Das Rheingold Review – kein Ring, kein Gold, stattdessen Kindesmissbrauch und Entführung treiben Bayreuths neuen Ring | Oper

WWer wusste es? Wagners monumentaler Ring-Zyklus ist schließlich keine Saga von Gold, Macht und Liebe. Das dachte sich nur der Komponist. Tatsächlich ist der Ring eine Geschichte von Kindesentführung und Entmenschlichung. So zumindest der österreichische Regisseur Valentin Schwarz scheint sich im ersten Teil dieses lang erwarteten neuen Ring-Zyklus zu streiten Bayerisches Fest wo das Werk selbst 1876 uraufgeführt wurde.

„Ein erschütternder und aktueller Raubtier-Moment“: Olafur Sigurdarson als Alberich Foto: Enrico Nawrath

An Bayreuths neuem Ring hat es seit dem letzten Zyklus 2017 länger gedauert als geplant. Es gab Intendantenwechsel, pandemiebedingte Verzögerungen, Machtkämpfe innerhalb der Festspiele selbst und vor weniger als drei Wochen auch des Dirigenten Pietari Inkinen wegen Covid zum Rückzug gezwungen wurde (Bayreuth sagt, dass er nächstes Jahr wieder dabei sein wird). Der Staffelstab ging an den Stuttgarter Opernmusikdirektor über Cornelius Meisterder den Ring mit einer flotten, flüssigen Darbietung von Das Rheingold eröffnete, wunderschön gespielt vom Bayreuther Festspielorchester.

Größere Tests werden kommen, wenn sich der Zyklus entfaltet. Das gilt jedenfalls für Schwarz’ konzeptlastige Inszenierung, in der Rheingold in einem Kinderplanschbecken vor arkadischer Kulisse eröffnet, aus der Alberich, ohne ersichtlichen Grund der Liebe entsagend, einen Jungen im goldenen Fußballtrikot flink unter die Nase greift Rheinmaiden Kindermädchen. Es ist ein erschütternder und aktueller räuberischer Moment, und die Vorstellung, dass die Erbsünde, die den Ring und die Welt der Macht antreibt, tatsächlich der Missbrauch von Kindern ist, ist eine sengende.

Götter und Monster… Egils Silins als Wotan (ganz links) und Daniel Kirch als Loge (ganz rechts) bei der Bayreuther Festspielinszenierung 2022.
Götter und Monster… Egils Silins als Wotan (ganz links) und Daniel Kirch als Loge (ganz rechts) bei der Bayreuther Festspielinszenierung 2022. Foto: Enrico Nawrath

Die größere Frage ist, ob es sich um eine Idee handelt, die über den gesamten Ring hinweg aufrechterhalten werden kann, ohne das, was Wagner geschrieben hat, zu verstümmeln. Auch in Rheingold wurde vieles beiseite geschoben. Wie vorauszusehen war, verzichtet die Inszenierung in diesem Ring ohne Gold und ohne Ring in Andrea Cozzis eklektischen Bühnenbildern und Andy Besuchs Kostümen auf alle anderen Wagnerschen Requisiten.

Immerhin gibt es schwangere Möglichkeiten. Der junge Entführte, brutalisiert und wild, ist Götterdämmerungs Hagen im Entstehen. Die schuluniformierten Mädchen, die er tyrannisiert, könnten embryonale Walküren sein. Und die potenzielle Säuberung einer verrotteten und herzlosen Welt ist das beständige Wagnersche Thema der Themen.

Gesanglich sind die Bayreuther Standards heutzutage eher dezent als herausragend. So hat es sich hier bewährt. Egils Silin ist ein Wotan mit heller Stimme, der noch absurder in seinen Walhalla-Wahnvorstellungen gefangen ist als je zuvor. Olafur Sigurdarson sticht als Alberich heraus, obwohl es am Premierenabend einige Spannungen gab. Daniel Kirch ist eine elegant gesungene Loge und Okke von der Damerau verleiht Erda einen Hauch von Opernpracht der alten Schule. Beobachten Sie diesen Raum. Dieser Ringzyklus könnte in beide Richtungen verlaufen.

Martin Kettles Rezension des gesamten Bayreuther Ring-Zyklus erscheint am Montag, den 8. August.

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