Peter-von-Kant-Rezension – Gender-Flipped Fassbinder beseitigt die bitteren Tränen | Berliner Filmfestspiele 2022

François Ozon gelang im Jahr 2000 der Durchbruch in seiner Karriere als Filmemacher mit der Adaption des unveröffentlichten Bühnenstücks Water Drops on Burning Rocks von Rainer Werner Fassbinder. Zur Eröffnung der diesjährigen Berliner Filmfestspiele kehrt er nun mit einer geschlechtsgewechselten Version zum dunklen Meister des Neuen Deutschen Films zurück Fassbinders Film „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ von 1972dieses seltsame, kantige, klaustrophobische Drama, in dem nur Frauen auf der Leinwand zu sehen sind.

Fassbinders Film spielt vollständig in der Wohnung einer Modedesignerin, die eine emotional missbräuchliche Beziehung zu ihrer im Haushalt lebenden Assistentin hat und dann eine verrückte und verzweifelte Liebe zu einer schönen jungen Frau entwickelt, die sie offen betrügt. Ozon macht einige dieser Charaktere zu Männern, aber nur einige von ihnen. Wir müssen hoffen, dass er nicht die Art von Trauer bekommt, die Paul Feig für seine rein weiblichen Ghostbusters bekommen hat, von Fassbinder-Fans, die behaupten, er habe ihre Kindheit zerstört.

Ozon hat dem Titel und auch dem Film selbst die bitteren Tränen genommen. Bei aller Theatralik ist dies viel genialer, kampflustiger und komischer als Fassbinders magere Tortur. Und das liegt daran, dass es (meistens) männlich ist. Die Fashionista ist jetzt ein männlicher Filmregisseur, Peter von Kant, ausgelassen gespielt von Denis Ménochet – mit Andeutungen, dass er eigentlich Fassbinder selbst sein soll, obwohl Fassbinder viel härter und unsentimentaler war als dieser Typ.

Peter hat einen toten Houseboy-Slash-Amanuensis namens Karl (Stefan Crepon), der auf urkomische (im Gegensatz zu tragische oder erotische) Weise der intime Zeuge all der leidenschaftlichen Konfrontationen zwischen Peter und seiner Geliebten ist. Petras zickige Feindin aus dem ersten Film ist immer noch weiblich: Sidonie, gespielt von Isabelle Adjani. Ebenfalls noch weiblich ist Peters jugendliche Tochter, die vom Internat nach Hause kommt, gespielt von Aminthe Audiard (Großnichte von Jacques). Ihre kecke Präsenz lässt dies (wie Water Drops on Burning Rocks) an etwas von Noël Coward erinnern. Peters schöner, doppelzüngiger Liebhaber Amin wird von Khalil Ben Gharbia gespielt und Hanna Schygulla, die 1972 die Liebhaberrolle spielte, wurde zurückgeholt, um Peters Mutter zu spielen.

Die Dynamik ist definitiv anders, jetzt, wo sowohl Männer als auch Frauen auf der Leinwand zu sehen sind: Es ist weniger luftlos und verrückt, aber genauso theatralisch und künstlich. Ozon gibt seinen Charakteren oft inszenierte Auftritte, indem er sie selbstbewusst in einen Türrahmen einrahmt. Ozons Hauptcoup macht Peter zum Filmregisseur, was bedeutet, dass Peter Amin gleich in seiner Wohnung einen Bildschirmtest geben kann, bei dem er Amin nach dem tragischen Tod seiner Eltern fragt, während die Kamera läuft und mit der Intensität antwortet – teils sadistisch, teilweise einfühlsam – des Mörders in Peeping Tom. Sowohl Ménochet als auch Gharbia sind sehr gut in dieser Szene.

Doch dieser neue Von Kant hat etwas Leichteres, fast Flippiges und Französisch-Possenhaftes: ein Mann, der von l’amour niedergeschlagen wurde und vom Publikum kaum mehr als ein weltliches, mitfühlendes Achselzucken einfordert.

Peter von Kant lief auf den Berliner Filmfestspielen.

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