Wer auf Schnelltests vertraut, wiegt sich bei negativem Ergebnis mitunter in falscher Sicherheit. Omikron macht alles noch komplizierter. Doch es gibt Hoffnung im Antigentest-Dschungel: Experten in Deutschland untersuchen laufend solche Corona-Tests. Die Qualitätsunterschiede sind bemerkenswert.
Der Kopf fühlt sich noch schwer an und neigt zur Ermüdung: Ich erhole mich gerade von einer Corona-Infektion mit «hoher Virenlast». Zunächst hielt ich die Krankheit für eine Grippe. Und trotz starken Symptomen bestätigten die Antigentests, die ich aus einer Zürcher Apotheke bekommen hatte, diese These. Denn sie wiesen für meinen Nasenabstrich stets ein negatives Resultat aus. So vergingen zwei Tage, ehe ich mich in ein Testzentrum begab – der PCR-Test bescheinigte mir prompt, «definitiv» an Corona erkrankt zu sein.
Nun wird der Kopf wieder klarer, doch die Verunsicherung ist geblieben. Denn offenbar bin ich nicht der einzige, bei dem die Schnelltests trotz eindeutiger Infektion negativ ausfielen. Steckt sozusagen System dahinter?
Schnelltests in Testzentren oft identisch mit jenen für zuhause
Dass die Schnelltests eine vergleichsweise hohe «falsch negative» Rate haben, ist bekannt. Doch immerhin: Für die allermeisten in Europa üblichen Tests scheint dies nicht zu gelten, wie eine Untersuchung des Paul-Ehrlich-Instituts zeigt. Die Wissenschafter haben sich dafür fast 250 Produkte angesehen, die in Testzentren verwendet werden. 46 von ihnen erfüllen die Mindestkriterien nicht – das entspricht knapp einem Fünftel der bisher untersuchten Tests. Der Rest gilt als «erstattungsfähig», ein Test mit ihnen soll sich also buchstäblich lohnen.
Die Antigen-Präparate, die in Deutschland und der Schweiz für Selbsttests verfügbar sind, sind oft identisch mit jenen, die die Testzentren nutzen. Klar, die Profis bohren für den Abstrich vielleicht noch tiefer in die fremden Nasen, als wir Laien das uns selbst zumuten. Aber ich hatte mir bei den Selbsttests diesbezüglich grosse Mühe gegeben und jedes Mal Tränen in den Augen. Einen Unterschied zur Bohrtiefe beim PCR-Test konnte ich nicht feststellen.
Omikron macht alles noch komplizierter
Einen bemerkenswerten Umstand gibt es allerdings: Die Untersuchung des Paul-Ehrlich-Instituts hat ganz allgemein die Coronaviren zum Gegenstand; die Omikron-Variante, die das Infektionsgeschehen in Europa mittlerweile dominiert und mit der auch ich mich infiziert hatte, könnte die Lage aber verkomplizieren. Denn genauso, wie die bisher zur Verfügung stehenden Impfstoffe nur einen zeitlich und auch in seiner Wirksamkeit begrenzten Schutz gegenüber Omikron ermöglichen, könnten auch die Schnelltests weniger gut auf die neue Variante ansprechen.
Das Paul-Ehrlich-Institut arbeitet deshalb bereits an einer neuen Auswertung der Schnelltest-Präparate speziell mit Blick auf Omikron. Dies wird allerdings noch geraume Zeit in Anspruch nehmen: Die Ergebnisse könnten erst Ende Februar präsentiert werden, heisst es.
Mein Schnelltest erkennt nur 4,3 Prozent der Proben mit mässiger Virenlast
Bleibt uns also nichts weiter übrig, als bis dahin zu warten? Mitnichten: Ein Blick auf die verfügbaren Daten des Paul-Ehrlich-Instituts zeigt mir nämlich, dass das Präparat, das ich für die Selbsttests verwendet habe, zwar freigegeben ist. Gemäss der Tabelle weist es aber eine vergleichsweise geringe Gesamtsensitivität von nur 34 Prozent auf – dies wohlgemerkt schon bei den Varianten vor Omikron. Selbst bei hoher Virenlast fällt das Ergebnis nicht immer positiv aus.
Wirklich kritisch wird es im Grenzbereich, also im Bereich der Schwelle, die darüber entscheidet, ob jemand als infiziert gilt oder nicht: Nur in 4,3 Prozent der Fälle ergibt dieses spezielle Präparat ein positives Resultat. Fast jeder Test also, den eine infizierte Person mit nicht ganz so hoher Virenlast durchführt, würde hier falsch negativ ausfallen. Gerade bei Geimpften und Geboosterten, die einen gewissen Schutz gegen das Coronavirus entwickelt haben, kommt dies bei einer Infektion wohl infrage. Wer sich allerdings mit Omikron infiziert hat, dem nützt das Präparat offenbar gar nichts. Denn selbst bei hoher Virenlast und wiederholten Tests scheint es nicht anzuschlagen.
32 Schnelltests sind Spitze
Wer also einen Schnelltest durchführen möchte, sollte zumindest darauf achten, dass ein Produkt verwendet wird, welchem das Paul-Ehrlich-Institut eine hohe Sensitivität bescheinigt. Sie müssen zum Glück nicht lange suchen: Wir haben für Sie genau solche Produkte aus der Tabelle der verfügbaren Antigentests herausgesucht. Folgende Präparate – darunter mehrere Speicheltests – sind auch im Grenzbereich noch zu mindestens 90 Prozent sensitiv.
32 Präparate haben im kritischen Bereich eine Sensitivität von mindestens 90 Prozent
Produkt
Hersteller
Gesamtsensitivität
Longsee 2019-nCoV Ag Rapid Detection Kit (Immuno-Chromatography)
SARS-CoV-2 Antigen Rapid Test Kit (Colloidal Gold) SPUCKTEST
JOYSBIO (Tianjin) Biotechnology Co., Ltd.
90%
76%
Die Liste mag lang erscheinen. Doch Tatsache ist, dass der weitaus grössere Teil der freigegebenen Schnelltests keine guten Werte erreicht und hier nicht berücksichtigt wurde. Die vollständige Tabelle, die derzeit abzüglich der von vornherein durchgefallenen Produkte insgesamt 199 Schnelltests umfasst, finden Sie hier. Sie wird immer wieder aktualisiert, da ständig neue Anbieter auf den Markt drängen. Die Autoren der laufenden Evaluierung, an der unter anderen auch das Robert-Koch-Institut, das Konsiliarlabor für Coronaviren an der Charité Berlin und das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr beteiligt sind, weisen deshalb darauf hin, dass ihre Übersicht nicht vollständig sei.
46 Flop-Tests, fünf davon schlagen nie Alarm
Genauso ist denn auch die folgende, noch längere Auflistung zu verstehen: Es handelt sich hier gewissermassen nur um die untere Spitze des Eisbergs. Denn diese Präparate sind zwar freigegeben, weisen aber schon im Grenzbereich eine äusserst niedrige Sensitivität von weniger als 20 Prozent auf, viele weniger als 10 Prozent und manche sogar 0 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur einer der üblicherweise fünf in einer Verpackung enthaltenen Tests bei einer Infektion mit gemässigter Virenlast positiv ausfällt, ist in dieser Gruppe also sehr gering.
46 zugelassene Präparate sind im Grenzbereich sehr unzuverlässig
Produkt
Hersteller
ACON Biotech (Hangzhou) Co., Ltd
Aesku Rapid SARS-CoV-2 Rapid Test
Aesku Diagnostics GmbH
CoroVisio Covid-19 Ag Versieglungsröhrchen Teststreifen (Kolloidales Gold)*
Amazing Biotech (Shanghai) Co., Ltd
AS-check COVID-19 Antigen Schnelltest*
Asterion Otel Insaat Bilisim Medikal Maden Tic. Ltd. Sti.
Ksmart® SARS-COV2 Antigen Rapid Test
Avalun
Dia Sure Covid-19 Antigen Rapid Test Device (Nasopharyngeal/Oropharyngeal Swab)
Azure Biotech Inc.
BD Veritor™ System for Rapid Detection of SARS-CoV-2*
Becton Dickinson
Beijing Beier Bioengineering Co., Ltd.
COVID-19 Antigen Rapid Test Kit**
Beijing Kewei Clinical Diagnostic Reagent Inc.
Tell Me Fast Rapid Diagnostic Test
Biocan Diagnostics Inc.
SARS-Cov-2-Antigen-Schnelltest-Karte
BioDetect (Xiamen) Biotechnology Co., Ltd
SARS-CoV-2 Antigen Test Kit (Colloidal Gold Method)
BioTeke Corporation (Wuxi) Co., Ltd.
Rapid Response COVID-19 Rapid Test Device
BTNX, Inc.
ISIA SARS-CoV-2 Antigen Rapid Test Kit
Chongqing ISIA BIO-Technology Co., Ltd
FUJIFILM COVID-19 Ag Test
FUJIFILM Corporation
DIA-COVID® COVID-19 Ag Rapid Test Kit
GenSure Biotech Inc.
Genedia W Covid-19 Ag*
Green Cross Medical Science Corp. (Weko Pharma GmbH)
2019-nCoV Antigen Test Kit (colloidal gold method)
Guangdong Hecin Scientific, Inc.
Wondfo SARS-CoV-2 Antigen Test (Lateral Flow Method)**
Ein Tipp zum Schluss: In der Schweiz lassen Sie sich nach dem daheim durchgeführten Schnelltest am besten gleich mit einem PCR-Test testen. Denn wenn zuerst ein offizieller Antigentest durchgeführt wird und dieser negativ ausfällt, müssen Sie die Kosten für einen allfälligen anschliessenden PCR-Test selbst übernehmen. Im Zweifel aber lassen Sie sich bitte auch davon nicht abhalten.