Lykien: Urlaub in einer besseren Welt

Traumstrände, antike Kultur und ein kleines Naturparadies: In Lykien, einen Katzensprung vom Trubel der Türkischen Riviera entfernt, gibt es viel zu entdecken – zum Beispiel die Meeresschildkröte “Caretta caretta”.

Es ist Mitternacht, als wir uns entscheiden, baden zu gehen. Nach ein paar Gläsern Weißwein wollen wir uns auf dem Rücken im Mittelmeer treiben lassen. Vor uns liegt der Strand von Olympos. Wir laufen barfuß durch den noch warmen Sand. Plötzlich trifft uns der Strahl einer Taschenlampe, dann ein zweiter und ein dritter. Jemand redet auf Türkisch auf uns ein. Die Polizei? Die Gestalten kommen näher, und schließlich steht vor uns eine junge Frau. Sie trägt Shorts, an ihrem Gürtel hängen Karabinerhaken. Es tue ihr leid, sagt sie, aber wir müssten runter vom Sand. Wegen der Schildkröten. Die Tiere, erklärt sie uns, kommen nachts an Land, um ihre Eier abzulegen.

Hier fühlen sich Gäste wohl, die auf sanfte Weise reisen wollen

Die Frau hat noch andere Freiwillige im Schlepptau. Sie alle arbeiten für eine Umwelt-NGO und wachen darüber, dass niemand die Schildkröten dabei stört. Die würden sich meist nämlich nicht aus dem Wasser wagen, wenn sie Lichter sehen, oder wenn Hunde bellen, sagt man uns, und schon werden die Taschenlampen ausgeknipst.

Wir entschuldigen uns und gehen auf Zehenspitzen zum Rand des Strandes zurück, setzen uns unter Oleanderbäume, starren auf die Brandung und hoffen, aus den Fluten eine Meeresschildkröte auftauchen zu sehen. Spätestens in dieser Nacht merken wir, an was für einem besonderen Ort wir doch gelandet sind.

Westlich der Millionenstadt Antalya im Süden der Türkei erstreckt sich die Halbinsel Lykien. An den Ausläufern des Taurusgebirges führt eine Küstenstraße an Wäldern vorbei und an Buchten mit Ferienorten. Schon im Frühjahr ist es hier warm genug, um abends ohne Pullover draußen sitzen zu können. Wohl auch deshalb verstellen an vielen Abschnitten riesige All-inclusive-Hotels den Blick aufs Meer. Mit Pool, Animation und Piña colada versuchen sie vor allem Gäste aus Großbritannien und Deutschland nach dem Winter aufzumuntern.

Zum Träumen Endlose Strände und türkisblaues Meer.

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Doch wer Lykien bereist, findet auch die ruhigen Orte. Wie die Bucht von Olympos an der Ostküste, ein Naturschutzgebiet. Hier fühlt sich wohl, wer auf sanfte Weise reisen möchte, das Fahrrad dem Ausflugsbus vorzieht und wilde Pistazien und gegrillten Fisch den All-you-can-eat-Buffets. Dass dieses Stück Natur noch heil existiert, ist “Caretta caretta”, der “Unechten Karettschildkröte”, zu verdanken, einer bedrohten Art, die sich diesen Ort ausgesucht hat, um ihre Eier zu legen.

In Lykien lebten bis in die 70er nur Ziegenhirten – dann kamen die Hippies

Der Weg mit dem Auto die lykische Küste entlang führt in Serpentinen durch die Landschaft: Auf der einen Seite erhebt sich das Gebirge, auf der anderen sehen wir Segelboote, die durchs türkisfarbene Meer gleiten. Man sitzt im Auto, das Radio läuft, durch die offenen Fenster kommt der warme Fahrtwind herein.

Zum Staunen Die Felsengräber der antiken Stadt Myra.

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Bekannte aus Istanbul haben uns empfohlen, nach Olympos zu fahren. 80 Kilometer von Antalya entfernt, verengt sich die Straße und zieht sich durch Pinienwälder in eine Bucht hinab. Holzschilder werben für Bio-Erdbeeren. Bis in die 1970er lebten hier nur ein paar Ziegenhirten. Dann entdeckten Hippies und Zivilisationsmüde aus Westeuropa den Weg hierher und zelteten am Strand. Bald entstanden Pensionen, Restaurants und Ferienhäuser im Dorf Çıralı – das sich seine alternative Atmosphäre dennoch bis heute bewahrt hat.

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Hier achtet man auf die Umwelt – nicht nur wegen der Schildkröten

Wir haben einen Holzbungalow über Airbnb gemietet. Er steht mitten in einem Orangen- und Zitronenhain. Vor unserer Veranda baumelt eine Hängematte. Als ich den Koffer abstelle, streicht eine Katze um meine Beine. Unser Gastgeber Banu Koyluoglu fährt auf dem Elektroroller vor und bringt uns den Schlüssel. Autos seien schlecht für die Natur, belehrt er uns gleich, und ich nicke etwas schuldbewusst. Wir könnten gern die Fahrräder nehmen, die vor dem Haus stehen, sagt er. Ein Fahrradschloss brauche man hier im Dorf nicht.

Wie viele Gastgebende in Olympos bewirbt auch er seine Unterkunft als “Eco Friendly”. Solarkollektoren auf dem Dach erhitzen das Wasser, Orangen können wir im Garten pflücken. Doch wenn man es mit Nachhaltigkeit ganz genau nimmt, dürfte dieser Bungalow gar nicht sein. Das erfahren wir, als wir am Strand auf die Freiwilligen der NGO treffen.

Die “Caretta caretta” kann mehr als 150 Kilo wiegen und kommt im Sommer aus dem Meer, um ihr Gelege zu vergraben. Doch weil an den türkischen und griechischen Mittelmeerküsten mehr und mehr gebaut wird, finden die Tiere kaum noch Brutplätze. Die “Unechte Karettschildkröte” steht auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN: Forschende schätzen, dass im östlichen Mittelmeer nur etwa 7000 Tiere im Jahr einen Brutplatz finden, rund 100 davon am Strand von Olympos. Die Einheimischen haben mithilfe des WWF deshalb einen Verein gegründet und sorgen dafür, dass der Strand unbebaut bleibt. Immer wieder haben die Behörden dort schon Restaurants abgerissen, die ihm zu nahe kamen.

Neues Zuhause Ein Schildkrötenbaby auf dem Weg ins Meer.

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Doch so sehr der Tourismus das Naturparadies bedroht, so sehr hilft er ihm auch: Viele Hotelbetreibende unterstützen mittlerweile die NGO mit Spenden, patrouillieren sogar selbst. Sie wissen, dass Olympos Gäste anzieht, gerade weil es anders aussieht als die vielen betonierten Ferienorte mit ihren Bettenburgen an der Küste. Und sie haben ein Interesse daran, dass keine Hotelketten in der Bucht gebaut werden, die ihnen Konkurrenz machen. 

Am nächsten Tag können wir endlich baden gehen. Auf dem Weg ins Wasser achten wir darauf, nur durch den Kies zu laufen, wo die Schildkröten nichts verbuddeln. Danach setzen wir uns in eines der Restaurants im Dorf. Die Tische stehen zwischen Feigenbäumen, um uns herum laufen Hühner. Der Wirt grillt Lamm und Auberginen, zum Nachtisch gibt es den Milchreis Sütlaç, mit Pistazien bestreut, die hier überall wachsen. “Mögt ihr Olympos?”, fragt der Wirt. Ich habe den Mund zu voll, um zu antworten, und nicke nur.

Die ewigen Flammen der Chimaira faszinieren seit Menschengedenken

Sobald es dunkel wird, kann man in Olympos ein Phänomen beobachten, das schon Menschen in der Antike faszinierte: Mitten in den Bergen lodern Flammen aus dem Stein. Wir wandern nach dem Essen eine halbe Stunde einen Pfad hinauf. Auf etwa 300 Meter Höhe stehen wir vor den ewigen Flammen der Chimaira. Eine Erdgasquelle im Berg speist die Feuer. Nicht einmal starker Regen vermag sie zu löschen. Schon der Dichter Homer, schrieb in der “Ilias” darüber. Die Chimaira, ein Monster mit Löwen-, Schlangen- und Ziegenkopf, das Feuer spuckt, soll im Berg von Olympos gewohnt und die Flammen entzündet haben.

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Wir haben frisch gemachte Börek, würzig gefüllte Teigteilchen, dabei, Marshmallows und regionalen Rotwein, setzen uns auf die Felsen und beobachten vom Berghang, wie die Sonne untergeht. Neben uns lodern die Flammen aus dem Felsen und erleuchten die Nacht. Eigentlich wollen wir morgen weiter die Küste entlangfahren. Eigentlich …

Unsere Reisetipps für Lykien

HINKOMMEN & RUMKOMMEN
Die Halbinsel Lykien und den Ort Olympos erreicht man am besten mit dem Mietauto von Antalya aus. Wer das Auto stehen lassen möchte, kann einen der spektakulärsten Wanderwege der Türkei entdecken: Auf dem “Lykischen Weg” geht’s einmal um die Halbinsel herum, etwa 500 Kilometer von Antalya bis Fethiye, vorbei an Stränden und antiken Ruinen, durch Pinienhaine … Die spektakulärste Etappe führt in sechs Kilometern vom Dorf Karaöz zum Kap Gelidonya, wo ein alter Leuchtturm Schiffe vor den Klippen warnt – unterwegs locken kleine Badebuchten, denen man nicht widerstehen kann. Einfache Campingplätze bieten frisch gepressten Granatapfelsaft oder auch ein Lager für die Nacht, etwa der von Furkan direkt am Wasser (instagram.com/furkancamping).

Die besten Ausblicke und viele Tipps abseits der üblichen Touristenpfade fasst der Wanderratgeber “Türkei: Lykischer Weg” von Michael Hennemann zusammen (192 S., 14,90 Euro, Conrad Stein Verlag).

ÜBERNACHTEN
Ekinoks Hotel. In einem Orangenhain in Çıralı liegt diese familiengeführte “Adults Only”-Pension: eine Handvoll schöner Bungalows, jeder mit eigener Veranda und Blick auf den Garten. Die Ruhe ist außergewöhnlich, das Frühstück mit frischen Orangen auch. DZ/F ca. 75 Euro (82 Çıralı Yolu, Kemer, Tel. 053/23 52 51 48).

Kadir’s Tree Houses. Die Bucht von Olympos kann man auch gut im Hochsommer besuchen – die Lage zwischen den Bergen und die vielen Bäume sorgen für Kühlung. Mitten im Grünen am Rande der Bucht kommt man zum Beispiel in den Holzhäusern von “Kadir’s Tree Houses” urig unter, die schon in den 1970ern Rucksackreisende beherbergten. Die Zimmer sind einfach, aber gemütlich. DZ ca. 68 Euro (Yazır Mahallesi Olimpos Mevkii, Kumluca, Tel. 024/28 92 12 50, kadirstreehouses.com).

Yalın Ayak. Die Glamping-Zelte im Garten von “Yalın Ayak” überzeugen selbst Komfort-Fans, die sonst nur ungern campen. Ab 23 Euro (Olimpos Sokak, Antalya, Tel. 053/94 40 95 85, yalinayakolimpos.com).

Im Dorf Çıralı. Viele Familien haben kleine Pensionen oder vermieten Bungalows. Morgens servieren sie das türkische Kahvaltı-Frühstück mit den Sesamkringeln Simit, Honig, Oliven, Käse, Menemen-Rührei und Schwarztee (mehr Infos: cirali.org).

GENIESSEN
Sila Cafe and Pancake House. Der perfekte Mittagssnack in der Bucht von Olympos: Gözleme, ein Mix aus Pfannkuchen und Fladen, gefüllt mit Spinat, Schafskäse oder Kartoffeln. Zum Mitnehmen bestellen und dann am nahe gelegenen Strand essen! (41/B Çınar Sokak, Kemer, Tel. 053/23 52 98 17)

Neşeli Balık. In der Küstenstadt Finike versteckt sich dieses authentische Restaurant. Seine Spezialität: gegrillter Fisch. Zum Wolfsbarsch oder Oktopus gibt es eine Auswahl an Vorspeisen (Mezze). Vor allem am Abend füllen sich die Tische mit Einheimischen, es wird geredet, gelacht, manchmal auch gesungen. Fischgerichte für ca. 10 bis 20 Euro (108. Sokak, Finike, Tel. 024/28 55 28 99).

ERLEBEN
“Caretta caretta”. Lykien ist nur eine Autostunde von den Bettenburgen der Türkischen Riviera entfernt – und doch eine andere Welt. Auch dank “Caretta caretta”, einer Schildkrötenart, die hier unter Schutz steht. Ab August werden Freiwillige gesucht, die in der Bucht von Olympos Schildkrötennester finden und den Babys beim Schlüpfen helfen. Freie Kost und Logis (mehr Informationen unter fb.com/BaskaCiraliyok).

Kaputaş. In Lykien muss man nicht lange nach schönen Stränden suchen. Am Rand der Landstraße Richtung Kalkan etwa parken fast immer Autos, eine Holztreppe führt an der Steilküste in die Bucht von Kaputaş hinab, deren Wasser so blau ist wie sonst nur auf Instagram-Fotos.

Adrasan. Wer ausgewachsene Schildkröten im Meer beobachten will, sollte tauchen gehen. Im alten Piratennest Adrasan, einer Nachbarbucht von Olympos, bieten Mediha und Holger Pollmann empfehlenswerte Unterwassertouren und Tauchkurse an, die Tauchschule liegt direkt neben der Hotelpension “Atici 2” (Adrasan mahallesi sahil caddesi 52/2, Tel. 024/28 83 13 53,instagram.com/divingadrasan).

Patara. Hier versperren keine Beachclubs die Sicht! Der weiße Sandstrand ist 18 Kilometer lang, bis zu 300 Meter breit und damit der größte an der lykischen Küste. Er liegt in einem archäologischen Schutzgebiet, im Hintergrund sieht man 2000 Jahre alte Torbögen und das antike Theater.

GUT ZU WISSEN
Einkaufen. Am besten mit einem halb leeren Koffer anreisen – die Türkei ist ein Shopping-Paradies. Und das nicht nur, wie das Klischee besagt, für gefälschte Gucci-T-Shirts. Türkische Designer:innen wie Ece Gozen, Bora Aksu und Nejla Güvenç haben sich längst weltweit einen Namen gemacht, und die Großstädte der Türkei sind voller Shoppingmalls, Märkte und Boutiquen. Lohnt immer: ein Besuch in den Geschäften der türkischen Kultmarke “Mavi Jeans”, etwa in Antalya, Kemer oder Fethiye.

Tiere füttern. Straßenkatzen und -hunde behandelt die türkische Bevölkerung teilweise wie Haustiere: Sie werden gefüttert, gestreichelt und sind meist gegen Krankheiten geimpft. Im Restaurant ist es nicht unüblich, ein paar Brocken unter den Tisch fallen zu lassen, wenn die Tiere vorbeikommen. Im Zweifel aber kurz beim Personal nachfragen, ob es wirklich okay ist.

TELEFON
Die Vorwahl der Türkei lautet 00 90.

Brigitte


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