Bahnstrecke des Monats: Von Böhmen an die Ostseeküste | Deutschland urlaub

Tie Station Hrádek nad Nisou hat schon bessere Tage gesehen. Es gibt einen Hauch von ehemaligem Habsburger-Stil, aber die Kasse ist geschlossen und das Buffet ist vergittert und mit Fensterläden versehen. Das Frühstück muss warten. Zum Glück habe ich schon ein Ticket. Ein wirklich günstiges Ticket, ein Rover, der einen ganzen Monat gültig ist und in der zweiten Klasse in ganz Deutschland und sogar von und zu ausgewählten Orten in jedem der neun an Deutschland grenzenden Länder fährt. Einschließlich Hrádek nad Nisou. Und der Preis? Nur 9 € für einen ganzen Monat Reise. Es handelt sich um ein zeitlich begrenztes Sommerangebot, das von der deutschen Regierung subventioniert wird und im Juli und August gültig bleibt.

Auf dem Bahnsteig dieses abgelegenen tschechischen Bahnhofs denke ich über die Möglichkeiten nach. Die Schweiz an einem Tag? Luxemburg oder Dänemark vielleicht? Ich entscheide mich für etwas Zahmeres: eine Zugfahrt durch die historisch als Lausitz bekannte Region entlang der Oder-Neiße-Linie von Böhmen in Richtung Ostsee. Die Oder-Neiße-Strecke ist keine Eisenbahn, sondern ein Artefakt der Politik des 20. Jahrhunderts. Diese Linie auf der Karte, die 1945 auf der Potsdamer Konferenz ausgearbeitet wurde, definierte Deutschlands neue östliche Nachkriegsgrenze. Es spaltete Gemeinden an der neuen Grenze und verwüstete die Eisenbahnen.

Mit dem Wegfall der Grenzen und der durch Schengen gewährten Freizügigkeit wurden die Eisenbahnen entlang der Oder-Neiße-Linie im Laufe der Jahre wieder verbunden, ein Prozess, der bis heute andauert. Ein neuer Personenzug, der von der deutschen Stadt Guben nach Osten über die Neiße nach Polen fährt, ist erst letzten Monat gestartet.

Die „schöne Innenstadt“ von Görlitz an der Neiße. Foto: zwawol/Getty Images/iStockphoto

Ich steige in Hrádek in einen Zug und mache jetzt einen Frühstücksstopp im nur 10 Minuten entfernten Zittau. Es ist eine schöne Fahrt in einem fast leeren Zug. Unterwegs haben wir herrliche Ausblicke auf die Neißetaler Auen und im Süden tanzen Gewitterschauer und Sonnenstrahlen über das Zittauer Gebirge.

Reibungslose Grenzen

Nur wenige Bahnreisen in Europa bieten so hervorragende Möglichkeiten für ein einfaches Grenz-Hopping wie die Neißetalbahn. Ich halte in Zittau für Rührei und Kaffee an, nachdem ich bereits von der Tschechischen Republik nach Deutschland geschlüpft bin und unterwegs ein Stück polnisches Territorium überquert habe. Die Briten mögen mit dem Brexit viele Rechte aufgegeben haben, aber glücklicherweise wurde die Freiheit, innerhalb von Schengen ungehindert oder ungehindert über die Grenzen zu streifen, nicht eingeschränkt.

Es ist ein Moment, über Deutschlands Sommergeschenk für Reisende nachzudenken. Der Schnäppchenpreis macht Schlagzeilen. Das gilt nicht nur für Züge, denn das Ticket gilt auch für Busse, Straßenbahnen, die U-Bahn und viele Fähren. Da Premium-Schnellzüge ausgeschlossen sind, ist dies eine gute Gelegenheit, langsamere, aber landschaftlich reizvolle Strecken auszuprobieren. Es ist sicherlich ein Schub für Urlaubsreisen, und die von einigen Experten vorhergesagte weit verbreitete Überfüllung ist nicht eingetreten. Aber es gab auch Engpässe, besonders an sonnigen Wochenenden, wenn Menschenmassen in die Berge und an die Küste strömten. Plötzlich hat sich Deutschlands wohlwollende Haltung gegenüber der Mitnahme von Fahrrädern in Zügen in eine Belastung verwandelt, da viele Radfahrer Schwierigkeiten haben, ihre Fahrräder auf dem begrenzten verfügbaren Platz zu verstauen.

Der Marktplatz in Zittau
Der Marktplatz in Zittau in der Oberlausitz. Foto: Peter Probst/Alamy

Was im Wesentlichen als nationales Ticket beworben wurde, bietet auch eine Fülle von grenzüberschreitenden Möglichkeiten. Mit einem 9-Euro-Ticket fahren Sie ohne Aufpreis zu ausgewählten Bahnhöfen in jedem der neun Länder, die mit Deutschland an einer gemeinsamen Grenze liegen. So können Slow Traveller von Belgien nach Österreich oder von der polnischen Ostseeküste nach Lothringen in Frankreich reisen.

Ein Glas Sekt, Madam?

Ermutigt durch das Frühstück und einen flotten Spaziergang durch das schöne Zittau kehre ich zum großen Bahnhof der Stadt zurück, um über die Abfahrtstafeln nachzudenken. Es ist eine geografische Kuriosität, dass Züge von Zittau nach Deutschland unterwegs immer polnisches oder tschechisches Gebiet durchqueren müssen. Ich bleibe bei der Neißetalbahn, die durch ein tief eingeschnittenes Tal nach Norden führt und durch stille Wälder mit herrlichem Blick auf den Fluss gleitet. Dreimal überquert die Bahn die deutsch-polnische Grenze zwischen Zittau und Krzewina Zgorzelecka, wo der Bahnhof ruhig an der Neiße liegt. Ich halte für ein paar Stunden an, um zwischen den Grenzen hin und her zu spazieren, wobei ich eine Fußgängerbrücke über den Fluss benutze, um das deutsche Dorf Ostritz am Westufer des Flusses zu erkunden. Ein Mann auf der polnischen Seite der Brücke verkauft billige Zigaretten. Trotz seiner offensichtlichen Enttäuschung darüber, dass ich keinen Verkauf gemacht habe, sagt er mir, ich solle im Fluss unten nach Bibern Ausschau halten.

Das Zittauer Gebirge
Das Zittauer Gebirge, nahe der polnisch-deutschen Grenze. Foto: Torsten Mitschke/Getty Images

Mittags geht es dann zurück in den Zug. Es ist ein schicker grün-gelber Triebwagen, nur ein einziger Waggon, in dem die Zugführerin mein Ticket kontrolliert und fragt, ob sie mir ein kühles Bier, Sekt oder Sandwiches bringen darf – alles für nur 2 Euro. Wirklich zivilisiert! In dieser ländlichen Region sind Unterkunft und Verpflegung oft sehr günstig.

Wirtschaftlicher Wandel

Bald ist der Zug wieder in Deutschland und fährt durch Gebiete, in denen Sorbisch noch eine lebendige Sprache ist, nach Norden. Zweisprachige Bahnhofsschilder erinnern daran, dass es in Ostdeutschland eine autochthone slawische Minderheit mit eigener Kultur gibt. In Görlitz mache ich eine Stunde Pause und schlendere durch die hübsche Innenstadt, bevor ich auf einer Fußgängerbrücke die Neiße überquere, um die polnische Seite der geteilten Stadt zu erkunden.

Von Görlitz geht es mit einem weiteren einteiligen Zug zurück nach Norden zur nächsten Station nach Forst, wo vor 100 Jahren rund 15.000 Menschen in der Textilindustrie beschäftigt waren. Nicht umsonst wurde Forst das deutsche Manchester genannt. Bis 1989 war die Zahl der Beschäftigten auf 1.900 geschrumpft. Innerhalb eines Jahres nach der deutschen Einheit schlossen alle Werke in diesem ehemaligen Teil der Deutschen Demokratischen Republik. Forst geriet in verschlafene Vergessenheit und die Stadt an der Neiße ist heute ein verlassener Ort.

Der Zug nähert sich Neuzelle
Der Zug nähert sich seinem Zielort Neuzelle. Foto: Das verborgene Europa

Die Strecke der Neißebahn von Forst bis Guben wurde 1995 stillgelegt, also mache ich eine Schleife zurück nach Westen über Cottbus (sorbisch Chóśebuz) und gewinne dann bei Guben wieder die Neiße, wo das Bahnhofsgebäude aus rotem Backstein von preußischer Bauart zeugt. Nördlich von Guben zieht die Neiße träge Schleifen über eine weite Aue. Wir passieren Storchennester und geduldige Reiher. Bei Neuzelle erreichen wir schließlich die Einmündung der Neiße in die Oder, die nun die deutsch-polnische Grenze zur Ostsee hinab markiert.

Eine Reise, die in bescheidener Umgebung in Hrádek nad Nisou begann, endet in sommerlicher Abendpracht in Neuzelle, wo eine markante barocke Abtei stolz auf einer Klippe über den Auen steht. Es ist eine idyllische Szene. Ich sehe zu, wie der Abendzug nach Frankfurt an der Oder vorbeirasselt, und mache es mir in einem Restaurant neben den Mauern dieses alten Zisterzienserklosters gemütlich, um ein Abendessen mit einheimischen Forellen zu genießen – nur eine der einfachen Freuden einer Reise durch diesen unbesungenen Teil Europas , die es verdient, so viel bekannter zu werden.

Das Angebot der Monatskarte läuft noch bis zum Ende August. Ein Pass für entweder Juli oder August ist 9 €. Kaufen Sie beide für 18 €. Das Ticket berechtigt einen Kalendermonat zur unbegrenzten Fahrt im Regional- und Nahverkehr. Kaufen Sie online auf der DB-Website. Du kannst Folgen Sie auch mit normalen Tickets genau der Route, die Nicky genommen hat. Der Fahrpreis von Hrádek nach Neuzelle über Zittau und Forst beträgt 44,80 €.

Nicky Gardner ist eine in Berlin lebende Autorin. Die 17. Auflage ihres Buches Europa mit der Bahn: Der endgültige Leitfaden ist erhältlich bei der Guardian Buchhandlung. Sie ist Mitherausgeberin von Verstecktes Europa Zeitschrift

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