Homeoffice plus Homeschooling geht gar nicht

Jede Familie ist anders, und jede muss ihr eigenes Modell finden in Sachen Vereinbarkeit. Für Anja Haegle ist die Kombination aus Homeoffice und Homeschooling jedoch keine Option.
  • Anja Haegele, 49, drei Kinder (11, 9, 7)
  • Beruf: Redakteurin
  • Arbeitsmodell: unfreiwilliges Homeoffice.

Normalerweise bekommen wir das ganz gut hin, drei Söhne, zwei Jobs (mein Mann Vollzeit, ich 20 Stunden) und mein berufsbegleitendes Studium so zu organisieren, dass die Bedürfnisse unserer Jungs und unsere Ambitionen sich vertragen. Dann aber kam die Corona-Krise, und eigentlich war schon nach einem Tag klar: So viel Kind verträgt mein Job nicht!

Ich mache sonst gern Homeoffice. Wenn ich in Ruhe einen Text schreiben will, aber auch, wenn ein Sohn krank ist. Wir essen dann zusammen, kuscheln uns auch mal für einen Mittagsschlaf auf die Couch, und damit ich meine Arbeit schaffe, liest das Kind, baut Lego oder hängt vorm Laptop.

Dass das schlechter klappt, wenn, zum Beispiel in den Ferien, drei Kinder da sind, ist ja klar, denn die drei entwickeln untereinander eine bizarre Eigendynamik, die gern in Streit und Rumgezicke endet. Auch hier bin ich gewöhnt, gegenzusteuern – ich erkaufe mir leidlich ruhige Arbeitszeit mit großzügiger Ausweitung der Medienzeiten und reichhaltiger Süßkost. Was sich aber ü-ber-haupt nicht mit Homeoffice verträgt, ist Homeschooling. Wegen Corona habe ich meinen Arbeitsplatz nach Hause verlegt, die Schulen sind immer noch überwiegend zu und schicken Aufgaben.

“Ich bin zur Assistentin meiner Söhne geworden”

Von der berufstätigen Mutter, die ich bisher war, bin ich zur Assistentin meiner Söhne geworden, die mehrere Lernplattformen und die Aufgaben, die dort hochgeladen werden, im Blick behält, Dokumente herunterlädt und diese auf einem uralten Tintendrucker ausdruckt. Ich habe einen Kalender angelegt, um keines der Online-Meetings der Kinder mit ihren Lehrer*innen zu verpassen (leider ist nur die Lehrerin des Erstklässlers bereit, sich auf eine feste Zeit festzulegen) und mir einen Laptop von den Nachbarn ausgeliehen, damit ich meinen eigenen Rechner für meine Arbeit nutzen kann, während die Kinder mit Lern-Apps wie Antolin, Anton und Sofatutor beschäftigt sind. Schon nach einer Woche war ich völlig am Ende. Ich beobachtete mich dabei, wie ich auf den Tisch schlug und den Elfjährigen anbrüllte, er solle es jetzt verdammt noch mal nicht kompliziert machen mit seinen Erklärungen, sondern sich anhören, was ich zu sagen habe, und es dann einfach kapieren. Ich schämte mich sehr und heulte wie ein Schlosshund.

Kurz vorm Aufgeben?

Solche Situationen gab es anfangs hunderte am Tag. Ich wollte es schaffen, vier Stunden selbst zu arbeiten und das Nötigste (Mittagessen!) im Haushalt zu machen – doch das war unmöglich, weil ich täglich sechs Stunden brauchte, um drei Kinder zu beschulen. Beim Erstklässler ließ ich es bald. Ich fand, er hatte genug gelernt fürs erste Schuljahr. Aber der Drittklässler ist leider schlecht in Deutsch – er braucht auch unter normalen Umständen Hilfe, um mit der Klasse Schritt zu halten. Und der Fünftklässler hatte einen Tagesplan von der Schule bekommen, der in der Zeit von 9 bis 16 Uhr täglich vier Stunden Arbeit vorsah. Und er sollte für die unfassbar vielen Aufgaben Noten bekommen. Er ist ein guter Schüler, aber sich Stoff ganz alleine erschließen – das kann er nicht. Wenn er etwas gelesen hat, muss er, auch wenn er es verstanden hat, darüber sprechen. Wenn er es nicht verstanden hat, sowieso. Und wenn er die Übungsaufgaben erledigt hat, braucht er jemanden, der sie kontrolliert.

“Konzentriert Texte schreiben? Geht nicht!”

Er ist motiviert, denn er will seine guten Noten behalten. Er fordert Aufmerksamkeit und Hilfe ein – das ist schließlich sein gutes Recht. Blöd nur, dass ich dabei nicht arbeiten kann. Ja, ich beantworte schnell mal eine Mail oder gehe ans Telefon. Aber konzentriert Texte schreiben oder Layouts produzieren? Geht nicht. Manchmal hätte ich das am liebsten den Lehrer*innen überlassen, die wieder nur ein paar Seiten aus dem Buch gescannt hatten – die müssen ja während der Schulschließung Zeit übrig gehabt haben…

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