Die E-Mail landete eines Morgens im Januar 2011 im Posteingang von Joe Touomou, und er wusste, dass er schnell handeln musste. „Ich muss diesen Kerl überprüfen“, sagte er sich.
Touomou, ein Basketballtrainer und internationaler Scout, hatte in den USA als Sportberater des US-Außenministeriums gearbeitet. Die E-Mail stammte von Didier Yanga, einem engen Jugendfreund aus Kamerun. Es enthielt Bilder von Yangas 16-jährigem Neffen, der über einer Tür ragte. Er war 1,80 m groß, hieß es in der E-Mail, und hatte vor kurzem mit Basketball angefangen. Sein Name war Joel Embiid.
Ein Jahrzehnt später ist Embiid, das Star-Center der Philadelphia 76ers, ein Kandidat für den wertvollsten Spieler in der NBA und der führende Mann für einen der Anwärter im Meisterschaftsrennen der kommenden Saison, das nächste Woche beginnt. Aber seine bemerkenswerte Reise von Zentralafrika zum Superstar in den Staaten wäre ohne diese rechtzeitige E-Mail möglicherweise zu Beginn ins Stocken geraten.
“Wir werden diesen Jungen auf keinen Fall Basketball spielen lassen”, sagte Embiids Mutter Christine zu Touomou. “Er ist zu stur.” Der Vater des Spielers, Thomas, ein Oberst des kamerunischen Militärs, stimmte zu. Die Eltern des Teenagers bestanden darauf, dass seine Ausbildung von größter Bedeutung war. Basketball war eine unerwünschte Ablenkung. Nachdem er sein Studium abgeschlossen hatte, konnte er nach Frankreich gehen, um am Nationalen Institut für Sport und Leibeserziehung Volleyball zu spielen, eine Sportart, in der er große Chancen gezeigt hatte. Das war der Plan.
Touomou hatte kurz nach Erhalt von Yangas E-Mail ein Flugticket nach Kamerun gebucht. Nur wenige Wochen später saß er Embiids Eltern im Haus der Familie in Youande gegenüber. Nachdem er so weit gekommen war, hatte er seine Kontrapunkte vorbereitet.
„Wenn Sie möchten, dass Ihr Sohn zur Schule geht“, argumentierte er, „kann Joel auf die besten Schulen der USA gehen. Wenn du willst, dass er Geld verdient, kann er in die NBA gehen, wenn er gut wird.“
Touomou erklärte, wie er anderen kamerunischen Basketball-Interessenten geholfen hatte, High-School- und College-Plätze in den Staaten zu finden, darunter Luc Mbah a Moute, der mit der UCLA drei Final Fours in Folge erreichte und zu dieser Zeit für die Milwaukee Bucks spielte. Die Eltern von Embiid schätzten die potenziellen Bildungsvorteile und erlaubten ihrem Sohn, seinen Basketballtraum zu verwirklichen.
Embiid begann mit dem angesehenen lokalen Trainer Guy Moudio zu arbeiten, eine Verbindung, die durch Touomou hergestellt wurde. So neu im Spiel, fehlten dem Youngster die Grundfertigkeiten stark. Aber er kam aus sportlicher Sicht: Sein Vater war ein hervorragender Handballspieler gewesen, und er hatte Onkel, die sich im Fußball, Basketball und als Handballtorhüter hervorgetan hatten. Und er ließ sich von Filmmaterial von Afrikas größtem NBA-Export inspirieren.
„Ich hatte ein paar Videokassetten von Hakeem Olajuwon“, sagt Touomou, „und ich sagte: ‚Dieses Kind muss sich diese Bänder dreimal am Tag ansehen: zum Frühstück, Mittag- und Abendessen.’ Trainer Moudio gab Embiid die Bänder und er fing an zu imitieren, was er sah. Du hast dir einige der Dinge angeschaut, die er gemacht hat, und gesagt: ‘Dieser Junge wird etwas Besonderes sein.’“
In diesem Sommer arrangierte Moudio für Embiid die Teilnahme an einem jährlichen Camp von Mbah a Moute. Normalerweise wurden die Einladungen zum Camp an Kinder überreicht, die in einer Reihe von regionalen Versuchen beeindruckt waren, wobei bei jedem Versuch 20 bis 25 aus Gruppen von 500 oder mehr ausgewählt wurden. Embiid nahm nicht an den Prozessen teil, aber es lag außerhalb seines Potenzials und eine Einladung wurde ausgesprochen.
„Er war einer der Kinder, auf die ich mich gefreut habe, weil er die Vorauswahl verpasst hat“, erinnert sich Mbah a Moute. “Ich war wirklich beeindruckt, was er in seinem Alter und für jemanden, der erst sechs Monate organisierten Basketball gespielt hat, tun konnte.”
Embiids Fähigkeiten waren roh und unterentwickelt, aber sein Potenzial wurde immer offensichtlicher. Er begann ein erstaunliches Abwehrverständnis zu zeigen. Und obwohl er Bewegungen nicht immer so reibungslos ausführte, wie er sie vor seinem geistigen Auge sah oder sich aus seinen Olajuwon-Archiven an sie erinnerte, lernte er schnell und füllte nach und nach sein offensives Arsenal auf.
„Er war kein guter Basketballspieler“, sagt Francois Nyam, ein ehemaliger Spieler, der als Agent von Mbah a Moute das Camp leitete. „Aber er hatte etwas Besonderes. Er konnte wie ein Wächter rennen. Er hatte ein großartiges Timing, um den Ball zu blockieren und abzuprallen. Könnte er den Ball dribbeln? Nein. Könnte er den Ball schießen? Er konnte nicht. Aber wenn du ihm etwas zeigst, hebt er es nach dem dritten Versuch auf und hat es runter. Das war für mich genug, um auf ihn zu wetten.“
Jedes Jahr wurden die besten Spieler aus dem Camp von Mbah a Moute ausgewählt, um an Basketball ohne Grenzen in Johannesburg, Südafrika, teilzunehmen, einem Schaufenstercamp, an dem mehrere NBA-Trainer und -Scouts teilnahmen. Unter den Trainern von Mbah a Moute herrschte Uneinigkeit darüber, ob Embiid die verfeinerten Spieler von ihrem Event würdigen sollte, aber Nyam und Mbah a Moute waren fest davon überzeugt, dass das aufstrebende Zentrum bereit war.
Embiid beeindruckte bei BWB ausreichend, um seine Umgebung davon zu überzeugen, dass ein Wechsel auf eine US-amerikanische High School der nächste logische Schritt war. Touomou hatte einen Platz an der Gill St. Bernard’s School in New Jersey arrangiert, aber Embiid ging stattdessen mit einem Praktikum, das Nyam und Mbah a Moute organisiert hatten. Er schrieb sich an der Montverde Academy in der Nähe von Orlando, Florida ein.
In Montverde stieß Embiids sternenklarer Basketball jedoch auf die erste Reibung seit den anfänglichen Bedenken seiner Eltern. Er ertappte sich dabei, wie er auf der Bank ritt.
Mbah a Moute und Nyam hatten Montverde ausgewählt, weil Mbah a Moute selbst zuvor die Schule besucht hatte und sie seitdem eine Handvoll ihrer Spieler dorthin geschickt hatten. Aber der alte Mentor von Mbah a Moute, Kevin Sutton, war in diesem Sommer gegangen. Sein Ersatz, Kevin Boyle, bevorzugte den zukünftigen Big Man von Oklahoma City Thunder, Dakari Johnson, auf der Mittelposition. Mbah a Moute und Nyam sorgten dafür, dass Embiid am Ende seines ersten Jahres in Florida an die Rock School in Gainesville wechselte.
„Ich glaube nicht unbedingt, dass er frustriert war“, erinnert sich Roger Moute a Bidias, ein Montverde-Teamkollege von Embiid und der jüngere Bruder von Mbah a Moute. “Er hatte einfach das Gefühl, dass der Rock eine Gelegenheit sein würde, zu spielen und sein Spiel auszubauen.”
Es war nicht nur Embiids Spiel, das in seinem Abschlussjahr bei The Rock wuchs. Am Ende der Saison, in der er das Team zu einem 33-4-Rekord und einer Staatsmeisterschaft führte, war er auf 7 Fuß gewachsen und erhielt ein Stipendium für die University of Kansas.
Und es war in seinem einzigen Jahr in Kansas, dass Embiid zum ersten Mal die Aufmerksamkeit der 76er auf sich zog. Philadelphia, das im NBA-Draft 2014 die dritte Wahl treffen würde, schickte regelmäßig Scouts, um die Herrschaft über den überragenden Neuling zu führen. General Manager Sam Hinkie ließ sogar einmal seine Frau und die neun Tage alten Zwillinge zurück, um vier Spiele in Kansas in Folge zu besuchen, darunter eines, bei dem Embiid und Teamkollege Andrew Wiggins gegen Marcus Smarts Oklahoma State Cowboys antraten.
Embiid war von Kansas so beeindruckt, dass er um den ersten Platz im Draft kämpfte, bis eine Rückenverletzung seine College-Saison vorzeitig beendete und dann ein gebrochener Kahnbein in seinem Fuß seine Vorbereitungen vor dem Entwurf behinderte. Stattdessen nahmen die Cleveland Cavaliers Wiggins mit dem ersten Pick (und tauschten ihn später an die Minnesota Timberwolves) und Embiid fiel mit drei gegen Philadelphia.
Obwohl sie wussten, dass seine Fußverletzung bedeutete, dass er seine erste Saison bei ihnen verpassen und ihn wahrscheinlich für einen Großteil seines zweiten Jahres ausschließen würde, waren die 76ers von dem Kameruner so betört, dass sie ihn immer noch allen anderen vorgezogen hätten in der Entwurfsklasse 2014. Sie waren einer Quelle zufolge der Meinung, dass er “den Geist eines Defensivkoordinators in Goliaths Körper” hatte, dass er alle Werkzeuge hatte, um einer der besten Verteidiger der Liga zu sein und das Potenzial hatte, sich zu einem Elite-Offensivspieler zu entwickeln.
Aber während die Sixers bei Embiid all-in waren, wurde die Zuneigung des Spielers woanders gefangen. Er hatte Kansas verlassen, um in Los Angeles für den Vorentwurfsprozess zu bleiben, und er war in die Stadt verliebt. Anstatt enttäuscht zu sein, dass er nicht als Erster in der Gesamtwertung ausgewählt wurde, hoffte er, mit dem siebten Pick noch weiter zu den Lakers zu fallen.
“Arn, zaubere”, sagte er zu Arn Tellem, der jetzt stellvertretender Vorsitzender der Detroit Pistons ist, aber zu dieser Zeit die Sportabteilung der Wasserman-Agentur leitete, für die Nyam arbeitete. „Ich möchte in LA spielen. Ich möchte zu den Lakers.“
Tellem, ein gebürtiger Philadelphiaer, und Nyam, der 30 Minuten von der Stadt entfernt zur High School ging und Allen Iverson vergötterte, brachten Embiid zur Besinnung, überzeugten ihn vom Prestige einer höheren Wahl und verkauften ihn in Philadelphia als Stadt.
Embiid liebte Philadelphia bald, obwohl die Herausforderungen bei seiner Ankunft schnell zunahmen. Er war am Boden zerstört, als sein jüngerer Bruder Arthur im Oktober 2014 bei einem Verkehrsunfall in Kamerun starb, und eine länger als erwartete Genesung von seiner Fußverletzung bedeutete, dass er zwei volle Spielzeiten verpasste.
Jetzt jedoch, als viermaliger All-Star und 2021 MVP-Vizemeister, gehört er unbestritten zu den besten Basketballspielern der Welt. Der lang gehegte Plan, um ihn und Ben Simmons herum zu bauen, ist in Frage gestellt, mit dem australischen Point Guard Zukunft mit dem Team ungewiss, aber die Sixers können zuversichtlich sein, dass die breiten Schultern des Kamerorianers Meisterschaftserwartungen tragen können. Embiid nähert sich schließlich dem Höhepunkt einer unwahrscheinlichen Reise, die mit einer E-Mail begann und von natürlicher Athletik, Bändern von Olajuwon und der Weigerung, Kompromisse bei seinem Schicksal zu akzeptieren, das er für sich selbst geschrieben hat, angetrieben wurde.
„Ein MVP-Kandidat zu sein und die Chance zu haben, eine Meisterschaft zu gewinnen, ist ein Beweis für seine Arbeit und sein Engagement, großartig zu sein“, sagt Mbah a Moute. “Er hat meine Erwartungen an ihn übertroffen.”