Stuttgarter Ballettrezension – Beethoven-Trio spielt mit Begierde und Verzweiflung | Tanzen

T.Hier ist etwas Erstickendes an den Kopplungen in Mauro Bigonzettis Einssein, einer Live-Stream-Weltpremiere des Stuttgarter Balletts. So greifen sich ihre Hände gegenseitig an den Schultern, die Arme wie ein Riffknoten vergittert. Oder wie eine Frau um den Hals eines Mannes gelegt wird, während ihr hochgehobenes Bein gegen die Seite seines Gesichts drückt. Oder es ist ein Knie, das fest über einer Schulter hängt, oder ein Mann, der in einer Art Headlock zwischen den Knöcheln einer Frau gehalten wird. Die Männer tragen sogar Korsetts, um das Gefühl der Verengung zu unterstreichen.

Der Titel Einssein bedeutet “Einheit” oder “Eins sein”, aber dies sieht nicht nach einer bequemen Art von Einheit aus. Sind sie gegen ihren Willen gefangen oder ist dies nur das manchmal erstickende Gewirr von Bedürfnissen und Wünschen in einer engen Beziehung? Das ist offen für Interpretationen.

Metronomischer Puls… Einssein. Foto: Stuttgarter Ballett

Anderswo in Bigonzettis Welt werden Paare und Gruppen harmonisch, verspielt, schwül, schrullig, aber nichts davon hat die Wirkung oder Intrige dieser repressiven Posen. Die Stuttgarter Tänzer sind scharf, stark und stromlinienförmig. Frauenbeine fliegen, als ob ihre Füße versuchen, sich so weit wie möglich von ihrem Körper zu entfernen. Und es gibt ein kurzes, herausragendes Solo von Friedemann Vogel, das sich mit elastischer Ausdruckskraft befreit.

Das Klavier wurde zu drei Beethoven-Klaviersonaten getanzt, die von Andrej Jussow live auf der Bühne gespielt wurden. Es bietet nicht nur den Soundtrack, sondern auch eine Requisite für die Tänzer, um sich zu versammeln oder darüber zu tanzen. Es steht im Mittelpunkt der Arbeit, und dennoch fühlt sich die Choreografie nicht besonders musikalisch an. Ihre abgeschnittenen Rhythmen bewegen sich oft zu einem metronomischen Puls, anstatt mit Jussows Spiel zu atmen. Die Bewegung folgt nicht immer den Veränderungen in Ton, Melodie oder Dynamik der Musik.

Große Fuge.
Unerwartete Akzente… Grosse Fuge. Foto: Stuttgarter Ballett

Beethoven gilt nicht als der tanzbarste Komponist, und Bigonzettis Stück könnte dieser Theorie eine gewisse Glaubwürdigkeit verleihen, wenn nicht die anderen Ballette in diesem Beethoven-Gesetzentwurf enthalten wären, zwei klassische Werke des niederländischen Choreografen Hans van Manen aus den 1970er Jahren. Adagio Hammerklavier ist ein klares Stück exquisit kontrollierter Emotionen und exquisit kontrollierter Gliedmaßen, und Grosse Fuge bringt unerwartete Akzente in eine herausfordernde Partitur. Van Manen ist Partner der Musik zu gleichen Bedingungen und nicht in einer leicht gestörten Beziehung.