastungen für die Krankenkassenprämien stark erhöht hat. Und die meisten Mieter zahlen keine Marktmieten. Für sie sind die monatlichen Mietzinsen in den letzten Jahren gar gesunken, weil die Hypotheken zurückgegangen sind. Aber das passt halt nicht in Ihre Politik mit den fetten Schlagzeilen.

Funiciello: Die Entlastung für die Krankenkassen wurde gerade einmal um 40 Prozent erhöht – kein Vergleich zum Anstieg der Prämien. Und vielleicht sind die Mieten in Ihrem Segment gesunken. Dort, wo ich herkomme, können sich Familien keine Wohnungen mehr in der Stadt leisten. Dazu kommt: 10 Prozent der Leute beziehen heute Ergänzungsleistungen. Gleichzeitig gehen die Unternehmensgewinne durch die Decke. Das lässt sich nicht wegdiskutieren.

Noser: Ergänzungsleistungen sind doch keine Almosen, sondern ein Rechtsanspruch von Leuten, die im Leben zu wenig verdient haben. Meine Mutter hatte auch Ergänzungsleistungen. Und das war gut so. Wer will, dass man 100 Prozent mit einem System lösen kann, wird scheitern. Das gibt es nur im Kommunismus.

Funiciello: Wir reden hier über 10 Prozent der Neurentnerinnen und Neurentner, die betroffen sind. Die AHV-Renten sind tief, die Altersarmut in diesem Land ist weiblich. Und ihr redet das einfach schön und werft uns vor, wir seien plakativ!

Noser: Wie wird Armut in der Schweiz definiert? Gemäss Definition im Armutsbericht sind die Leute arm, deren Lohn in den untersten 10 Prozent des Medianlohns liegt. Wir können also jede Massnahme ergreifen, die untersten 10 Prozent bringen wir nie weg. In absoluten Zahlen nimmt die Armut ab. Mir ist Armut nicht egal. Aber man kann nicht einfach pauschalisieren. Wer heute in der Altersarmut ist, kam in einer Zeit in die Pension, als es noch keine Zulagen gab. Wer heute in Rente geht und das ganze Leben gearbeitet oder Kinder betreut hat, bekommt die volle AHV.

Funiciello: Meine Mutter wurde vor zwei Jahren pensioniert und hat direkt Ergänzungsleistungen bezogen. Sie hat ihr ganzes Leben gearbeitet. Es gibt eben Jobs, zum Beispiel im Detailhandel, in denen man 3800 Franken verdient bei 45 Stunden pro Woche. Diese Arbeitnehmer kommen nicht auf einen anständigen Lohn und schon gar nicht auf eine anständige Rente. Das sind Menschen, die nicht zum Zahnarzt gehen, die sich keine Ferien und kein Essen auswärts leisten können.

Damit sind wir bei Ihrem aktuellen Thema, Frau Funiciello. Sie fordern in einem Vorstoss die 35-Stunden-Woche für tiefe und mittlere Einkommen bei vollem Lohnausgleich.

Funiciello: Wir arbeiten gleich viel wie vor der Digitalisierung. Das geht einfach nicht auf. Es ist Zeit, dass der Produktivitätsgewinn der letzten Jahre endlich an die Arbeitnehmenden geht.

Was würde das bringen?

Funiciello: Es würde beispielsweise die Burnout-Gefahr senken. Burnouts kosten uns in der Schweiz 6,4 Milliarden Franken pro Jahr. Dazu kommt, dass die Produktivität steigt, wenn die Menschen weniger arbeiten. Es wäre also eine gute Investition.

Herr Noser, Sie sind IT-Unternehmer. Schaffen wir es mit der Digitalisierung nicht, die Effizienz der Arbeit zu steigern?

Noser: Das Problem ist nicht die fehlende Effizienzsteigerung, sondern der wachsende Staat. Als ich angefangen habe, war der Bund bei 35 Milliarden Budget. Heute sind wir bei 80 Milliarden Franken. Der Staat hat diese Produktivität komplett abgeschöpft.

Haben Sie einen Vorschlag?

Noser: Die 35-Stunden-Woche finde ich komplett falsch. Das ist ein Vorschlag aus der Zeit der Stempeluhr. In der digitalisierten Welt muss es darum gehen, dass man komplett abschalten kann. Dafür müsste man den Ferienanspruch um zwei Wochen erhöhen.

Noch einmal zur Abschaffung der Emissionsabgabe. Vor ein paar Jahren wäre das ein Spaziergang gewesen, das Volk hat wirtschaftsfreundliche Vorlagen ohne Probleme durchgewinkt. Mittlerweile ist die Skepsis gewachsen. Warum?

Noser: Das Hauptproblem ist, dass die Wirtschaft heute keine Gesichter mehr hat. Sie ist anonym geworden. Und sie spricht nicht mehr Dialekt. Da muss man sich nicht wundern, dass das Volk kritisch wird. Wer etwas erreichen will, muss mit Namen hinstehen und sich der Debatte stellen. Die Wirtschaft muss sich in der Gesellschaft engagieren.

Funiciello: Sie wollen charismatische Wirtschaftsführer? Ich traue der Bevölkerung mehr zu. Sie sieht, dass wir auf grosse Krisen zusteuern, die Klimakrise, die Care-Krise. Sie weiss, dass es eine Kursänderung braucht. Diese Ablehnung gegenüber der Wirtschaft ist ein Zeichen, dass sie den heutigen Kurs nicht mehr goutiert und eine andere Politik will. Die Leute brauchen mehr Geld im Portemonnaie, einen gut ausgebauten Service public, mehr Demokratie und einen starken Staat. Dieser hat uns auch durch die gegenwärtige Krise geführt.

Woran machen Sie das fest?

Funiciello: Schon die deutliche Ablehnung der Unternehmenssteuerreform III 2017 zeigte das. Dann kam das Volks-Ja zur Konzernverantwortungsinitiative. Das sind Zeichen eines grundsätzlichen Gesinnungswandels. Die Bevölkerung weiss, dass die Klimakrise uns viel Geld kosten wird. Und zwar hier, in der Schweiz.

Noser: Womit wir wieder bei der Emissionsabgabe wären. Der Solarmodulhersteller Meyer Burger hat 150 Millionen Franken Eigenkapital aufgenommen, zahlte darauf diese Steuer und konnte deswegen entsprechend weniger investieren. Das zeigt doch: Wir brauchen innovative Ideen, Lösungen und Kapital. Der Staat allein wird es nicht richten.

Funiciello: Mit dem einen Steuerprozent auf diese 150 Millionen könnten wir den Leuten von Meyer Burger Krippen zur Verfügung stellen, damit sie ihre Kinder nicht im hintersten Krachen versorgen müssen. Das wäre doch ein Ausgleich.

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