Dance Umbrella: Change Tempo Review – ein Trio bezaubernder Soli | Tanzen

EIN eine glitzerbedeckte Hexe und ein nackter Mann, der seine Fahne dort hinstellt, wo die Sonne nicht scheint – bei Dance Umbrella gibt es immer etwas Unerwartetes zu sehen. Nach 44 Jahren und nun unter seinem vierten künstlerischen Leiter, Freddie Opoku-Addaie, bringt das Festival weiterhin neue lokale und internationale Stimmen auf die Londoner Bühne.

Diese Triple Bill besteht aus drei sehr persönlichen Soli, jedes eine intensive innere Reise. Die Hexe ist Joy Alpuerto Ritter, die in Großbritannien vor allem für ihre Auftritte mit Akram Khan bekannt ist. Babae (bedeutet „Frau“ in der philippinischen Sprache Tagalog) ist vom Hexentanz der Tanzpionierin Mary Wigman aus dem frühen 20. Jahrhundert und ihrer Verwendung von Ritualen und Trance inspiriert. Ritter bezieht sich auf philippinischen Volkstanz, klassisch, zeitgenössisch und modisch. Sie hat eine weise Präsenz und außerordentlich ausdrucksstarke Füße und Hände, ihre Finger huschen wie unabhängige Kreaturen davon und verzaubern ihren eigenen Körper.

Calixto Neto in Change Tempo im Brixton House, London. Foto: Marc Domage/Katja Renner

Auch Teile von Calixto Netos Körper scheinen ihren eigenen Kopf zu haben, da er in O Samba do Crioulo Doido nur mit silbernen Plateaustiefeln und einem konzentrierten Gesichtsausdruck zu sehen ist. Hergestellt von Luiz de Abreu, der vor ein paar Jahren sein Augenlicht verloren hat und die Arbeit an Neto weitergegeben hat, ist es ein pointierter, aufrüttelnder und sarkastischer Tanz, der sich der exotisch/erotischen Sichtweise des schwarzen Körpers in Brasilien widersetzt. Mit äußerster Ernsthaftigkeit tanzt der nackte Neto einen langsamen, verführerischen Samba, dann spannt und bewegt er bestimmte Muskeln, als würde er Fleischstücke zeigen. Es wird mit seinen baumelnden Teilen getanzt und die Hinterbacken maschinenartig wackeln – schließlich lässt sich das Publikum kichern und jede erotische Ladung entweicht aus diesem objektivierten Körper. Es ist ein großer Mittelfinger gegen den beklemmenden Blick und die Klischees des Karnevals.

Am überzeugendsten als Bewegerin ist jedoch die französische Tänzerin Linda Hayford in Shapeshifting. Ihre Darbietung ist subtiler, aber kraftvoller. Als ausgebildete Popperin hat sie ihren eigenen Stil entwickelt, den „Shifting Pop“, der eine große Beherrschung der Isolation mit sich bringt: einzelne Körperteile, etwa eine Auswahl an Wirbeln bewegen, ohne dass etwas anderes nachzieht. Ihr Oberkörper schwingt langsam wie ein Pflanzenstängel tief unter Wasser und schlägt dann den Puls der Musik. Sie baut einen hypnotischen Rhythmus auf, bringt ihn ins Nichts und nimmt uns dann mit auf ein weiteres Crescendo. Sie ist faszinierend anzusehen.

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