Bahnstrecke des Monats: Dampfzug durch den deutschen Harz | Deutschland urlaub

TIn diesem Jahr jährt sich zum 125. Mal die Eröffnung der Eisenbahn zum Brocken, dem mit 1.142 Metern höchsten Gipfel des deutschen Harzes. Die Brockenbahn ist Teil eines größeren Netzes von Schmalspurbahnen – hauptsächlich bespannt mit Dampfzügen – in der Osthälfte des Harzes, die sich wunderbar mit der Bahn erkunden lässt.

Von Wernigerode verkehren mehrmals täglich direkte Dampfzüge zum Brocken, Fahrzeit ca. 1 Std. 40 Min. Aber es gibt eine Alternative: ein einmal täglicher ganzjähriger Service, der Nordhausen am Vormittag verlässt und etwas mehr als drei Stunden benötigt, um den Gipfel zu erreichen. Die Nordroute von Wernigerode und die von Nordhausen weit im Süden treffen bei Drei Annen Hohne, einem Eisenbahnknotenpunkt hoch im Zillertal an der Ostflanke des Brockens, aufeinander.

Abgesehen vom Reiz einer längeren Anfahrt zum gleichen Preis gibt es gute Gründe, die Nordhausen-Variante zu bevorzugen: Sie beinhaltet eine wunderschöne 90-minütige Strecke von Ilfeld nach Drei Annen Hohne durch die schönste Landschaft des Harzes. Meiner Meinung nach ist dieser Streckenabschnitt nach der Harzquerbahn (Harztransbahn) ist noch besser als der abschließende steile Anstieg zum Gipfel des Brockens.

Literarische Verbindungen

An einem trostlosen Nebensaisontag gibt es wenige Abnehmer für die 10.33 Uhr aus Nordhausen. Es gibt einen ängstlichen Moment, als sich die Abfahrtszeit nähert, als sich mehrere Ingenieure um die Dampflok versammeln. Gibt es ein Problem? Nach langem Klappern öliger Schraubenschlüssel tuckert der Zug aus Nordhausen heraus und steigt den bewaldeten Hügeln entgegen. Jenseits von Ilfeld neigen sich die Hänge immer steiler und in der stillen Luft zieht Dampf über die weinroten und cremefarbenen Kutschen.

Dichter Wald hüllt die Schmalspurbahn ein. Foto: Dieter Mobus/Alamy

Ein fröhlicher Fahrkartenkontrolleur fragt, ob wir etwas Starkes für die Fahrt brauchen. Das ist der berühmt-berüchtigte Schnaps, der ein fester Bestandteil der Bahn auf den Brocken ist. Wir geben das Angebot weiter, aber das Besatzungsmitglied versichert uns, dass sie später wiederkommt, wenn wir unsere Meinung ändern.

Wir sind mit einem leeren Zug gesegnet, aber an Frühlings- und Sommertagen ist die Fahrt zum Brocken sehr beliebt. Als 1898 die ersten Züge den Gipfel erreichten, hatte Deutschlands Intelligenz gemischte Gefühle. Das literarische Establishment verachtete die Ankunft des Hoi Polloi an einem seiner heiligsten Orte und wiederholte John Ruskins Widerstand gegen das Eindringen der Eisenbahn in einige der am meisten verehrten Landschaften Englands. Für die deutschen Literaten war der Brocken nicht gerade beliebig Berg, sondern genau der Gipfel, den Goethe im Faust verewigt hatte.

Ein altes Fachwerkhaus in Nordhausen.
Ein altes Fachwerkhaus in Nordhausen. Foto: Alamy

Aber auch der Harzer Verein, ein 1886 gegründeter Verein zur Förderung des öffentlichen Zugangs zu den Bergen, freute sich über den Zustrom von Besuchern. Als sich der erste Touristenansturm über die Brockenkuppe ausbreitete, deutete ein Vereinssprecher an, dass noch genügend Platz sei, um die Stille des Harzes zu erleben.

Eine Route für Touristen und Einheimische

Der Bericht des Dichters und Essayisten Heinrich Heine von 1825 über eine Harzreise (Die Harzreise) malte ein Bild vom idyllischen Leben von Waldarbeitern und Bauern – obwohl die Realität vielleicht nicht so rosig war, wie Dorfnamen wie Sorge (Trauer) und Elend (Elend) vermuten lassen. Unser Zug hält an beiden; Letzteres hat ein winziges Museum auf dem Bahnsteig, das Aspekte des Alltagslebens in der Gegend vor der deutschen Wiedervereinigung 1990 aufzeichnet. An einer Stelle führte die Eisenbahn innerhalb von 700 Metern an der befestigten Grenze vorbei. So fuhren ab 1961, als die Berliner Mauer und die innerdeutsche Grenze von den ostdeutschen Behörden verstärkt wurden, 30 Jahre lang keine Personenzüge auf den Brocken.

Ein Blick auf den Brocken im Sommer.
Ein Blick auf den Brocken im Sommer. Foto: Zoonar GmbH/Alamy

Geschwindigkeit ist nicht der Name des Spiels. Unser Zug rumpelt mit angenehmen 32 km/h durch Wälder, und Stationshalte sind gemächliche Angelegenheiten – eine Gelegenheit für ein Gespräch und eine Zigarette auf dem Bahnsteig und eine Gelegenheit, Fotos von dem Oldtimer-Zug und seiner makellos erhaltenen Dampfmaschine zu machen.

Bei einem längeren Aufenthalt in Drei Annen Hohne erzählt uns das Zugpersonal, wie die Harzer Eisenbahn als historische Kuriosität in einem schwer zugänglichen Teil der DDR überlebt hat. „Damals gab es alle möglichen Beschränkungen, wer hierher kommen durfte“, sagt der Lokführer.

Jetzt wird dieses Schmalspurnetz als touristische Attraktion der ersten Liga geschätzt und es wird über eine Verlängerung des Netzes nach Westen über die ehemalige innerdeutsche Grenze gesprochen. „Aber nicht nur für Touristen“, ergänzt der Fahrer. „Mit ganzjährigen Dienstleistungen sind wir eine Lebensader für abgelegene Gemeinden in den Bergen.“

Das Streckennetz bedient Dörfer in der Ostharzer Bergregion.
Das Streckennetz bedient Dörfer in der Ostharzer Bergregion. Foto: Stefan Dinse/Alamy

Von Drei Annen Hohne macht unser Zug den strammen Aufstieg zum Gipfel des Brockens. Der Zug steigt immer steiler an, umrundet allmählich den Gipfel und gewährt bei gutem Wetter aus allen Blickwinkeln einen Blick auf die bizarre Ansammlung von Gebäuden und Antennen, die den Gipfel schmücken. Nicht für uns: Alles ist in Nebel gehüllt. Zwei Füchse durchwühlen einen Mülleimer auf dem Bahnsteig der Bergstation. Aus dem angrenzenden Café riecht es deutlich nach Frittiertem. Ein Plakat kündigt an, dass ab Spätsommer dieses Jahres auf dem Gipfel eine Rockoper namens Faust aufgeführt wird. Ich bedenke, dass in diesem Fall das Vergnügen der Fahrt mit dem 10.33 von Nordhausen wirklich die Vorzüge des Ziels in den Schatten stellt.

Reisedetails

Eine Rückfahrt auf den Brockengipfel von jeder Station des Harzer Schmalspurnetzes ist kostenpflichtig 51 €. Drei Tage reichen aus, um das gesamte Netzwerk zu erkunden, und es gibt einen nützlichen Drei-Tages-Pass für 99 €. Diese Premium-Tarife gelten für Reiserouten, die die Eisenbahn zum Gipfel beinhalten. Andere Tarife sind deutlich günstiger. Alle Züge sind nur 2. Klasse. Interrail-Pässe werden nicht akzeptiert. Beachten Sie, dass zwar alle Züge zum und vom Brockengipfel dampfbespannt sind, auf anderen Strecken jedoch möglicherweise Dieseltriebwagen verkehren. Fahrpläne und weitere Informationen finden Sie auf der Website des Harzer Schmalspurnetzes.

Nicky Gardner lebt in Berlin, wo sie Mitherausgeberin ist Magazin Verborgenes Europa. Sie ist Co-Autorin von Europa mit der Bahn: Der endgültige Leitfaden. Die 17. Auflage des Buches ist 2022 erschienen. Sie ist erhältlich unter Guardian Buchhandlung.

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