Russen und Ukrainer am Roten Meer

Als Putin am 24. Februar den Krieg losbrach, machten Tausende von Ukrainern und Russen Ferien am Roten Meer. Mit einem Schlag wurden aus Poolnachbarn Kriegsgegner. Wie gingen sie mit dieser Situation um? Ein Besuch in Sharm al-Sheikh.

Es ist Anfang März, und die Stimmung ist verhalten in diesem in die Jahre gekommenen Fünfsternhotel in Sharm al-Sheikh. Ein Hotelgast sagt: «Hier festzusitzen, ist die Hölle.» Er ist Ukrainer.

Ein anderer Gast fragt sich: «Soll ich ihnen, den Ukrainern, etwas sagen? Wenn ja: was? Soll ich sagen: Es tut mir leid?» Er ist Russe.

Der Name des Hotels spielt in dieser Geschichte keine Rolle, denn sie handelt nicht von den schönsten Tagen im Jahr, sondern von Angst und Mut, von Hass und Hoffnung.

Wie der feine Staub, den der Wind aus den Bergen des Sinai an die Küste trägt, hat sich der Ukraine-Krieg hier am ägyptischen Meer festgesetzt. In den kakifarbenen Kunststoffliegen, in den verblichenen Holzlatten der Sonnenschirme, in den Falten der schrillblauen Badtücher.

Das Hotel ist nur mehr zur Hälfte besetzt. Bis vor wenigen Tagen gab es hier wie immer viele Ukrainer und Russen. Als Putin den Krieg losbrach, waren 16 000 bis 20 000 ukrainische Touristen, je nach Quelle, am Roten Meer in den Ferien: hauptsächlich in Sharm al-Sheikh, Hurghada und Marsa Alam. Weil der Luftraum über ihrem Land gesperrt wurde, sassen sie fest. Wie auch zahlreiche Russen, deren Heimreise schwierig wurde. Die meisten ukrainischen Gäste sind verlegt worden in eines der Dreisternhotels.

Das Rote Meer war schon immer eine beliebte Feriendestination für Osteuropäer. Doch während knapp sechs Jahren, von 2015 bis 2021, blieben die Russen fern. Nach einem Bombenanschlag in einem russischen Flugzeug mit 217 Toten hatte Russland den Flugverkehr nach Ägypten eingestellt.

Stattdessen kamen die Ukrainer. 2021 haben knapp 1,5 Millionen ukrainische Touristen Ägypten besucht. Ägypten ist hinter der Türkei das zweitbeliebteste Reiseland der Ukrainer. Für die Destinationen am Roten Meer machen die Gäste aus der Ukraine einen Drittel des gesamten Tourismus aus.

Als der Krieg ausbrach, erliess Ägypten ein Dekret und wies Hotels an, den Aufenthalt der gestrandeten Ukrainer und Russen zu günstigen Bedingungen zu verlängern. So lange, bis sie in ihr jeweiliges Land zurückkehren oder weiterreisen könnten. Man solle es ihnen an nichts fehlen lassen, hiess es, ganz im Sinne der ägyptischen Gastfreundschaft. Konkret bedeutet dies: 10 Dollar pro Tag für ein Zimmer mit drei Mahlzeiten in einem Dreisternhotel gehen zulasten der Gäste, den Rest übernimmt der ägyptische Staat. Wer es sich leisten kann, bleibt auf eigene Kosten in dem Hotel, das er ursprünglich gebucht hat, und hofft auf einen Preisnachlass.


So wie Oleksi Stepanets, ein 42-jähriger Applikationsentwickler aus Charkiw, der sich den Aufenthalt im Fünfsternhotel weiterhin leistet. «Die Situation ist schon schlimm genug», sagt er. Der Krieg hat eine ukrainische Patchworkfamilie auseinandergerissen. Stepanets, seine zweite Frau, die gemeinsame dreijährige Tochter und seine elfjährige Tochter aus erster Ehe liegen in Ägypten am Pool, die Mutter der älteren Tochter ist in der Ukraine im Kriegsgebiet. Stepanets ist am 19. Februar in Sharm al-Sheikh angekommen, fünf Tage vor Kriegsausbruch. Von der russischen Invasion ist er nicht überrascht worden, im Gegenteil: Er hat die Reise ans Rote Meer gebucht, weil er seine Familie in Sicherheit bringen wollte. «Wäre ich noch überzeugter gewesen, dass es zum Krieg kommen würde, wären auch meine Eltern jetzt hier.»

Oleksi Stepanets, Charkiw: «Ich habe keine Angst zu sterben.»

Oleksi Stepanets, Charkiw: «Ich habe keine Angst zu sterben.»

Stepanets’ Familie kommt aus der Ostukraine, seine Eltern und Schwiegereltern leben mitten in der Stadt Charkiw, die unter russischem Beschuss steht. Oleksi ist mit ihnen über Telegram in regelmässigem Kontakt. Auch seine erste Frau hat in der Metro Schutz gefunden. «Wir sprechen täglich mit ihr.»

Am Pool, am Buffet, an der Hotelreception, überall begegnet Stepanets dieser Tage Russen. Aber Wut oder Aggressionen spürt er nicht. «Warum sollte ich auch? Wir sind hier in Ägypten, es gibt keine Auseinandersetzungen zwischen uns, und vor allem: Diese Russen sind nicht bewaffnet. Wäre ich in der Ukraine, würde ich jeden Russen töten, der mit Waffengewalt in mein Land eindringt.»

Stepanets sagt, Russen und Ukrainer kämen hier im Hotel nur sehr wenig ins Gespräch. Wenn er mit ihnen rede, dann würden sie zwar behaupten, dass auch sie den Krieg verurteilten – aber gegen Putin sei dennoch bloss die Hälfte.

Bald wird Stepanets mit seiner Familie nach Düsseldorf fliegen. Sobald er weiss, dass für seine Frau und seine Töchter gesorgt ist, wird er sie verlassen, um in die Ukraine zu gehen. Und kämpfen. «Meine Stadt ist am Ende, meine Eltern sind in Gefahr, ich bin ihr einziges Kind.»

Oleksi Stepanets schaut mit hellblauen Augen ins Nichts und sagt: «Ich hoffe, dass ich nicht vergebens sterben werde. Ich hoffe, dass ich zwei oder drei Russen mit mir in den Tod nehmen kann. Ich habe keine Angst zu sterben, meine einzige Angst gilt meiner Familie. Natürlich, wenn ich nicht mehr bin, haben meine Töchter keinen Vater mehr. So what? Sollen wir wegrennen, sollen wir den Russen unser Land kampflos überlassen? Ich bin bereit zu sterben.»


Iwan Petrow hat den Krieg überhaupt nicht erwartet. Der schmächtige Russe, der eigentlich anders heisst, ist 35 Jahre alt und Jurist. Er ist am 2.  März, dem siebten Kriegstag, zusammen mit seiner Frau und seiner fünfjährigen Tochter von St. Petersburg nach Sharm al-Sheikh geflogen.

«Man erwacht an einem Morgen und realisiert, dass das eigene Land Krieg angefangen hat. Nicht mit irgendeinem Land, nein, mit einem Bruderland. Ich war total schockiert.» Mit seiner Frau habe er lange überlegt, ob eine Ferienreise nach Ägypten angesichts des Krieges eine gute Idee sei. Sie kamen zu dem Schluss, dass es die schlechtere Variante wäre, nicht zu verreisen. All das Geld, das sie bereits ausgegeben hatten für diese Ferienwoche, und die lange Vorfreude . . . Und: Vielleicht würden das für lange Zeit die letzten Ferien gewesen sein, etwa dann, wenn die Grenzen geschlossen würden. Die Entscheidung sei ihnen nicht leichtgefallen.

Iwan Petrow war sich allerdings nicht bewusst, dass er am Roten Meer auf viele ukrainische Touristen treffen würde. «Sie sprechen Russisch, aber mit einem anderen Akzent, so merkt man, dass sie aus der Ukraine sind.» Er war unsicher, wie er sich ihnen gegenüber verhalten sollte. «Immer wenn ich jemanden aus der Ukraine sah, stellte sich mir die Frage: Wie soll ich als Russe angesichts dieses Kriegs mit Ukrainern umgehen? Soll ich mich entschuldigen? Aber für was denn? Soll ich mit ihnen über Politik sprechen? Das ist nicht das, was sie brauchen.»

«Es ist nicht mein Krieg», fährt er fort, «ich habe nicht beschlossen, diesen Krieg zu führen.» Und es klingt fast so, als wolle er sich rechtfertigen. «Erschwerend ist auch, dass ich nicht weiss, wie die Ukrainer über die Situation denken. Ob sie unterscheiden zwischen Putin und uns Russen im Allgemeinen.» Die Folge all dessen sei, dass er bis jetzt überhaupt nicht mit Ukrainern gesprochen habe.

Aber auch mit den meisten Russen spricht Petrow nicht. Wenn er höre, in welcher Art sie sich über den Krieg unterhielten, drehe er den Kopf auf die andere Seite, damit er ihnen nicht in die Augen blicken müsse. Er persönlich findet diesen Krieg und Putins Vorgehen eine Schande. In seinem Bekanntenkreis gebe es nicht einen einzigen Russen, der den Krieg befürworte.

«Ich liege hier am Pool, an der Sonne. Aber entspannen? Auf keinen Fall! Ich bin mir sicher, dass sich kein einziger Russe hier entspannen kann. Meine Gedanken drehen sich unentwegt um Fragen wie: Was kann man tun, damit der Krieg aufhört? Was kann man tun, um die eigene Zukunft zu sichern?»

Petrow hat vor, bald mit seiner Familie nach St. Petersburg zurückzukehren. Er hofft, dass er Plätze in einem Flugzeug bekommt. «Angst habe ich nicht vor der Rückkehr. Sollte es zu einem Atomkrieg kommen, wird alles sehr schnell gehen.»

«Es ist nicht mein Krieg», sagt Iwan Petrow, Jurist aus St. Petersburg. «Ich habe nicht beschlossen, diesen Krieg zu führen.»

«Es ist nicht mein Krieg», sagt Iwan Petrow, Jurist aus St. Petersburg. «Ich habe nicht beschlossen, diesen Krieg zu führen.»


«Am ersten Kriegstag konnte man im Hotel ganz genau sehen, wer aus der Ukraine war und wer aus Russland», sagt Wolodimir Bilow. «Die Ukrainer weinten, sassen am Telefon, verfolgten Nachrichten, versuchten, mit der Familie Kontakt aufzunehmen. Die Russen hingegen waren bester Laune. Sie sangen, tanzten und genossen das Leben. Ich hörte von ihnen Dinge wie: Unsere Armee wird es den Ukrainern zeigen. Die Ukraine wird bald uns gehören. Ich bin sehr wütend auf Russland und auf die Russen. Ich werde es ihnen nie vergeben, auch mein Sohn wird es ihnen nicht vergeben.»

Wolodimir Bilow aus Kiew und Odessa: «Ich werde es den Russen nie vergeben, auch mein Sohn wird es ihnen nicht vergeben.»

Wolodimir Bilow aus Kiew und Odessa: «Ich werde es den Russen nie vergeben, auch mein Sohn wird es ihnen nicht vergeben.»

Als vor fünf Monaten der Sohn Sacha zur Welt kam, beschlossen Bilow und seine Frau, den Winter an einem warmen Ort zu verbringen. Der smarte, 25 Jahre junge IT-Spezialist kann von überall her arbeiten. Doch es gab noch einen anderen Grund, weshalb sie Ende Januar nach Sharm al-Sheikh flogen: Die russische Armee sammelte sich an der ukrainischen Grenze, und Bilow sah schlechte Zeiten auf die Ukraine zukommen.

Eigentlich wollten die Bilows drei bis sechs Monate in Ägypten bleiben, aber der Krieg hat den Plan zunichtegemacht. Der russisch-ukrainische Markt, auf den Bilow für seine Arbeit angewiesen ist, ist kollabiert. Nun weiss er nicht, ob er im nächsten Monat überhaupt noch ein Einkommen hat.

«Im Moment habe ich das Gefühl, kein Zuhause zu haben. Ich habe mein Notebook, einige Kleider, mein Mobile und etwas gespartes Geld. Das ist ungemütlich. Wir hatten ein gutes Leben, hatten einiges aufgebaut und erreicht. Und dann finden wir uns von einem Tag auf den andern im Nirgendwo wieder, mit nichts als ein paar Habseligkeiten im Koffer.» Natürlich könnten sie theoretisch in irgendeinem Land weiterleben, sagt Wolodimir Bilow. Aber es gebe so vieles, was ungewiss sei: «Werden wir Arbeit haben, werden wir den Krieg gewinnen, was werden wir tun?»

Der Wiederaufbau der Ukraine werde Jahre dauern, glaubt Bilow. Kaputte Häuser, Schulen, Spitäler, keine Arbeit, gebrochene Herzen: Das sei keine gute Umgebung, um ein Kind aufzuziehen. «Wir gehen Ende März nach Deutschland, wir haben Familie, die dort lebt. Wahrscheinlich werden wir für immer in Deutschland bleiben und dort noch einmal ganz neu anfangen.»

Der ukrainische Teil der Familie wohnt in Kiew und Odessa. Bilows Eltern sitzen in ihrem Haus südlich Kiews fest. «Wenn ich geblieben wäre, wäre ich jetzt auch im Krieg. Nun aber bin ich der Einzige, der die Familie unterstützen kann.» Er fühlt sich daher nicht berufen, für die Ukraine zu kämpfen. «Ich liebe die Ukraine. Aber wenn ich sterbe, würde das für viele Menschen Probleme bringen, für meine Frau, unseren Sohn, die Verwandten zu Hause. Ich bin ihr Back-up. Ausserdem bin ich nicht ausgebildet, ein Gewehr zu benutzen und zu kämpfen, ich war Tänzer. Mein Tod würde die Situation des Landes nicht verbessern.»

Einige von Bilows Freunden sind bereits im Krieg gefallen. Jeden Tag hört er, dass erneut Dutzende von ukrainischen Kindern ums Leben gekommen seien. Deshalb sagt er: «Ich hasse die Russen, ich wünsche ihnen den Tod.» Sie seien resistent gegenüber der Wahrheit und glaubten bedingungslos, was ihnen Putin sage. «Ich bin glücklich darüber, dass sie nun nicht mehr das Geld haben, um in Restaurants zu bezahlen, dass sie arm sind. Ich bin auch glücklich über die Probleme, die ihnen die Sanktionen bereiten. Bereits seien 12 000 russische Soldaten gestorben, sagt Bilow. «Wenn ihre Mütter weinen, wird das vielleicht das russische Volk aufwecken.»

Wolodimir Bilow, IT-Spezialist aus Kiew und Odessa: «Ich bin sehr wütend auf Russland und auf die Russen. Ich werde es ihnen nie vergeben.»

Wolodimir Bilow, IT-Spezialist aus Kiew und Odessa: «Ich bin sehr wütend auf Russland und auf die Russen. Ich werde es ihnen nie vergeben.»


Sascha Nowik hätte nie im Leben gedacht, dass es zu dieser Invasion kommen würde. Der Weissrusse, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung gedruckt sehen möchte, ist mit seiner Familie erst im Januar nach Kiew gezogen. «Wir schulten unsere Tochter und unseren Sohn ein und begannen ein neues Leben. Für die Frühlingsferien der Kinder hatten wir eine Woche am Roten Meer gebucht.»

Dann zog Russland Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammen. Sascha Nowik und seine Frau zögerten, verfolgten die Situation in den Nachrichten und reisten schliesslich doch am 20. Februar. Vier Tage später kam der Krieg.

«Man kann sagen, dass wir Glück haben, hier zu sein, dass wir in Sicherheit sind und gesund. Alles andere aber sieht überhaupt nicht nach Glück aus. Das Geschäft ist ruiniert, unsere Nanny und die Katze sind in Kiew, wir können sie nicht rausbringen. Meine Freunde und meine Eltern sind in Weissrussland, von wo die Russen Raketen auf die Ukraine abfeuern.»

Sascha Nowik verfolgt die Nachrichtenlage sehr genau, er bezieht seine Informationen aus unterschiedlichen Quellen, auch aus russischen. «In meinen Augen ist Putin für viele Russen zur Religion geworden. Sie sind vernünftigen Argumenten nicht zugänglich, weil sie in den letzten acht Jahren einer Gehirnwäsche unterzogen wurden.»

Deshalb habe er auch nicht mit Russen gesprochen, die er hier antreffe. «Wenn man ihren Gesprächen zuhört, weiss man, dass es sinnlos ist, sich mit ihnen auszutauschen. Viele von ihnen denken, dass die Ukrainer verdienen, was ihnen geschieht. Klar, es gibt auch die, die sagen, dass sie den Krieg nicht wollen. Aber auch sie beten Putin an.» Und: «Wenn ich hier Russen nur schon sehe, kommt in mir eine unglaubliche Wut hoch, aber ich habe mich unter Kontrolle. Ich sage nichts. Es würde nichts ändern, am allerwenigsten ihre Gesinnung.»

Sascha Nowik ist überzeugt, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnen wird. «Meine grösste Angst ist jedoch, dass sie nicht wissen, wie man anständig verliert, dass sie ukrainische Städte mit ihren Bomben vernichten, dass es Millionen von Toten gibt und alles schliesslich in einem Atomkrieg endet. Die Wahrscheinlichkeit ist heute viel grösser als je.»

Er hofft trotzdem, dass der Krieg bald aufhört. Dann würde er mit Frau und Kindern in die Ukraine zurückkehren, um beim Wiederaufbau zu helfen. Andernfalls gingen sie vielleicht nach Spanien oder Mexiko. Von dort aus könnte er seine Geschäfte weiterführen. Der 45-Jährige betreibt ein Handelsunternehmen für Grundnahrungsmittel wie Kaffee oder Reis.

«Das Herz zieht uns nach Kiew zurück. Aber mit dem Verstand machen wir Pläne, von denen sich keiner richtig anfühlt. Irgendwie sitzen wir hier fest.» Es sei ein schwieriger Gedanke, nach Mexiko zu verschwinden, wenn Familie und Freunde litten. «Wir haben Hoffnung und fast keine Pläne.»

Was Nowik besonders schmerzt, ist der Gedanke an diesen Haufen von Leid, den der Krieg verursacht. «Die Ukrainer gehen durch so viel durch, sie werden am Ende weniger menschlich sein. Jetzt sind sie wütend, verärgert, verzweifelt. Sie waren wunderbare Menschen. Sie könnten als Resultat des Kriegs diese Qualität verlieren.»

«Wir haben Hoffnung und fast keine Pläne», sagt der weissrussische Unternehmer Sascha Nowik, der in Kiew lebt.

«Wir haben Hoffnung und fast keine Pläne», sagt der weissrussische Unternehmer Sascha Nowik, der in Kiew lebt.


Dmitri und Switlana Chebakow hatten sich so sehr auf diese Ferien gefreut. Er hatte ihr die Reise ans Rote Meer zum Geburtstag geschenkt. Mit Krieg hatte das ukrainische Paar nicht im Traum gerechnet.

Chebakows hätten am 24. Februar wieder nach Hause fliegen sollen – an dem Tag also, an dem die Russen in ihr Land einmarschierten. Sie standen bereits am Flughafen, doch es gab bereits keine Flüge mehr. Man schickte sie ins Hotel zurück. Sie waren in Ägypten gestrandet.

Dmitri Chebakow war Fitnesstrainer in Dnipro, das lassen allein schon seine Muskeln und seine Tätowierungen erahnen. «Eigentlich würden in diesen Tagen zu Hause Gewichtheber-Meisterschaften stattfinden», sagt der 48-Jährige. Nun muss er aus der Ferne zusehen, wie sein Land kaputtgeht. Jeden Tag bekommt er von Freunden und Verwandten Bilder geschickt: zerbombte Häuser, Schulen, Spitäler. «Ich sehe diese Fotos . . . und es kommt in mir ein riesiger Zorn hoch. Mit den Russen hier will ich absolut nichts zu tun haben. Ich schaue auf die andere Seite, wenn sie mir über den Weg laufen. Es ist besser so, andernfalls könnte es ausarten. Wir haben schon genug Probleme in unserem Land, die brauchen wir hier nicht auch noch.»

«Hier festzusitzen, ist die Hölle», sagt Dmitri Chebakow. Seine Gedanken seien ständig in der Ukraine. Er wartet ungeduldig auf zwei Plätze in einer Maschine, die ihn und seine Frau nach Polen fliegt. «Jeden Tag heisst es morgen, dann wieder morgen und dann wieder morgen. Wir wissen nicht, wann wir fliegen können.» Von Polen aus werden sie den Bus nehmen, dann den Zug nach Dnipro, in die Heimat, in den Krieg. Sie müssen zurück, es gibt nichts anderes für sie. In der Ukraine warten Verwandte – vor allem ihre beiden Söhne, 22 und 17.

Und schliesslich will Chebakow unbedingt in den Krieg ziehen, für die Ukraine kämpfen. «Ich habe keine Angst. Es ist mein Land, meine Familie, ich habe keine Wahl. Wir kämpfen für die Zukunft unserer Kinder.»

Dmitri Chebakow, Fitnesstrainer aus Dnipro: «Ich habe keine Angst. Es ist mein Land, meine Familie, ich habe keine Wahl.»

Dmitri Chebakow, Fitnesstrainer aus Dnipro: «Ich habe keine Angst. Es ist mein Land, meine Familie, ich habe keine Wahl.»


Mitte der zweiten Märzwoche stehen Flüge bereit, mit denen ukrainische Touristen von Ägypten aus nach Europa gelangen können, hauptsächlich nach Polen, Ungarn und in die Slowakei. Die ukrainische Botschaft arbeitet mit den ägyptischen Behörden und Tourismusunternehmen zusammen, um diese Rückführungen zu organisieren. Auf der Botschaft seien zahlreiche Anrufe von Ukrainern eingegangen, die in ihr Land zurückkehren wollten, um gegen die Russen zu kämpfen.

Die Flugverbindungen zwischen Ägypten und Russland werden ab Mitte März weitgehend eingestellt.

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