Zweites Russland-Afrika-Forum: Wer Getreide will, muss nach Petersburg kommen


Zweites Russland-Afrika-Forum

Wer Getreide will, muss nach Petersburg kommen

Russland lädt Afrikas Staats- und Regierungschefs zu einem zweitägigen Gipfeltreffen, um neue Handelsabkommen zu schließen. Es will dem Kontinent nicht mehr nur Getreide liefern, sondern auch beim Aufbau der Landwirtschaft helfen. Eine Politik mit Zuckerbrot und Peitsche.

Zuerst kündigt Russland das Getreideabkommen mit der Ukraine, wodurch arme afrikanische Länder sicher versorgt werden konnten. Dann reicht Präsident Wladimir Putin den Afrikanern die helfende Hand: An diesem Donnerstag und Freitag sind die Staats- und Regierungschefs Afrikas zum “zweiten wirtschaftlichen und humanitären Russland-Afrika-Forum” nach Sankt Petersburg eingeladen, um, wie es auf der Internetseite des Gipfels heißt, “Afrikas Lebensmittelsouveränität zu diskutieren”.

Putin hat im Vorfeld des Treffens einen Artikel verfasst, der sich liest wie eine persönliche Einladung. Darin macht er den Afrikanern ein Angebot: “Russische Unternehmen sind daran interessiert, aktiver auf dem Kontinent im Bereich der Hochtechnologien und der geologischen Erkundung, im Brennstoff- und Energiekomplex einschließlich der Nuklearenergie, in der chemischen Industrie, im Bergbau und im Verkehrswesen, in der Landwirtschaft und Fischerei zu arbeiten”, verspricht er.

Vor dem Hintergrund der internationalen Isolation infolge seiner Invasion in die Ukraine sucht Russland in Afrika nach alten Freunden und neuen Absatzmärkten. Es bietet sich den Afrikanern als Lösung für ihre Lebensmittelkrise an. 60 Prozent des fruchtbaren Landes Afrikas seien “nicht ausreichend genutzt”, heißt es auf der Webseite des Forums. Deswegen würden russische Bankenchefs sowie Vertreter des Lebensmittel- und Agrarkonzerne auf dem zweitägigen Forum in den Petersburger Kongresshallen die afrikanischen Delegationen empfangen, um “über den Aufbau einer eigenen Produktion auf dem Kontinent” zu diskutieren. Russland verspricht Afrika im Gegenzug “landwirtschaftliche Technologie und Ausrüstung”.

2019 war das Angebot aus Moskau noch attraktiv

Aus all diesem Werben um einen Ausbau der Beziehungen zu Afrika wird klar: Um die Wirtschaftssanktionen zu umgehen und sich neue Absatzmärkte zu erschließen, braucht der Kreml Afrika mehr als je zuvor. Die Afrikaner hingegen reisen nach Washington, Paris und Israel, in die Türkei und bis nach China; ja, sie empfangen sogar Irans Staatschef – die ganze Welt wirbt mittlerweile um Beziehungen mit dem Kontinent. Für die Afrikaner ist Russland nur ein Handelspartner unter vielen.

Bereits 2019 hatte Putin die Afrikaner zum ersten Russland-Afrika-Gipfel geladen, damals an die Schwarzmeer-Küste nach Sotschi. Der Ansturm war groß: Knapp 50 afrikanische Staats- und Regierungschefs der 54 Länder des Kontinents kamen mit großen Delegationen. Russland bot sich den Afrikanern als Alternative zum Westen an. Putin betonte in seiner Eröffnungsrede 2019 ausdrücklich, er wolle Handelsabkommen “ohne politische oder andere Bedingungen” anbieten.

Für viele afrikanische Staatschefs war dies damals ein attraktives Angebot, zumal ein Großteil ihres Kriegsgeräts aus russischen Beständen stammt. Rund um den Gipfel unterzeichnete Moskau mit zahlreichen afrikanischen Regierungen umfangreiche Partnerschaftsabkommen: vom Aufbau der Kernenergie bis zur Versorgung mit russischen Nachrichtensendern war darin alles enthalten. Diese Abkommen legten später die Grundlage dafür, warum viele afrikanische Regierungen nach dem Einmarsch in die Ukraine keinen radikalen Bruch mit Moskau vollziehen wollten.

Einige Staaten schicken nur die zweite Reihe

Dasselbe Angebot macht Russland den Afrikanern nun noch einmal, allerdings mit mehr Nachdruck. Es war kaum ein Zufall, dass Moskau den Getreidedeal kurz vor dem Gipfel auslaufen ließ. Russland macht dafür die Europäer verantwortlich. Oleg Ozerow, Vize-Direktor der Afrika-Abteilung im russischen Außenministerium und Vorsitzender des Russland-Afrika-Partnerschaftsforums, zeigt sich zuversichtlich, dass der Gipfel wieder stark besucht werde: “Wir sind davon überzeugt, dass die meisten Staatsoberhäupter diese offenen Drohungen und offenen Erpressungen westlicher Staaten ignorieren werden, die buchstäblich fordern, dass afrikanische Staaten die Zusammenarbeit mit Russland einstellen”, so Ozerow.

Doch die Welt ist eine andere und die Afrikaner sind seit über einem Jahr gebeutelt von steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen sowie der globalen Unsicherheit, die durch den Ukraine-Krieg erzeugt wird. Einige Staaten haben deswegen nur zweitrangige Delegationen nach Sankt Petersburg geschickt. So hat Felix Tschisekedi, Präsident der Demokratischen Republik Kongo, seinen Premierminister nach Russland delegiert. Ugandas Präsident Yoweri Museveni, ein treuer Freund Moskaus in Afrika, twitterte hingegen am Mittwoch frohe Botschaften, bevor er ins Flugzeug stieg: “Ich freue mich darauf, unsere Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung, Bildung, Förderung der Wirtschaft, Handel und Investitionen sowie Energie mit Russland auszubauen.”

In Afrika erinnert man sich an den Beschuss in Kiew

Trotzdem ist vielen noch frisch in Erinnerung, wie Putin im Juni Kiew beschießen ließ, als drei afrikanische Präsidenten und Regierungsvertreter weiterer afrikanischer Länder sich an einer “Friedensmission” zwischen der Ukraine und Russland versuchten. Zum Empfang feuerte Moskau zwölf Raketen auf die ukrainische Hauptstadt. Die Afrikaner mussten sich in den Luftschutzbunker ihres Hotels retten.

Den Beziehungen zwischen Afrika und Russland hat das schwer geschadet. Das zeigte sich nicht zuletzt am Hin und Her, ob Putin nun das im August anstehende Gipfeltreffen der BRICS-Staaten in Südafrika besuchen würde. Da der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl auf ihn ausgestellt hat und Südafrika ein Unterzeichnerstaat des Gerichts ist, hätte Putin dort theoretisch verhaftet werden können. Um dem Dilemma zu entgehen, einigte sich Südafrikas Staatschef Cyril Ramaphosa mit dem Kreml letztlich darauf, dass Putin dem Treffen nur online über Videoschalte beiwohnen wird.

Die Kündigung des Getreideabkommens wird in Afrika als Antwort des Kremls auf diese Absage verstanden. Putin versucht den Afrikanern klarzumachen, wer am längeren Hebel sitzt. In Afrika hingegen muss man sich eingestehen, dass der Kreml die Lebensmittelversorgung für die Ärmsten der Armen als Faustpfand einsetzt.

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