Minderwertigkeitskomplexe: Einfach loswerden | BRIGITTE.de

Bye bye, Selbstzweifel! Minderwertigkeitskomplexe können ganz schön hartnäckig sein. Wir erklären dir, wie du sie aufgibst und deinen Selbstwert aufbaust.

Ich bin einfach nicht gut genug – wer unter Minderwertigkeitskomplexen leidet, kennt dieses Gefühl der eigenen Unvollkommenheit. Es kann zu Beziehungsproblemen, körperlichen Beschwerden oder einem totalen sozialen Rückzug führen. Es wird Zeit, dass wir diese tiefen Selbstzweifel auflösen und ein neues Selbstwertgefühl aufbauen, das negativen Gedanken keinen Platz mehr lässt. Bist du dabei? Los geht’s!

Wann fühlt man sich minderwertig?

Jeder von uns kennt diese Tage, an denen wir zu unserem/r eigenen größten Kritiker:in werden. Nichts erscheint uns mehr gut genug – wir übersehen Stärken und fokussieren uns nur noch auf Makel und Schwächen. Selbstzweifel sind etwas ganz Natürliches. Aber was, wenn sie zur Tagesordnung gehören? Dann werden aus Selbstzweifeln tief verankerte Minderwertigkeitskomplexe. Und diese sind extrem gefährlich für dein eigenes Selbstwertgefühl.

Im schlimmsten Fall können sie dich sogar in einen Burnout oder eine Depression katapultieren – und dann geht gar nichts mehr. Deshalb sollten wir Minderwertigkeitskomplexe sehr ernst nehmen, auch wenn sie nicht als handfeste psychische Erkrankung diagnostizierbar sind. Schaden können sie dennoch. 

Bist du unsicher, ob du mit flüchtigen Selbstzweifeln kämpfst oder ob diese sich bereits zu hartnäckigen Komplexen entwickelt haben? Diese Anzeichen und Symptome deuten auf Minderwertigkeitskomplexe hin:

  • sich ständig nicht wertvoll und minderwertig fühlen
  • ein andauerndes Unterlegenheitsgefühl
  • sehr häufige Vergleiche mit anderen Menschen
  • das Gefühl der Resignation
  • eine starke Ablehnung gegenüber dem eigenen Körper
  • kein Blick mehr für die eigenen Stärken
  • übertriebener Perfektionismus
  • Hoffnungslosigkeit in Bezug auf die eigene Situation
  • Vermeidung von sozialen Kontakten und engen Beziehungen
  • psychosomatische Schmerzen

Vermutest du, dass sich bei dir Minderwertigkeitskomplexe eingenistet haben? Keine Sorge – damit musst du dich nicht abfinden. Auch, wenn du schon länger mit Selbstzweifeln kämpfst – du kannst das Ruder herumreißen.

Wie entsteht ein Minderwertigkeitskomplex?

Den Begriff Minderwertigkeitskomplex kennt man schon seit dem Jahr 1912. Damals widmete der französische Psychiater Pierre Janet dem Thema ein ganzes Buch. Aber wie kommt es, dass manche von uns voller Selbstbewusstsein durchs Leben gehen, während andere mit Minderwertigkeitsgefühlen kämpfen? Die Ursachen sind sehr verschieden:

  • mangelnde emotionale Zuwendung in der Kindheit
  • hohe Leistungsanforderungen beim Aufwachsen
  • Abwertung durch nahestehende Personen
  • häufiges Scheitern, das Gefühl, versagt zu haben
  • häufige Kritik an der Persönlichkeit
  • wenig oder keine Anerkennung
  • Mobbing und Angst
  • verbale und körperliche Attacken

Wir können nicht zurückreisen und die Vergangenheit ändern. Aber wir können heute die Gegenwart so beeinflussen, dass wir einer schöneren Zukunft entgegensehen können. Es lohnt sich also, am eigenen Selbstwertgefühl zu feilen und Zweifel zu überwinden.

Selbstzweifel? Was es für einen starken Selbstwert braucht

Der Autor Nathaniel Branden hat im internationalen Bestseller “Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls durch Studien und Anleitungen genau erläutert, wie sich unser Selbstwert zusammensetzt. Aus diesem viel zitierten Buch können wir jede Menge Tipps ableiten, die zu einer besseren Selbstannahme führen und Selbstzweifel verringern. Dadurch können wir langfristig Minderwertigkeitskomplexe verringern.

Laut Branden sind folgende 6 Kriterien, die sogenannten Säulen, für ein starkes Selbstwertgefühl notwendig:

  1. Bewusst leben
  2. Selbstakzeptanz
  3. Selbstverantwortung
  4. Selbstbewusstsein
  5. Lebensziele
  6. Integrität

Was meint der Autor genau damit? Das sollten wir uns genauer ansehen.

1. Bewusst leben

Unser Umfeld und unsere Umgebung bewusst und klar wahrnehmen – das ist der erste Schritt für ein gesundes Selbstwertgefühl. Wir interpretieren Situationen oft viel negativer, als sie tatsächlich sind und verlieren im Alltag oft unsere Objektivität. Damit unser Selbstwert wächst, müssen wir das Schwarzmalen aufgeben und etwas rationaler denken. Ein böser Blick der Verkäuferin bedeutet also nicht mehr “Sie kann mich nicht leiden“, sondern “Sie hatte wohl einfach einen schlechten Tag.”

2. Selbstakzeptanz

Bevor du ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln kannst, braucht es vor allem eins: Selbstakzeptanz. Wer seinen Körper verabscheut, wird nicht plötzlich am nächsten Tag aufwachen und sein Selbstbild vergöttern. Aber du kannst ihn akzeptieren. Das ist der erste Schritt – annehmen was ist, ohne es zu bewerten. Das hilft uns sehr im Kampf gegen Minderwertigkeitskomplexe, denn ohne negative Wertungen haben es Selbstzweifel sehr schwer!

3. Selbstverantwortung

Stelle dir selbst eine Frage: Glaubst du daran, dass du dein Glück selbst in der Hand hast? Oder bist du davon überzeugt, dass es durch äußere Einflüsse bestimmt wird?

Für einen starken Selbstwert brauchen wir Selbstverantwortung. Das bedeutet, dass wir für unser Handeln (und Nicht-Handeln) Verantwortung übernehmen – und es nicht mehr auf andere schieben. Nicht mehr auf die schwierigen Eltern, die fiese ehemalige beste Freundin, den/die toxische/n Ex.

Jeder von uns trägt sein Päckchen, ganz klar. Dennoch sind wir für unser Leben und unsere Entscheidungen selbst verantwortlich – genau wie für unser Selbstwertgefühl. Durch Selbstverantwortung kommst du aus der Opferrolle heraus und beginnst, dein Leben aktiv selbst in die Hand zu nehmen.

4. Selbstbewusstsein

Der Begriff Selbstbewusstsein wird nach Brandon etwas weniger wörtlich interpretiert: Es geht darum, sich das eigene Selbst bewusst zu machen. Du hast ein Recht auf Glück, auf Zufriedenheit und auf eine Existenz.

In einem Experiment mit Studierenden fand Brandon heraus, dass viele zwar davon ausgehen, ein Recht auf eine Existenz zu haben. Dennoch fiel es ihnen schwer, dies ganz ausdrucksstark auszusprechen.

Mach doch mal den Test – kannst du ohne Zweifel, ohne Unsicherheit behaupten, dass du ein Recht auf eine Existenz auf dieser Welt hast?

5. Lebensziele

Menschen brauchen Ziele! Jedes Mal, wenn wir unser Vorhaben erreichen – ob klein oder groß – wächst unser Selbstwertgefühl ein Stückchen mehr. Wir brauchen etwas, auf das wir hinarbeiten können. Sei es die Beförderung, eine größere Wohnung oder eine schöne Urlaubsreise: Ziele setzen und sie abhaken, das spielt für den Selbstwert und die Selbstliebe eine große Rolle.

6. Integrität

Nach den eigenen Werten handeln und sich nicht verbiegen lassen – das ist Integrität. Und wir brauchen diese ganz dringend, um ein starkes Selbstwertgefühl zu entwickeln.

Arbeitest du in einem Unternehmen, das gegen deine Werte geht? Das ist für den Selbstwert schwierig. Dann fühlst du dich wahrscheinlich falsch am Platz und kannst dich nicht entfalten – der ideale Nährboden für Selbstzweifel und Minderwertigkeitskomplexe. Deshalb lautet die Devise: Sei du selbst und baue dir das Leben so auf, dass du dein Selbst ausleben kannst.

Das waren die sechs wichtigen Säulen des Selbstwertgefühls. Du weißt nun, was Minderwertigkeitskomplexe sind, woher sie kommen und was es für ein starkes Selbstwertgefühl braucht. Aber wie setzen wir die Theorie und dieses Wissen jetzt genau in die Praxis um?

Kann man Minderwertigkeitskomplexe loswerden?

Folgende Tipps können dir helfen, Minderwertigkeitskomplexe endgültig loszuwerden.

Selbstwert Tipp Nr. 1: Achtsamkeit

Weißt du noch, die erste Säule des Selbstwertgefühls nannte sich “bewusstes Leben”. Um dieses zu erreichen, brauchen wir Achtsamkeit im Alltag. Wir müssen wieder lernen, den Moment anzunehmen wie er ist und Situationen nicht mehr so stark zu bewerten. Das Hier und Jetzt neu schätzen lernen – dabei können dir ein paar Bewusstseinsübungen helfen. Hier haben wir dir verschiedene Strategien rund um ein effektives Achtsamkeitstraining vorgestellt.

Selbstwert Tipp Nr. 2: Selbstfürsorge

Kümmerst du dich selbst um dich, wie um deine beste Freundin? Wenn nicht, wird es jetzt höchste Zeit für eine Extraportion Selbstfürsorge. Frage dich täglich:

  • Wie fühle ich mich aktuell?
  • Was brauche ich und was fehlt mir?
  • Was würde mir heute so richtig guttun?
  • Welche positiven Affirmationen kann ich heute definieren?

Durch Selbstfürsorge verbessern wir unsere Selbstakzeptanz, indem wir uns ganz konkret mit unseren Belangen im Hier und Jetzt auseinandersetzen. Und wie Brandon in seinem Bestseller beschrieben hat, ist Selbstakzeptanz ein Grundpfeiler für einen starken Selbstwert. Durch Selbstfürsorge zeigst du dir selbst, dass du wichtig bist. Das wirkt wahre Wunder gegen Minderwertigkeitskomplexe und poliert dein Selbstbild.

Selbstwert Tipp Nr. 3: Stärken neu entdecken

Der innere Kritiker muss ruhiggestellt werden! Lange Zeit hast du dir nur deine Schwächen vorgehalten. Jetzt gilt es den Blick wieder auf all deine positiven Eigenschaften zu richten. Das erfordert natürlich eine kleine Umgewöhnung – trainiere den Blick auf deine Stärken zum Beispiel durch diese Alltagsübungen:

  • für 30 Tage täglich drei Dinge notieren, die du an dir selbst schätzt
  • eine Liste mit zehn Dingen erstellen, auf die du stolz bist (und sie dir immer wieder ansehen!)
  • Affirmationen üben 
  • ein Dankbarkeitstagebuch beginnen
  • eine Morgenroutine finden, die deinen Blick schon früh am Tag in eine positive Richtung lenkt
  • ein Coaching oder einen Kurs starten

Selbstwert Tipp Nr. 4: Setze neue Ziele

Es ist Zeit, ein paar neue Lebensziele aufzustellen oder alte neu zu entdecken! Durch Ziele beziehungsweise durch den Weg dahin wächst unsere Erfahrung – und genau das wollen wir erreichen. Je mehr du gesehen, erlebt, gefühlt hast, desto abgeklärter und abgehärteter bist du. Und desto mehr Fähigkeiten hast du wahrscheinlich gesammelt, was sich ebenfalls positiv auf dein Selbstwertgefühl auswirkt.

Was dir jetzt helfen kann, ist ein kleiner Ausbruch aus der Komfortzone. Nein, es muss nicht gleich die große Weltreise sein: auch kleine Neuerungen können helfen.

Fange klein an. Du könntest zum Beispiel:

  • eine neue Sprache lernen. Mit einer App geht das besonders einfach und unkompliziert.
  • einen neuen Stadtteil kennenlernen. Wer weiß, was du dort entdeckst.
  • ein neues Café besuchen. Dann kannst du gleich berichten, wo es den besten Kaffee gibt.
  • ein neues Hobby beginnen. Dafür musst du noch nicht mal dein Zuhause verlassen – wie wäre es mit Malen oder Bloggen?

Selbstwert Tipp Nr. 5: Sortiere aus

Damit wir ein Leben voller Integrität leben können, sollten wir uns unsere aktuelle Situation genau ansehen. Von Partner:innen über Freund:innen bis zur Berufswahl – wer oder was tut dir wirklich gut und passt zu dir und deinen Werten? Wenn dich etwas oder jemand immer wieder runterzieht und dich dazu bringt, an dir selbst zu zweifeln, kannst du nicht aufblühen. Ein Leben, in dem wir nicht wirklich wir selbst sein können, kann keinen starken Selbstwert hervorbringen.

Minderwertigkeitsgefühle mit einer Psychotherapie behandeln

In einigen Fällen könnte es sein, dass wertvolle Tipps und eine schöne Selbstfürsorge deine Minderwertigkeitskomplexe und Probleme nicht verschwinden lassen. Möglicherweise sind die Ursachen für dein Verhalten tiefliegender und sollten mit Hilfe eines/r Psychotherpeut:in aufgearbeitet werden. Eine Therapie kann helfen, negative Glaubenssätze zu erkennen und zu behandeln. Dafür wird während der Sitzung mit einem Experten oder einer Expertin ein geschützter Reflexionsraum geschaffen. Nach zwei bis drei Gesprächen liegt eine psychologische Diagnose vor und es kann über eine geeignete Behandlung gesprochen werden. 

Wenn die Selbsthilfe gegen Minderwertigkeitskomplexe keine Wirkung zeigt und du dich in deinem Leben eingeschränkt fühlst, kann eine Psychotherapie denkbar sein. Sprich in diesem Fall mit deinem Arzt oder deiner Ärztin oder vereinbare ein kostenloses Erstgespräch mit Psychotherapeut:innen in deiner Nähe.

Hoffentlich können dir diese Tipps dabei helfen, deine Minderwertigkeitskomplexe hinter dir zu lassen.

Tipp: Ein weiteres Buch, das wir dir ebenfalls ans Herz legen können: “Vom Rande der Welt zurück zu mir: Eine Reise zu Resilienz, Selbstliebe und Achtsamkeit” von Stefanie Sander.

Verwendete Quellen:

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Brigitte

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